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Wirklich der neue Del Piero? | Kenan Yildiz (18) im Porträt

Wirklich der neue Del Piero? | Kenan Yildiz (18) im Porträt

Wettbewerbsübergreifend drei Tore des 18-jährigen Stürmers türkischer Abstammung für Juventus, der sich zudem bereits seit November als A-Nationalspieler nennen darf. Kenan Yildiz gilt als das Versprechen für die Zukunft, aber auch für die Gegenwart der alten Dame, und wird von vielen Medien als der neue Alessandro Del Piero deklariert. Doch ist der Vergleich berechtigt? (Bild: IMAGO / Sportimage)

In der Zwischenzeit hat der gebürtige Regensburger bereits die Geschichte der Bianconeri akribisch studiert, denn er jubelt mit herausgestreckter Zunge und offenen Armen: "Eine Hommage an Del Piero, eine Legende dieser Mannschaft", sagte er nach seinem ersten Tor gegen Frosinone. Ein Jubel, den er auch gegen Salernitana wiederholte.

Kenan Yildiz weiß genau, wie man schöne Tore schießt. Sein erster Treffer gegen Frosinone, bei seinem Debüt für Juventus zwei Tage vor Weihnachten. In diesem Fall fiel das Tor bereits nach 11 Minuten, indem er drei Gegenspieler auf einmal austanzte, was ihn zum drittjüngsten Torschützen der Bianconeri nach Kean und Coman machte und zum jüngsten Ausländer in der Serie A mit 18 Jahren, 7 Monaten und 19 Tagen.

Nun zauberte Yildiz ein weiteres Mal, diesmal im Achtelfinale der Coppa Italia gegen Salernitana: ein erneutes Tempodribbling in den Strafraum bei dem vier Abwehrspieler ausgetanzt wurden und ein spektakulärer Abschluss Keeper Fiorillo nicht parieren konnte. Es war die Frucht der Arbeit des 18-Jährigen, eines echten prädestinierten Spielers, der sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft von Juventus verkörpert.

Allegri: "Yildiz so intelligent wie ein Champion"

Nach dem herrlichen Tor des Youngsters beim 6:1-Sieg gegen Salernitana fand Allegri nette Worte: "Kenan ist gut, aber darüber hinaus ist er auch intelligent. Er hat eine große Karriere vor sich, alle Champions, die ich trainiert habe, waren intelligent, und er ist es auch, aber er wird erst dann sagen können, dass er eine große Karriere hatte, wenn er 7-8 Jahre auf diesem Niveau geblieben ist."

Die Beziehung zu Allegri ist eines der Geheimnisse der hervorragenden Integration des Spielers von 2005 in die erste Mannschaft: "Ich danke ihm für diese Chance, er ist der Chef und ich freue mich immer auf alles, was er sagt, auch in Bezug auf meine Frisur. Ich danke auch den Fans, sie sind spektakulär".

Wie in der Türkei feierte er das Tor mit herausgestreckter Zunge (sowohl gegen Frosinone als auch gegen Salernitana), eine Hommage an Del Piero: "Ich habe es wieder getan, weil er eine Legende dieses Vereins ist. Er ist eines meiner Idole, zusammen mit Zidane und anderen Spielern wie Messi und Ronaldo".

Von Bayern zu Juve

Der in Deutschland geborene, aber türkischstämmige Stürmer (laut Guardian 2023 unter den 60 besten Spielern der Welt) wurde 2005 von Bayern München abgeworben, wo er im Alter von sechs Jahren seine ersten Schritte machte, bis er die U19-Auswahl erreichte. "Juventus war für mich jedoch die beste Option für die Zukunft", sagte Yildiz, der das Fußballspielen unter anderem autodidaktisch über YouTube-Videos erlernte.

"Sobald er in der Primavera ankam, hat er die Scouts in Ekstase versetzt", gab der Sportdirektor der Bianconeri, Giovanni Manna, zu, der wie die gesamte Geschäftsführung von seinen technischen Fähigkeiten enorm beeindruckt war. Er ist ein schneller zweiter Stürmer, der gut in der Vertikalen spielt und - wie Allegri betonte - "die Dinge auf den Punkt bringt".

Bayern Schuld am Abgang?

Aus Bayern-Perspektive muss man sich natürlich den Vorwurf gefallen lassen wie man so einen Rohdiamanten verlieren konnte. Laut Holger Seitz, Coach der zweiten Mannschaft und langjähriger Campus-Wegbegleiter, ist dem nicht so: “Wir mussten ihn ziehen lassen, weil er sich gemeinsam mit seiner Familie und seiner Berater-Agentur für einen anderen Weg entschieden hat.“

„Das hat schon wehgetan, weil er sehr lange bei uns ausgebildet worden ist. Wenn uns dann Spieler verlassen, wenn es im oberen Bereich spannend wird, tut es weh”, drückte Seitz sein Bedauern aus. Der Coach zeigte aber auch Verständnis für die Entscheidung des Offensiv-Juwels: “Das Recht haben die Spieler. So ist das Geschäft. Und so wie es jetzt für ihn läuft, hat er sicherlich einiges richtig gemacht”, verdeutlichte er.

Yildiz‘ Berater Hector Peris jedoch enthüllte kurze Zeit später, dass der Zeitpunkt der Verlängerung und die Art und Weise wie mit dem Talent beim deutschen Rekordmeister umgegangen wurde, der ausschlaggebende Punkt dafür war, warum sein Schützling die Zelte gen Italien abbrach.

Das Derby gegen den Toro

Es gibt ein Datum in Yildiz' Schicksal: den 1. Oktober 2022. Das Derby Primavera zwischen Torino und Juventus wird ausgetragen. Yildiz begann von der Bank aus, die Bianconeri lagen 3:1 zurück und eine halbe Stunde vor Schluss schickte Paolo Montero den jungen Türken ins Spiel. Ab da änderte sich das Spiel komplett!

Von 3:1 auf 3:4 mit einem Doppelschlag von Yildiz. 'Er ist einer für Juve', sagte Paolo Montero, der dann hinzufügte: 'Mit den Qualitäten, die Gott ihm gegeben hat, ist es offensichtlich, dass er es in die erste Mannschaft schaffen wird.“ Gesagt, getan. Allegri hatte ihn in der vergangenen Saison den älteren Spielern zugeteilt, doch ließ ihn weiterhin in der Serie C zwischen Primavera und Next Gen in Ruhe reifen.

Die Anekdote mit dem Haarschnitt

Sein Debüt in der Serie A gab Yildiz schließlich am 20. August gegen Udinese, als er fünf Minuten vor Schluss für Vlahovic eingewechselt wurde. Auf der einen Seite seine Begeisterung auf dem Spielfeld, auf der anderen seine Eltern, die ihn im Fernsehen verfolgten. Am Ende lobte ihn Allegri, aber nicht bevor er ihm in der Pressekonferenz ins Gewissen redete:

"Er muss sich die Haare schneiden, er hat sie schon hundertmal angefasst". Yildiz befolgte den Rat und erschien am nächsten Tag mit einem Kurzhaarschnitt beim Training. So sehr, dass ihn seine Freunde bis heute hänseln: "Weißt du, was mir an deinem Debüt gefallen hat? Deine neue Frisur...".

Das Tor gegen "sein" Deutschland

Yildiz wurde in Deutschland geboren, ist aber türkischer Herkunft. Zwei Optionen für die Nationalmannschaft, aber ein klarer Wunsch: das türkische Trikot zu tragen, mit dem er bereits in der U21 und U17 gespielt hatte. Also griff Nationaltrainer Vincenzo Montella zum Telefon und berief ihn im Oktober 2023 zum ersten Mal ein.

Erst das Debüt gegen Kroatien, dann das Tor gegen "sein" Deutschland am 18. November. Ein Tor im Stile von Del Piero, sowohl die Art des Tores (Schuss mit dem rechten Fuß an den langen Pfosten) als auch der Jubel (rausgestreckte Zunge und weit geöffnete Arme). Wie bei Alessandro damals ist Juventus von dessen Fähigkeiten so überzeugt, dass sie ihn bis 2027 mit einem Vertrag gebunden haben.

Dank seiner sehr starken Leistungen soll dieser jetzt mit verbesserten Konditionen bis 2029 verlängert werden. Juventus hat die Absicht um ihn herum einen schlagkräftige Offensive zu bauen und hat ihn daher im Sommer als unverkäuflich deklariert.

Spielstil ebenfalls "Del Piero-Like"

Auch vom Spielertyp her hat er Ähnlichkeiten mit dem Weltmeister von 2006. Denn der junge Türke kann ebenfalls als hängende Spitze agieren, besitzt Spielmacherqualitäten, eine überragende Technik und kann jederzeit mehrere Gegenspieler ausdribbeln.

Darüber hinaus bewegt er sich sehr klug im Raum und weiß genau wo er sich zu platzieren hat. Im Gegensatz zu del Piero bringt er jedoch mehr Geschiwndigkeit und dank seiner 185 cm mehr körperliche Wucht mit, so dass er sich auch in Kontaktsituationen mit dem Gegner wohl am Ball fühlt.

Sicherlich war der Italiener im Abschluss stärker, jedoch besitzt der junge Türke die Anlagen um es der Juve-Legende in paar Jahren gleichzutun, sollte er weiterhin ehrgeizig an der Perfektion seines Abschlusses feilen, um diesen auf Weltklasseniveau zu bringen.

Die Zukunft (und die Gegenwart) der alten Dame scheint gerade in der Offensive mit Kenan Yildiz also sehr vielversprechend zu sein. Ob er jedoch in die großen Fußstapfen von Del Piero treten kann, wird vor allem seine Konstanz und Mentalität am Ende zeigen. Die Anlagen besitzt das Ausnahmetalent mit Sicherheit, jetzt gilt es diese weiterzuentwickeln.

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