Für viele war Conceicao der Mann, den Milan im Sommer hätte verpflichten sollen, als die Entscheidung getroffen wurde, Stefano Pioli zu entlassen. In seiner Zeit in Porto war er ein erfolgreicher Trainer, der in sieben Spielzeiten 11 Trophäen gewann, darunter drei Meistertitel. Geholt wurde der Portugiese erst im Dezember, was ihn vor gewisse Schwierigkeiten stellt. (Bild: IMAGO / sportphoto24)
Doch das Triumvirat um Zlatan Ibrahimovic, Giorgio Furlani und Geoffrey Moncada hat ein paar Mal die Würfel rollen lassen und schienen sich auf Julen Lopetegui zu einigen, bevor die Proteste der Fans dies zu Nichte machten, und dann - anstatt sich an Conceicao oder sogar Antonio Conte zu wenden - entschieden sie sich für die noch weniger gewollte Personalie Paulo Fonseca.
Fonsecas Amtszeit lässt sich angesichts der Achterbahnfahrt, die er in diesen 200 Tagen erlebte, nur schwer in einem Satz zusammenfassen. Der Portugiese verließ den Verein nach nur 24 Spielen, als Milan auf dem achten Tabellenplatz lag und kurz davor war, zur Supercoppa Italiana in den Nahen Osten zu fliegen.
Der nächste Trainer war Conceicao, mit dem im Sommer geflirtet wurde und der schließlich Monate später erst verpflichtet wurde. Nur sieben Tage nach seinem Amtsantritt hob er die 50. Trophäe des Klubs in den Himmel von Riad, und während sie im Sommer vielleicht nicht überzeugt waren, sind es die Mailänder Verantwortlichen jetzt mit Sicherheit.
Drei Siege und ein Pokal
Conceicao hat Milan in weniger als einer Woche wieder Leben eingehaucht. Die Rossoneri haben unter der Leitung der Porto-Legende in vier Partien drei Siege gegen die beiden Hauptkonkurrenten Juventus und Inter errungen, wobei sie in drei Fällen einen Rückstand aufholen konnten und Mentalität zeigten, die vorher stark in Frage gestellt wurde.
In wenigen Tagen hat Conceicao ein weiteres Derby gewonnen, was angesichts der Präzedenzfälle der letzten Jahre nicht selbstverständlich ist, und vor allem eine Trophäe geholt. Die Supercoppa ist sicherlich nicht mit dem Scudetto und der Champions League zu vergleichen, aber es ist dennoch eine Trophäe, die man sich stolz in die Vitrine stellen kann und den Spielern Selbstbewusstsein verleiht.
Zuletzt gelang dies Vincenzo Montella im Jahr 2016 in Mailand, einem Trainer, der - abgesehen von dem Triumph in Katar nach 18 Spielen - nicht viel mehr erreichen konnte. Der Gewinn der Supercoppa dürfte also nicht ausreichen, um Conceicao einen Verbleib über den Juni hinaus zu garantieren, zumal er eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag besitzt.
AC MILAN COMPLETE THE COMEBACK TO WIN THE SUPERCOPPA ITALIANA 🔴⚫ pic.twitter.com/ikjzDoaZdY
— B/R Football (@brfootball) January 6, 2025
Zurück in die Top 5
Die eigentliche Aufgabe des 50-Jährigen besteht darin, sich einen Platz in der Champions League zu sichern, ein Ziel, das angesichts des derzeitigen Abstands zum vierten Platz nicht leicht zu erreichen ist. Logischen Hochrechnungen zufolge sind etwa 45 Punkte erforderlich, um in den Kampf um diese Plätze einzugreifen.
Trotz des Sieges in der „Bubble“ von Riad hatte Conceicao noch keine Gelegenheit, etwas zu zeigen, denn die Liga gibt keine unmittelbare Befriedigung, sondern ist ein Weg, auf dem Enthusiasmus aufgebaut und aufrechterhalten werden muss, auch wenn das Ziel noch weit entfernt ist.
Unter diesem Gesichtspunkt ist er sicherlich der am besten geeignete Mann, um das Ruder zu übernehmen. Im Gegensatz zu Fonseca, aber ähnlich wie Pioli, ist Sergio ein Mann, der eine angeborene Fähigkeit zu haben scheint, die Mannschaft sowohl in der Kabine als auch vor den Medien zu motivieren und die richtigen Akkorde zu treffen.
Gleichzeitig haben die Mailänder gezeigt, dass sie aus Spielern bestehen, die, wenn sie gut motiviert sind, es verstehen, die Begeisterung auch auf lange Sicht aufrechtzuerhalten. Wir alle waren Zeugen des glorreichen Scudetto unter Pioli und der hervorragenden Ergebnisse in der Champions League im darauf folgenden Jahr, zwei „sportliche Wunder“, an denen Stars wie Rafael Leao und Theo Hernandez großen Anteil hatten.
Gutes In-Game-Coaching
Die Qualitäten von Conceicao enden hier nicht. Das wahre Talent des neuen Mailänder Trainers lässt sich in einem Satz zusammenfassen, den er selbst am Ende des Endspiels am Montag offenbarte: „In der Halbzeit muss der Trainer eingreifen und die Dinge korrigieren, dafür werde ich bezahlt.“ Das bekam unter anderem ein zu Boden geworfener Fernseher in der Kabine zu spüren, jedoch mit anschließenden Gewinn der Supercoppa.
Es waren genau die Entscheidungen des Trainers während des Spiels, die es Milan ermöglichten, die Trophäe mit dem Flugzeug nach Hause zu bringen. Der Portugiese, der das Spiel vom System her nach dem Vorbild von Fonsecas Milan begann, wagte es, die Formation der Mannschaft in der zweiten Halbzeit mindestens zweimal zu ändern. Jeder Wechsel, der zum richtigen Zeitpunkt vorgenommen wurde, bewirkte genau das, was er bezwecken sollte.
Verschiedene Momente innerhalb eines Spiels zu lesen und proaktiv statt reaktiv zu sein, ist eine Qualität, die Fonseca fehlte und die Conceicao stattdessen besitzt. Es ist eine 'ancelottische' Gabe, die Sergio in den ersten beiden Spielen bewundernswert unter Beweis stellen konnte, obwohl er erst wenige Trainingseinheiten mit der Mannschaft absolviert hat.
The Supercoppa has arrived at San Siro 🌟#MilanCagliari #SempreMilan pic.twitter.com/vq0zGD28kr
— AC Milan (@acmilan) January 11, 2025
Conceicao zeigt Mut
Mit der Einwechslung von Leao zum Beispiel brach Milan das Spiel auf. Sein erstes Dribbling führte zu einem Freistoß, den Theo souverän verwandelte, um den Rückstand zu egalisieren und den Glauben zu wecken, der angesichts des bitteren Beigeschmacks der letzten Derbys vielleicht schon verblasst war.
Mit der Einwechslung von Tammy Abraham und Ruben Loftus-Cheek wollte Conceicao ein klares Zeichen setzen: rausgehen und gewinnen. Der Sieg wurde dann auch eingefahren, obwohl auch Inter seine Chancen hatte, mit gewagten Schachzügen wie Christian Pulisic im Mittelfeld und Loftus-Cheek noch weiter hinten.
Ein Trainer muss das tun, er muss wissen, wie er den Moment lesen und managen muss. Manchmal ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um das Ruder herumzureißen, was Fonseca vielleicht nicht oft genug getan hat (siehe die Unentschieden gegen Juventus, Cagliari und Genua zu Hause), und das kann sich auszahlen. Schließlich wird er dafür bezahlt.
Planung für die Zukunft
Es ist vielleicht übertrieben zu sagen, dass Conceicao bereits in die Herzen aller Milan-Anhänger vorgedrungen ist, aber er ist mit Sicherheit in den Köpfen der Verantwortlichen vorgedrungen. Im Grunde genommen hat er sich bereits das Recht verdient, mit den Direktoren zu sprechen und bei Entscheidungen mitzureden.
Wie einige italienische Gazzetten berichten, hat der neue Trainer seine Vorgesetzten ausdrücklich um zwei oder drei Neuverpflichtungen im Januar gebeten, um so viele Positionen wie möglich im Kader zu verstärken, da der Kader nicht genügend Tiefe besitzt und zahlreiche Stammspieler erschöpft wirken. Der portugiesische Fußballlehrer sprach gar von Fitnessrückständen der gesamten Mannschaft, so dass er Probleme bei der Durchsetzung seiner Spielphilosophie habe.
Die größte Baustelle
Die Abteilung, an der am meisten gearbeitet werden muss, ist sicherlich das Mittelfeld, das derzeit mit Tijjani Reijnders und Youssouf Fofana zwei Stammspieler besitzt, denen es jedoch an zuverlässigen Stellvertreter fehlt. Ismael Bennacer ist noch weit davon entfernt, seine beste Form zu finden, während Loftus-Cheek und Yunus Musah zwar gute Ersatzspieler sind, sich aber (noch) nicht unbedingt für eine Rolle in der Startelf eignen.
Conceicao hat Moncada und seine Scouts aufgefordert, einen Regista zu holen, der in der Lage ist, das Tempo zu diktieren, also eine Art Bennacer Back-up. Der heißeste Name in diesem Zusammenhang ist sicherlich Reda Belahyane (20) von Hellas Verona, der bereits seit Monaten im Gespräch ist.
Die Verantwortlichen haben nun konkrete Schritte unternommen, nachdem sie einen Teil der Entourage des Spielers getroffen haben. Ziel ist es, den marokkanischen Mittelfeldspieler für rund 10 Millionen Euro zu verpflichten, und Belahyane hat bereits die Zustimmung von Conceicao erhalten, welcher ebenfalls große Stücke auf das 20-jährige Talent hält.
Eine Einigung mit Verona steht allerdings noch aus - sie verlangen mindestens 15 Millionen Euro für den Verkauf. Die Verhandlungen haben begonnen, aber die Regista-Rolle ist nicht der einzige Bereich auf dem Spielfeld, den Mailands neuer Trainer im Januar verstärken möchte.
Someone needs to save Reda Belahyane from Hellas Verona. Way too good for such a struggling team.
— Ben Mattinson (@Ben_Mattinson_) November 25, 2024
Belahyane is so tenacious, absolute dog in the midfield but technically so press resistant and progressive. Crazy agility/dribbling out tight spaces.
Reminds me of peak Bennacer. pic.twitter.com/FLGxBiplBN
Verstärkung für die Flügel
In Anbetracht der Verkaufsabsicht von Noah Okafor ist Milan auf der Suche nach einem vielseitigen Flügelspieler. Der heißeste Name ist Marcus Rashford, wenn man bedenkt, dass sein Bruder in den letzten Stunden in der Casa Milan zugegen war, auch wenn die Verhandlungen noch lange nicht abgeschlossen sind.
Die Tatsache, dass Manchester United nicht bereit ist, sich in erheblichem Maße an Rashfords Gehalt zu beteiligen, könnte jedoch Konkurrenten wie Como und Juventus zu Gute kommen, die derzeit keine internen Gehaltsbeschränkungen haben wie Milan.
Die Alternative, die mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, ist jemand, den Conceicao gut kennt: Francisco Trincao. Der Flügelstürmer von Sporting CP hat einen Vertrag bis 2026 und damit einen erschwinglichen Preis von etwa 20 bis 25 Millionen Euro, eine Summe, die Milan bereit wäre zu zahlen.
Im Gegensatz zu Rashford liegt das Gehalt von Trincao auch deutlich mehr im Rahmen (knapp über 2 Mio. € netto pro Jahr). Obwohl er nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit genießt wie Rashford, gilt Trincao mit 18 Torbeteiligungen in 29 Einsätzen in dieser Saison als eine mehr als adäquate Alternative.
Der zusätzliche Coup
Obwohl viel über die mögliche Ankunft von Pepe, seinem ehemaligen offensiven Mittelfeldspieler in Porto, gesprochen wurde, scheint es, dass Milan sich auf anderen Profilen bewegt, um den Platz hinter dem Mittelstürmer zu verstärken.
Der Name, der in den letzten Stunden wieder in Mode gekommen ist, ist Arda Guler, ein türkisches Talent, das sich bei seinem Wechsel im Januar 2023 für Real Madrid und nicht für Milan entschieden hat. Da er erst 19 Jahre alt ist, ist es wichtig, regelmäßig Spielzeit zu bekommen, und die bekommt er bei Los Blancos nicht.
Milan will das Dilemma von Madrid ausnutzen, und die Beziehungen zwischen den beiden Klubs sind ausgezeichnet. Berichten zufolge arbeiten die Verantwortlichen an einem zweijährigen Leihgeschäft, ähnlich wie es mit Brahim Diaz zwischen 2020 und 2023 gemacht wurde.
Die Verhandlungen sind noch nicht in vollem Gange, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch vor Ende Januar wichtige Neuigkeiten in diesem Sinne geben könnte. Problematisch könnte die Einfügung einer Klausel sein, die Gülers Verbleib dauerhaft macht, da man sein Talent sehr schätzt.
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— HERNANDEZIANO❤🖤☮ هيرنانديزيان+مالديني☮ (@GiancarloMazz18) January 10, 2025
Milan , ritorno di fiamma per Arda Guler .
Pronto un piano di prestito con il Real Madrid.
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Die Vertragsverlängerung von Theo
Einer der ersten Schritte, die direkt mit der Ankunft von Conceicao in Mailand zusammenhängen, betrifft die Verhandlungen über die Verlängerung von Theo Hernandez. Wie Calciomercato.com berichtet, haben die Rossoneri dem französischen Außenverteidiger ein neues Angebot unterbreitet, das nur noch einen Schritt von der Unterschrift entfernt ist.
Der neue Vertrag würde bis 2029 laufen und das Gehalt des ehemaligen Real-Spielers auf 6 bis 6,5 Mio. EUR netto pro Saison (einschließlich Prämien) anheben, womit er knapp hinter Rafael Leao (7 Mio. EUR/Jahr) läge.
Es ist eine Entscheidung, die natürlich nicht erst in den letzten Tagen nach dem Tor und dem Assist im Supercoppa-Finale gefallen ist, aber manchmal braucht es nur eine Erinnerung an das hohe Niveau, zu dem er fähig ist, um einen Ruck zu erzeugen.
Sowohl für Mike Maignan, der ebenfalls eine grundsätzliche Einigung erzielt hat, als auch für Theo bedeutet die Verlängerung keine Garantie für einen dauerhaften Verbleib. Die beiden Verlängerungen geben dem Diavolo jedoch alle Hebel in die Hand, bei einem Verkauf eine ordentliche Ablöse einzustreichen.
Die Suche nach Führungsfiguren
Der potenzielle Transfer von Kyle Walker (34) dürfte mit dem Transfer von Simon Kjaer unter Paolo Maldini zu vergleichen sein. Damals wie heute sucht man in Milans Kader vergeblich nach einer Achse von Führungsfiguren. Der mittlerweile 34-jährige Engländer könnte da eine erschwingliche Lösung sein, welcher das junge Kollektiv der Mailänder zu führen vermag.
Zudem passt das Spielerprofil von Emerson Royal nicht unbedingt zur Spielphilosophie von Neu-Trainer Conceicao, welcher meist auf offensiv starke Flügelverteidiger setzt. Der Brasilianer hat den Rossoneri zwar mehr Stabilität gegen den Ball gebracht, aber offensiv wirkt der ehemalige Spurs-Akteur limitiert.
Allerdings wird der Transfer von Rashford laut Transferguru Di Marzio von den Mailändern bevorzugt: „Wenn Rashford kommt, kann Walker nicht kommen. Wenn Rashford eine andere Wahl trifft, wird Milan sich für Walker entscheiden, der auf Milan wartet. Er will nur Milan.“
Fazit:
Wir können also konstatieren, dass das Mittelfeld und der Sturm Priorität besitzen, während die Rechtsverteidiger-Position die Erdbeere auf der Sahnetorte darstellt. Allerdings bleibt das Problem der fehlenden Fitness für die Spielphilosophie von Conceicao bestehen, was den Portugiesen dazu zwingen wird, seine erfolgreiche Spielidee aus Porto abändern zu müssen.