Bleibt eine Mannschaft hinter ihren eigenen Erwartungen zurück, ist die erste Reaktion oft die Entlassung des Trainers. Ein neuer Impuls von der Seitenlinie soll die erhoffte Wende einleiten. Doch ist es wirklich so einfach? Wie viel macht dieser Wechsel wirklich aus? Eine Analyse. (Bild: IMAGO / Kirchner-Media)
Ein Trainerwechsel während der Saison ist selten eine ideale Lösung, weder für den Verein noch für den neuen Coach. Der Kader wurde nicht nach seinen Vorstellungen zusammengestellt, die Vorbereitungszeit ist knapp, und meist steckt das Team bereits in einer Krise. Punkte müssen schnell her, um den sportlichen Absturz zu verhindern.
Um das zu beurteilen, haben wir alle Trainerentlassungen während der Saison in den fünf großen europäischen Ligen aus den letzten drei vollständigen Spielzeiten (2021/22, 2022/23, 2023/24) analysiert und daraus ein Fazit gezogen.
Die Bundesliga ist am geduldigsten
Im Vergleich der fünf großen Ligen erweist sich die Bundesliga als die Liga mit der größten Trainer-Standfestigkeit. In den vergangenen drei vollständigen Saison gab es 21 Trainerwechsel, im Schnitt sieben pro Saison.
Knapp dahinter folgen die französische Ligue 1 und die Premier League mit 26 bzw. 27 Wechseln im gleichen Zeitraum. In der 2023/24-Saison mussten in der englischen Beletage nur drei Trainer ihren Hut nehmen. Ungewöhnlich für das schnelllebige Geschäft der Premier League und auch nur eine Ausnahme. In der Saison zuvor gab es satte 14 Trainerwechsel.
In der Serie A mussten im gleichen Zeitraum 31 Trainer ihren Posten räumen, doch Spitzenreiter ist die spanische LaLiga mit 32 Wechseln. Ein besonderes Negativbeispiel: Der FC Elche setzte in der Saison 2022/23 gleich vier verschiedene Trainer auf die Bank.
Trainerwechsel während der Saison | 2021/22 | 2022/23 | 2023/24 |
Bundesliga | 5 | 9 | 7 |
Premier League | 10 | 14 | 3 |
Serie A | 10 | 8 | 13 |
La Liga | 11 | 11 | 10 |
Ligue 1 | 8 | 14 | 4 |
Wie effektiv ist ein Trainerwechsel?
Die erhoffte Wende unter dem neuen Trainer bleibt manchmal aus. Teils werden die Ergebnisse sogar schlechter. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Ligen. Während die Bundesliga oft gezielt den Trainer wechselt und Nachfolger sorgfältig auswählt, scheint die Premier League erratischer zu handeln. Der Punkteschnitt der Bundesligavereine steigt nach einem Trainerwechsel von 0,84 auf 1,27, während die Clubs auf der Insel den Punkteschnitt nur von 0,96 auf 1,13 verbessern.
In den vergangenen Jahren sind vor allem die Trainerwechsel bei Mainz (Jan Siewert zu Bo Henriksen), Leverkusen (Gerardo Seoane zu Xabi Alonso), Bochum (Thomas Reis zu Thomas Letsch), Leipzig (Domenico Tedesco zu Marco Rose) und Stuttgart (Bruno Labbadia zu Sebastian Hoeneß) besonders positiv hervorzuheben. Alle steigerten den Punkteschnitt um mindestens einen Punkt pro Spiel und verbesserten so die Situation ihrer Vereine drastisch.
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— 1. FSV Mainz 05 (@1FSVMainz05) February 13, 2025
Negativbeispiele gibt es in der Bundesliga kaum. Man muss bis in die Saison 2021/22 zurückschauen, um einen Trainerwechsel zu finden, der den Punkteschnitt noch weiter verschlechtert. Wolfsburgs Entscheidung Mark van Bommel zugunsten von Florian Kohfeldt zu entlassen war so einer. Mit einem Punkteschnitt von 1,16 (0,28 Punkte pro Spiel weniger als unter van Bommel) fielen die Wölfe drei Plätze in der Tabelle zurück. Auch Hertha musste drei Plätze einbüßen, als sie Pal Dardai durch Tayfun Korkut ersetzten. Korkut unterbot den Punkteschnitt des Ungarn um 0,39 Punkte pro Spiel. Felix Magath musste zum Saisonende übernehmen, um den Hauptstadtklub letztlich in der Relegation zu retten.
Bundesliga | Alter Trainer | Punkteschnitt | Neuer Trainer | Punkteschnitt | Differenz |
Mainz | Jan Siewert | 0,75 | Bo Henriksen | 1,77 | 1,02 |
Leverkusen | Gerardo Seoane | 0,63 | Xabi Alonso | 1,73 | 1,1 |
VfL Bochum | Thomas Reis | 0 | Thomas Letsch | 1,26 | 1,26 |
RB Leipzig | Domenico Tedesco | 1 | Marco Rose | 2,1 | 1,1 |
Stuttgart | Bruno Labbadia | 0,55 | Sebastian Hoeneß | 1,63 | 1,08 |
--- | --- | --- | --- | --- | --- |
Wolfsburg | Mark Van Bommel | 1,44 | Florian Kohfeldt | 1,16 | -0,28 |
Hertha | Pal Dardai | 1,08 | Tayfun Korkut | 0,69 | -0,39 |
Das Negativeispiel Premier League
In der Saison 2022/23 wurden in England 14 Trainer entlassen, fast die Hälfte von ihnen wurde minderwertig ersetzt. Das beste Beispiel ist der FC Chelsea: Thomas Tuchel wurde zu Saisonbeginn gefeuert, ehe Graham Potter übernahm. Unter dem Engländer sammelte das Team 0,4 Punkte weniger pro Spiel und rutschte fünf Plätze in der Tabelle ab. Als Potter durch Frank Lampard ersetzt wurde, fielen die Blues weiter zurück. Lampard unterbot den bereits enttäuschenden Punkteschnitt von Potter um weitere 0,71 Punkte pro Spiel.
Auch die Entlassungen von Ralph Hasenhüttl (Southampton), Antonio Conte (Tottenham) und Javi Gracia (Leeds) erwiesen sich als Fehlentscheidungen.
Die positiven Beispiele kommen vor allem aus der vergangenen Saison. Sowohl Nuno Espirito Santo (Nachfolger von Steve Cooper bei Nottingham Forest) als auch Oliver Glasner (Nachfolger von Roy Hodgson bei Crystal Palace) steigerten den Punkteschnitt ihrer Teams erheblich. In den vergangenen Jahren stachen zudem Unai Emery und Eddie Howe hervor, die Aston Villa und Newcastle United zu Spitzenmannschaften formten.
Premier League | Alter Trainer | Punkteschnitt | Neuer Trainer | Punkteschnitt | Differenz |
Crystal Palace | Roy Hodgson | 1 | Oliver Glasner | 1,85 | 0,85 |
Aston Villa | Steven Gerrard | 0,82 | Unai Emery | 1,96 | 1,14 |
Newcastle | Steve Bruce | 0,38 | Eddie Howe | 1,63 | 1,25 |
--- | --- | --- | --- | --- | --- |
Southampton | Ralph Hasenhüttl | 0,86 | Nathan Jones | 0,38 | -0,48 |
Tottenham | Antonio Conte | 1,75 | Ryan Mason | 1,1 | -0,65 |
Chelsea | Thomas Tuchel | 1,67 | Graham Potter | 1,27 | -0,4 |
Chelsea | Graham Potter | 1,27 | Frank Lampard | 0,56 | -0,71 |
Leeds | Javi Gracia | 1 | Sam Allardyce | 0,25 | -0,75 |
Wie sieht's in den anderen Top-5-Ligen aus?
Die italienische, spanische und französische Topliga zeigen einen ähnlichen Effekt nach einem Trainerwechsel. Die Serie A und La Liga verbessern ihren Punkteschnitt um 0,34, die Ligue 1 um 0,31 Punkte pro Spiel.
In der Serie A fallen zwei Namen in den vergangenen Jahren positiv auf: Thiago Motta und Raffaele Palladino. Beide übernahmen in Saison 2022/23 die abstiegsbedrohten Klubs aus Bologna und Monza und führten sie ins gesicherte Mittelfeld. Unter Motta qualifizierte sich Bologna in der folgenden Saison sogar für die Champions League, ehe er sich der alten Dame aus Turin anschloss. Palladino hielt Monza auch im Folgejahr von den Abstiegsplätzen fern und wurde schließlich von der AC Florenz angeworben, um Vincenzo Italiano zu ersetzen, der bei Bologna anheuerte. Monza ist seit seinem Abgang Tabellenletzter in der Serie A.
Thiago Motta led Bologna to ninth last season, despite the team being winless after five Serie A games when he was appointed.
— Coaches' Voice (@CoachesVoice) May 12, 2024
This season, he's achieved Champions League qualification for the first since time since the 1964/65 European Cup. 🔵🔴#BolognaFC pic.twitter.com/4AtmBXfU7S
Das Fazit
Ein Trainerwechsel während der Saison kann sich lohnen, wenn er gut durchdacht ist. Xabi Alonso bei Bayer Leverkusen ist das beste Beispiel dafür. Allerdings birgt ein Wechsel auch Risiken und kann die Lage sogar noch weiter verschlimmern.
Im Ligavergleich zieht die Bundesliga am seltensten die Reißleine, während die Serie A und LaLiga am häufigsten Trainer entlassen. Interessanterweise feuert die Serie A ihre Trainer erst mit dem geringsten Punkteschnitt (0,64), scheint aber oft die falschen Nachfolger zu wählen. Die Premier League entlässt Trainer bereits bei durchschnittlichen 0,96 Punkten pro Spiel, gefolgt von der Ligue 1 mit 0,94. Die Bundesliga (0,84) und LaLiga (0,8) liegen dazwischen.
Punkteschnitt | Alter Trainer | Neuer Trainer | Differenz |
Bundesliga | 0,84 | 1,27 | 0,43 |
Premier League | 0,96 | 1,13 | 0,17 |
Serie A | 0,68 | 1,02 | 0,34 |
La Liga | 0,8 | 1,14 | 0,34 |
Ligue 1 | 0,94 | 1,25 | 0,31 |