Es ist die Underdog-Story dieser Premier-League-Saison: Nottingham Forest steht nach der Hinrunde auf einem Champions-League-Platz, punktgleich mit dem FC Arsenal und vier Punkte vor Chelsea. Das Team von Nuno Espírito Santo hat die letzten sechs Spiele allesamt gewonnen und stellt mit nur 19 Gegentoren die zweitbeste Defensive der Liga. Harte Arbeit, Fleiß und effektiver Konterfußball prägen den Erfolg. Der City Ground in Nottingham bebt, und die Fans träumen von Nächten in der Königsklasse gegen Real Madrid, Bayern München und Co. (Bild: IMAGO / Focus Images)
Dabei entkamen die Tricky Trees in der vergangenen Saison nur knapp dem Gang in die zweite Liga. Die Punkteausbeute der vorherigen Spielzeit in Höhe von 32 Zählern haben sie in dieser Saison nach 20 Spielen bereits übertroffen. Nach nur drei Siegen aus den letzten 14 Spielen und uninspiriertem Fußball unter Nuno Espírito Santo hielt sich der Enthusiasmus unter den Anhängern vor der Saison in Grenzen. Der Portugiese hatte Forest Ende Dezember 2023 auf dem 19. Platz übernommen und von den Abstiegsrängen geführt, doch vollends überzeugt waren nur wenige vom 50-Jährigen. Es schien auf eine weitere Saison im Abstiegskampf hinauszulaufen.
Punktuelle Verstärkungen auf dem Transfermarkt
Vielen ist sicherlich noch das Sommertransferfenster 2022 im Gedächtnis geblieben, als Nottingham Forest als Aufsteiger in die Premier League sage und schreibe 23 (!) neue Spieler verpflichtete – für Ablösesummen, die sich insgesamt auf 165 Millionen Euro beliefen. Aufgrund der vielen ablösefreien Neuzugänge, wie zum Beispiel Jesse Lingard, stiegen auch die Gehaltsausgaben um ein Vielfaches, sodass man sich im Tabellenmittelfeld der Liga bei den Spielergehältern einreihte. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass von der damaligen Aufstiegsmannschaft nur eine Handvoll Spieler übrig blieb, da der Großteil entweder ausgeliehen war oder bereits Transfervereinbarungen getroffen hatte. Es mussten viele Spieler verpflichtet werden, dennoch wirkte die Anzahl etwas exzessiv. Von den 23 Neuzugängen sind 2,5 Jahre später nur noch Morgan Gibbs-White, Taiwo Awoniyi, Neco Williams und Willy Boly Teil des Kaders.
Auch in den darauffolgenden Transferperioden investierte man weiter in die Mannschaft. Dies gipfelte darin, dass man in der vergangenen Saison endlich gegen die Financial-Fair-Play-Regeln verstieß und deshalb vier Punkte abgezogen bekam. Da die drei Absteiger jedoch so schwach waren, hatte dies keine Auswirkungen auf die Tabellensituation. Durch kluge Neuverpflichtungen brachte man sich in eine gute Ausgangslage: Der Kader war voller junger, talentierter Spieler, die eine Plattform bildeten, auf der man aufbauen konnte. Spieler wie Gibbs-White, Hudson-Odoi, Elanga, Murillo und Danilo zeigten bereits in der letzten Saison, wie viel Qualität in ihnen steckt. Außerdem befinden sie sich alle noch in ihren frühen Zwanzigern und verfügen somit über reichlich Entwicklungspotenzial.
🚨 Nottingham Forest have spent a total of €326 million on transfers since July 2022. pic.twitter.com/owtYqzW5W0
— World of Football (@Infogenuino) February 2, 2024
Im vergangenen Sommer konnte man sich also auf wenige Positionen fokussieren. Durch die Verpflichtung von Mats Sels im Januar 2024 hat man das Torwartproblem, das die Tricky Trees seit dem Aufstieg in die Premier League verfolgt, lösen können. Dennoch sah man in der Verteidigung weiterhin Verbesserungspotenzial und sicherte sich die Deals für drei Innenverteidiger: Nikola Milenkovic, Morato und David Carmo wechselten für insgesamt 34 Millionen Euro an den City Ground. Letzterer wurde direkt an den Schwesterklub Olympiacos verliehen, während die anderen beiden wichtige Rollen im Team von Nuno Espírito Santo einnehmen.
Die Flügelpositionen waren ebenfalls schwächer besetzt, weshalb man mit Jota Silva und Ramon Sosa zwei entwicklungsfähige, quirlige Dribbler verpflichtete, die mit ihrem Tempo bislang wertvolle Optionen von der Bank sind. Mit James Ward-Prowse und Alex Moreno lieh man zudem zwei Premier-League-erfahrene Spieler aus, die sowohl in der Breite als auch in der Spitze für Verstärkung sorgen sollten.
Der mit Abstand teuerste Transfer war jedoch Elliott Anderson von Newcastle. Der 21-jährige Schotte kostete Nottingham Forest knapp über 40 Millionen Euro, nachdem er bereits zwei Saisons in der höchsten englischen Spielklasse absolviert hatte. Der zentrale Mittelfeldspieler weiß bisher mit fünf Vorlagen zu überzeugen.
This is a Nikola Milenković appreciation post.
— Forest Review (@Forest_Review) December 11, 2024
What a signing he’s been 🌳 #NFFC pic.twitter.com/ASkHrF06bJ
Die zweitbeste Defensive der Liga
Der Hauptgrund für den Formaufschwung von Nottingham Forest ist die verbesserte Defensivleistung. In der vergangenen Saison kassierten nur die drei Absteiger und West Ham United mehr Gegentore, was die diesjährige Bilanz umso beeindruckender macht. Der erste Schritt in Richtung Defensivbollwerk war die Verpflichtung von Mats Sels von Straßburg. Der 32-jährige Belgier gehört in dieser Spielzeit zu den besten Torhütern der Liga und beweist sich mit wichtigen Paraden als Rückhalt für die Mannschaft. Mit bereits neun Spielen ohne Gegentor ist er zudem der Favorit auf den "Golden Glove", die Trophäe für die meisten Partien ohne Gegentor.
Sein Verdienst allein ist es jedoch nicht, denn vor ihm hat sich in dieser Saison ein undurchdringbares Innenverteidiger-Duo gebildet. Neuzugang Nikola Milenkovic ergänzt den jungen Brasilianer Murillo, der im vergangenen Jahr von den Anhängern zum vereinsinternen Spieler der Saison gekürt wurde. Milenkovic, der von der AC Florenz verpflichtet wurde, überzeugt durch seine Sicherheit, Physis und Zweikampfstärke, während Murillo auch am Ball heraussticht. Der Brasilianer ist nicht nur physisch stark, sondern weiß sich dank seiner Vergangenheit im Futsal auch in engen Räumen in typischer brasilianischer Manier durchzusetzen.
Die Außenverteidiger Ola Aina und Neco Williams sind jeweils sehr komplette Spieler. Beide können sowohl auf der linken als auch der rechten Seite agieren und sind dementsprechend komfortabel mit ihrem schwachen Fuß. Sie geben ihrem Trainer durch ihre technische Qualität die Möglichkeit, sie ins Mittelfeld ziehen zu lassen, bieten jedoch auch durch ihre Dynamik die Option, die Linie hoch und runter zu laufen und von dort das Spiel zu beeinflussen.
Nunos Spielphilosophie
Für den Portugiesen heißt es in dieser Saison: "Back to the basics." Das Ziel ist es, defensiv kompakt zu stehen, wenig zuzulassen und bei Ballgewinn schnell umzuschalten, um den Raum hinter der Abwehr mit den schnellen Anthony Elanga und Callum Hudson-Odoi auszunutzen. Forest überlässt dabei gerne dem Gegner den Ball – keine andere Mannschaft in der Liga hat in dieser Saison einen geringeren durchschnittlichen Ballbesitzwert (39,5 %). Die Tricky Trees führten sowohl im offensiven als auch im mittleren Drittel die wenigsten Zweikämpfe aller Premier-League-Teams. Dafür verteidigen sie ihr eigenes Drittel umso intensiver, denn nur die Wolves gingen dort häufiger in Zweikämpfe.
Forest versucht vor allem, das Zentrum zu schließen, und lässt sich nur selten vom Gegner locken. Die Viererkette steht dabei sehr eng, und auch die Flügelspieler rücken weit nach hinten. Die drei Mittelfeldspieler arbeiten hart daran, den Gegner anzulaufen und in die Zweikämpfe zu gehen. Oft bleibt einzig Chris Wood als Stürmer vorne.
Bei Ballgewinn geht es dann ganz schnell. Die schnellen Flügelspieler spekulieren auf die Kontersituation und starten sofort in den freien Raum, während Chris Wood die Aufgabe hat, sich anzubieten und den Ball festzumachen. Häufig sucht man jedoch mit dem ersten Pass nach Ballgewinn Morgan Gibbs-White. Der 24-Jährige ist einer der besten progressiven Dribbler der Liga und hat den Auftrag, seine Mannschaft in die gegnerische Hälfte zu bringen, ehe er den Pass auf einen der Außenspieler spielt. Diese schließen entweder selbst ab oder suchen den Pass in die Mitte.
Das Tor gegen Tottenham Hotspur war das perfekte Beispiel dafür, was Nuno Espírito Santo von seiner Mannschaft erwartet.
Just watch Anthony Elanga's run for his goal vs Tottenham. Well deserved! 😳⚡️ pic.twitter.com/jHNmbLJSLG
— EuroFoot (@eurofootcom) December 26, 2024
Eine junge Offensive
Neben der bereits erwähnten Defensive sorgen vor allem drei Offensivspieler Forests für Furore: Morgan Gibbs-White, Anthony Elanga und Callum Hudson-Odoi. Gibbs-White wechselte im Sommer 2022 für knapp 40 Millionen Euro in die Midlands und war von Beginn an ein Schlüsselspieler für die Tricky Trees. In dieser Saison scheint er jedoch noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Neben seiner technischen Qualität arbeitet er enorm hart für die Mannschaft und scheut sich nicht, in Zweikämpfe zu gehen. Sein Einsatz wurde von Nuno Espírito Santo bereits mit der Kapitänsbinde belohnt, wenn der eigentliche Kapitän Ryan Yates nicht auf dem Platz steht. Auch England-Interimstrainer Lee Carsley erkannte die Qualitäten des Spielmachers und belohnte ihn mit seinem Englanddebüt – unter Thomas Tuchel dürften weitere Einsätze folgen.
Die beiden Flügelspieler wechselten nach enttäuschenden Jahren bei den Spitzenklubs Manchester United und Chelsea nach Nottingham, um in der Premier League endlich Fuß zu fassen – mit Erfolg. Gemeinsam waren sie bereits an elf Saisontoren beteiligt, wobei insbesondere Hudson-Odoi mit konstant starken Leistungen herausragt. Der mittlerweile 24-Jährige besticht durch sein Tempo, sein überragendes Dribbling und seine Effektivität im letzten Drittel – Attribute, die er zu Beginn seiner Karriere nur selten konstant auf den Rasen brachte. Anthony Elanga kämpfte zu Saisonbeginn mit Formschwankungen und verlor zeitweise seinen Stammplatz auf dem rechten Flügel. Doch diese Phase wirkte wie ein Weckruf für den Schweden, der seitdem in fünf Spielen in Folge entweder selbst traf oder vorlegte. Zusammen bilden die beiden ein kongeniales Duo, das insbesondere in Umschaltsituationen jeder Premier-League-Mannschaft das Fürchten lehrt.
Morgan at Molineux. 👉😌👈 pic.twitter.com/n64vLRPvvz
— Nottingham Forest (@NFFC) January 7, 2025
Chris Wood erlebt seinen zweiten Frühling
Der 33-Jährige war bereits abgeschrieben – sowohl im St. James’ Park während seiner Zeit bei Newcastle als auch bei Nottingham Forest. Zwischenzeitlich erzielte er in 2,5 Jahren lediglich neun Tore und wurde meist nur eingewechselt, um Taiwo Awoniyi zu ersetzen. Doch seit Nuno Espírito Santo das Traineramt am City Ground übernommen hat, findet der Neuseeländer zu alter Stärke zurück. In der Rückrunde der vergangenen Saison erzielte er sieben Tore und trug maßgeblich dazu bei, dass Forest letztendlich die Klasse hielt. Auch in dieser Spielzeit knüpft er nahtlos an diese Leistungen an. In 20 Partien durfte Chris Wood bereits zwölfmal jubeln und belegt damit Rang sechs in der Torschützenliste. Darunter waren immer wieder entscheidende Treffer, die Spiele zugunsten seiner Mannschaft entschieden.
Doch Wood überzeugt nicht nur mit Toren: Er arbeitet unermüdlich für das Team und schafft es im Ballbesitz immer wieder, seine Mitspieler in Szene zu setzen. Ein echter Teamplayer.
Was ist diese Saison für Nottingham Forest möglich?
Die Tricky Trees stehen nach 20 Spieltagen auf dem dritten Tabellenplatz mit 40 Punkten auf dem Konto. In den vergangenen zehn Jahren hatten insgesamt 31 Mannschaften zu diesem Zeitpunkt der Saison gleich viele oder mehr Punkte auf dem Konto, wovon sich lediglich zwei nicht für die Champions League qualifizierten. Ein gutes Omen für Nottingham Forest. Allerdings möchte davon noch niemand wissen. Die Stadt träumt aber der Verein möchte realistisch bleiben. Es sind noch 18 Spiele zu spielen aber wenn die guten Leistungen bestehen bleiben, darf man nichts ausschließen.