Nach der schmerzhaften Niederlage gegen Norwegen musste Luciano Spalletti seinen Hut nehmen und Gennaro Gattuso Platz machen. Der mittlerweile bla-jährige Italiener ist bei vielen Fans zwar beliebt, jedoch wird auch er skeptischvon Medien und Fans gesehen. Ist Gattuso der Richtige für diesen Job?
Das viral gegangene Meme von Ranieris Gesicht als Fledermaussignal, das wie bei Batman den Nachthimmel erhellt, hat die Situation wirklich auf den Punkt gebracht, denn die „Squadra Azzurra“ muss dringend gerettet werden. Leider weiß Sir Claudio, ähnlich wie Batman selbst, dass dieser Kampf zu riskant sein könnte und er sich daher lieber in den wohlverdienten Ruhestand zurückzieht. Das können wir ihm nicht verübeln. Das eigentliche Problem ist, dass man ihn nicht früher geholt hat, als man ihn vielleicht noch hätte überzeugen können, das Amt zu übernehmen.
Ranieri wäre aus entgegengesetzten Gründen, aus denen Gattuso ein komplettes Desaster wäre, perfekt für diese Aufgabe geeignet gewesen. Der eine arbeitet daran, das Selbstbewusstsein seiner Spieler aufzubauen, schart die Fans und die Presse in einer familiären Atmosphäre um sich, passt sich den Eigenschaften des ihm zur Verfügung stehenden Kaders an und konzentriert sich auf einfache taktische Konzepte, die schnell und leicht zu vermitteln sind.
Der andere hat bei jedem Verein für Spannungen und Emotionen (auch positive) gesorgt, legt sich mit den Medien an und weigert sich, mit bestimmten Reportern zu sprechen, hat bei keiner Mannschaft wirklich langfristig überzeugt und scheint mehr darauf bedacht zu sein, Härte zu zeigen, als einen echte Spielphilosophie zu entwickeln. Darüber hinaus versucht Gattuso seine Spieler in sein präferiertes System zu pressen, egal ob sie dafür geeignet sind oder nicht.
Härte und Druck der richtige Ansatz?
Allein die Tatsache, dass man zur Mannschaft gehörte, die die Weltmeisterschaft 2006 gewann, reicht nicht aus, um automatisch ein guter Trainer zu werden. Wir haben schon einige von ihnen abstürzen und verglühen sehen, während andere wie Fabio Cannavaro oder Alessandro Nesta in der Serie A kaum überzeugen konnten.
Seien wir ehrlich: Die meisten Jobs, die Gattuso auf Vereinsebene bekommen hat, waren seinem Ruf als Spieler zu verdanken, denn sie waren alle kurzlebig und unscheinbar. Das einzige Mal, dass er zwei volle Saisons irgendwo absolvierte, war für Pisa in der Serie C und B von 2015 bis 2017. Sein einziger Titel als Trainer war die Coppa Italia 2020 mit Napoli, da das Team für sein präferiertes 4-3-3 ausgelegt war.
Natürlich wird es auch die Fraktion von Tifosi geben, die sich wünschen, dass Gattuso kommt, einige Spieler schlägt und sie nach den schwachen Leistungen unter Spalletti wieder anfeuert - aber das ist der falsche Ansatz. Wie Spalletti selbst zugab und Gigi Buffon gleichermaßen konstatierte, war es genau das, was diese negative Reaktion auslöste: Druck auf die Spieler auszuüben.
Die Moral dieser Mannschaft ist auf dem Tiefpunkt, sie muss gestreichelt, umschmeichelt und wieder zum Leben erweckt werden. Sie darf nicht angebrüllt und gegängelt werden. Sie ist vielleicht auch aufgrund ihres jungen Alters noch nicht für Härte und Druck empfänglich, kurz gesagt nicht gefestigt genug.
Keine klare Vision in der Trainerfrage
Wenn der Verband von einem Extrem zum anderen wechselt, von Ranieri zu Gattuso, bedeutet das, dass er keine klare Vorstellung von einem adäquaten Trainerprofil hat. Eine Vater- (vielleicht sogar Großvater-) Figur oder einen strengen Major Pain? Rinos Herangehensweise an die Menschenführung ist so weit von Ranieris sanfter Berührung entfernt, wie der Dalai Lama von John Rambo.
Wenn sie wirklich einen Weltmeister von 2006 holen müssen, dann sollten sie wenigstens ein Profil zwischen den beiden finden. Daniele De Rossi wäre aufgrund der genannten Kriterien geeigneter gewesen. Seine Entlassung bei der Roma war ungerecht und völlig unnötig, er kann sowohl fürsorglich sein als auch von der Seitenlinie aus schreien, wenn es sein muss, und er hat bei der siegreichen EURO 2020 mit Roberto Mancini im italienischen Team zusammengearbeitet.
Sicherlich würde er Ranieri um Rat fragen um von seiner Erfahrung zu profitieren. De Rossi hätte zumindest das Gefühl, dass es einen logischen Fortschritt von einer Wahl zur anderen gibt, während Gattuso ein Zeichen dafür ist, dass die FIGC ohne klaren Plan nach Trainern scoutet, die den unangenehmen Job erledigen.
Anspruch und Realität klaffen weit auseinander
Fakt ist aber auch, dass die Qualität der Squadra Azzurra in den letzten 15 Jahren stark nachgelassen hat. Bei den meisten Topmannschaften der Serie A spielen hauptsächlich nur noch ausländische Spieler, teils aus finanziellen, aber auch qualitativen Gründen. Zum anderen ist der Anspruch der Tifosi mit den Jahren nicht geringer geworden und wurde durch den überraschenden EM-Sieg 2021 weiter genährt.
Doch die Realität sieht anders aus. Nach der demütigenden Niederlage gegen Norwegen kämpfen die Italiener darum, nicht die dritte WM in Folge zu verpassen, ein Skandal für so eine stolze Fußballnation die vier Weltmeistertitel in ihrer Vitrine stehen hat. Wenn die Qualität also nicht mehr dieselbe ist wie die von 2006, dann muss zumindest das Kollektiv stimmen.
Ein taktisch flexibler Trainer mit emotionaler Intelligenz und einer klaren Spielidee die zur Mannschaft passt und diese leicht umsetzen kann, da die Trainingseinheiten in der Nationalmannschaft eher begrenzt sind. Rino passt eher nicht in dieses Profil, aber vielleicht schafft die Milan-Legende aufgrund seiner Beliebtheit und seiner ganz eigenen sympathischen Art ja doch überraschend die WM-Qualifikation und könnte damit seiner Trainerkarriere nochmals einen Push verleihen.