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BGH pro DFB: Vereine haften für Ihre Fans - Carl Zeiss Jena muss zahlen

BGH pro DFB: Vereine haften für Ihre Fans - Carl Zeiss Jena muss zahlen

Der Bundesgerichtshof hat per Beschluss vom 4. November 2021 (Az. I ZB 54/20) entschieden, dass Vereine für das Fehlverhalten ihrer Zuschauer und Anhänger verschuldensunabhängig haften und der DFB den betreffenden Verein sanktionieren darf. Allerdings sei es keine wirkliche „Strafe“ sondern hat präventiven Charakter.

Was war passiert?

Der FC Carl Zeiss Jena e.V. spielte in den Saisons 2017/18-2019/20 in der vom DFB als Profiliga ausgerichteten 3. Liga. Seine Fußball-Profiabteilung hatte der Verein in die Carl Zeiss Jena Fußball Spielbetriebs GmbH ausgegliedert. Diese hatte per Schiedsvertrag vom 21. März 2018 mit dem DFB unter anderem vereinbart (§ 1), dass für Streitigkeiten zwischen dem Verband und den Teilnehmenden an der 3. Liga, insbesondere bei Verbandssanktionen, das Ständige Schiedsgericht zuständig und damit zur Entscheidung berufen ist.

Während der Saison 2018/19 kam es im Fanblock von Carl Zeiss Jena dazu, dass pyrotechnische Gegenstände abgebrannt wurden und auch Gegenstände (unter anderem Feuerzeuge) aufs Spielfeld geworfen wurden. Dies sanktionierte das DFB-Sportgericht per Urteil vom 25. Oktober 2018 mit einer Geldstrafe in Höhe von 24.900€ wegen unsportlichen Verhaltens, wobei Jena nachgelassen wurde, „hiervon einen Betrag in Höhe von bis zu 8.000 € für sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen zu verwenden“.

Zurückweisung der Berufung und Klageabweisung

Carl Zeiss Jena entschied sich gegen das Urteil des DFB-Sportgerichts vorzugehen und legte Berufung ein. Gemäß § 24 der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) ist gegen die Urteile des DFB-Sportgerichts die Berufung zum DFB-Bundesgericht zulässig. Die Berufung wurde mit Urteil vom 8. Februar 2019 zurückgewiesen und das Urteil des DFB-Sportgerichts bestätigt.

Jena gab nicht auf und verklagte den DFB beim Ständigen Schiedsgericht und begehrten die Feststellung, dass der Schiedsvertrag vom 21. März 2018 unwirksam ist.
Hilfsweise beantragten sie die Aufhebung des DFB-Bundesgerichtsurteils
und die Abänderung des Urteils vom DFB-Sportgericht dergestalt, dass der
Antrag des DFB-Kontrollausschusses auf Bestrafung der Jena GmbH
abgewiesen wird.

Das Ständige Schiedsgericht für die 3. Liga wies die Klage mit Urteil vom 25. November 2019 ab und führte aus, dass sich die von beiden DFB-Gerichten getroffenen Entscheidungen auf eine rechtswirksame Rechtsgrundlage der verschuldensunabhängigen Haftung nach § 9a Nr. 1 und Nr. 2 DFB-RuVO stützen. Dort ist nämlich geregelt, dass Vereine und Tochtergesellschaften unter anderem für das Verhalten ihrer Anhänger und Zuschauer verantwortlich sind und der gastgebende Verein sowie der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaft im Stadionbereich für jegliche Zwischenfälle vor, während und nach dem Spiel haften. Auf ein Verschulden kommt es somit nicht an, weshalb von der sogenannten „Strict Liability“ gesprochen wird. Deren Zulässigkeit hatte das Ständige Schiedsgericht mit Verweis auf den Grundsatz der Verbandsautonomie sowie auf die Artikeln 72, 73, 74 Nr. 1, 2 und 3 des Disziplinarkodex der FIFA, wo eine verschuldensunabhängige Haftung für der FIFA angeschlossenen Verbände geregelt ist, bejaht.

Die staatlichen Gerichte als letzter Strohhalm – und was ist mit der Schiedsvereinbarung?

Nachdem also die verbandsinternen Instanzen sowie das Schiedsgericht, Carl zeiss Jena in der Sache kein Recht gab, suchte Jena schließlich Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten und zog vor das OLG Frankfurt a.M. und begehrte die Aufhebung des Schiedsspruchs. Geltend gemacht wurde vor allem, dass der Schiedsvertrag nicht freiwillig geschlossen worden wäre und deshalb unwirksam sei, da ohne die Unterzeichnung der Schiedsvereinbarung eine Teilnahme am Ligaspielbetrieb nicht möglich wäre und somit die Vereinbarung unter Zwang herbeigeführt worden ist.

Die Streitigkeit selbst, also die vom DFB-Sportgericht verhängte Geldstrafe, durfte aufgrund der Schiedsvereinbarung nicht Gegenstand des Verfahrens sein. Allerdings zählt der Ausschluss der Rechtswege vor den ordentlichen Gerichten nicht hinsichtlich der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung selbst, weshalb die Klage beim OLG Frankfurt a.M. hier zulässig war.

Das OLG (Beschluss vom 23. Juni 2020 Az. 26 Sch 1/20) hat erklärt, dass der Schiedsgerichtsvertrag vom 21. März 2018 eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung im Sinne der §§ 10255 ff. ZPO darstellt und das Ständige Schiedsgericht der 3. Liga deshalb ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO ist. Sie ist auch unabhängig und neutral, weshalb der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wirksam ausgeschlossen worden ist. Auch die für einen wirksamen Ausschluss des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten notwendige Unabhäniggkeit und Neutralität eines echten Schiedsgerichts sei gegeben.

Ferner habe sich der Verein auch freiwillig dem Schiedsgerichtsvertrag unterworfen, da eine Unfreiwilligkeit nur dann vorliegen könne, wenn physische oder psychische Gewalt, zum Beispiel durch Drohung mit einem empfindlichen Übel ausgeübt wird, wenn der Verzichtende getäuscht wird, wenn er sich der Tragweite und Bedeutung seiner Erklärung nicht bewusst ist oder wenn es gar an der (bewussten) Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung fehlt. Im Falle einer vertraglichen Vereinbarung, die das maßgebliche Instrument zur Verwirklichung des freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen steht, liege daher vom Grundsatz her die erforderliche Freiwilligkeit vor. So auch hier in diesem Fall, da der Abschluss eines Schiedsgerichtsvertrag streng genommen kein zweingendes rechtliches Erfordernis für eine Zulassung zur 3. Liga sei.

Nun also auch die Schlappe vor dem BGH

Auch diese Entscheidung konnten die Jeaner nicht auf sich beruhen lassen und legten gegen das Urteil des OLG Frankfurt a.M. die Rechtsbeschwerde beim BGH ein. Dieser ist dabei lediglich dann dazu befugt, den Schiedsspruch aufzuheben, wenn elementare Grundsätze der Rechtsordnung, hier die strict liability, verletzt werden und damit eine Verletzung gegen den ordre public vorliegt.

Der BGH hat nur eine solche Verletzung verneint. Außerdem sei die als "Geldstrafe" bezeichnete Sanktion des DFB, keine strafähnliche Sanktion dar, die diesem Grundsatz unterliegen könnte. Sie hat eher präventiven Charakter und soll den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern, indem sie den Verein dazu anhalten, zukünftig alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern. Dies könne z.B. durch eine ständige Kommunikation mit ihren Fans befriedend auf diese einzuwirken, situationsabhängig geeignete präventive Maßnahmen zu ergreifen und dadurch die von ihren Anhängern ausgehenden Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich zu unterbinden.

Chris Förster, Geschäftsführer des FC Carl Zeiss Jena:

Zumindest haben jetzt beide Seiten erst einmal Klarheit. Wir müssen uns
das Urteil ansehen und entscheiden, ob es wert ist, das
Bundesverfassungsgericht anzufragen. Wir werden für etwas bestraft zu werden, wofür wir nichts können. Die Prävention, die damit einhergehen soll, hat sich über die Jahre auch nicht eingestellt. Somit kann man den präventiven Charakter durchaus mal in Frage stellen. Das ist nicht von der Praxis gedeckt

Die Einordnung der "Geldstrafe" als präventive Maßnahme entspreche der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS), der das Ziel der verschuldensunabhängigen Haftung gleichfalls nicht in der Bestrafung des Vereins, sondern in der Prävention und Abschreckung sieht.

Ein Verstoß des Schiedsspruchs wegen einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit oder wegen einer Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegen den ordre public läge auch nicht vor.

Fazit

Die Strict Liability ist eine im Sport, vor allem im Fußball, nachvollziehbare Regelung, da andernfalls Verbände kaum Möglichkeiten hätten, Vergehen von Zuschauern zu ahnden. Dies liegt vor allem daran, dass im Gegensatz zu den Vereinen mitsamt ihren Spieler und Funktionäre, die Zuschauer mangels Mitgliedschaft beim Verband, nicht den Verbandsstatuten unterworfen sind. Sie stehen aufgrund des Zuschauervertrages lediglich in einem Vertragsverhältnis zu den Vereinen und sind damit nur deren Stadionordnung unterworfen. Daher müsste für eine Sanktionierung seitens des Verbands zunächst einmal ein Verschulden des Vereins im konkreten Fall nachgewiesen werden, was sowohl rechtlich als auch tatsächlich sehr schwer bis gar nicht gelingen wird.

Deshalb hat auch die UEFA in ihrer Rechtpflegeordnung in den Artikeln 6, 11 und 17 eine vergleichbare Regelung. Immerhin gehören zu den wesentlichen Zielen der Verbände, Gewalt und Diskriminierung in und außerhalb der Fußballstadien zu verhindern. Dazu gehört auch darauf hinzuwirken, dass die Vereine mehr Präventionsarbeit leisten, was durch eine Sanktion mit verschuldensunabhängiger Haftung einen faktischen Zwang auf sie ausübt.

Allerdings scheint es, als habe sich der BGH nicht ernsthaft mit der nachvollziehbaren und berechtigten Argumentation des FCC sachlich auseinandergesetzt, dass der präventive Charakter nicht mehr gegeben sei, wenn der Verein bereits alle ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen unternonmmen und solche Vergehen trotzdem nicht verhindert werden konnten. Selbst der DFB schaffe es nicht, beim DFB-Pokal-Finale das Zünden von Pyrotechnik abzuwenden.


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