Schon nach dem 3. Spieltag musste mit Gerardo Seoane bereits der zweite Bundesligatrainer seinen Hut nehmen. Die Entlassung des bis dato drittdienstältesten Trainer der Bundesliga wurde nach saisonübergreifend 10 Spielen ohne Sieg, dem eine desaströse 0 : 4 Klatsche gegen Werder Bremen folgte, bekannt gegeben. (Bild: IMAGO / Eibner)
Glaube an Seoane am Ende
Es hatte sich schon eine Nacht zuvor angekündigt, als Geschäftsführer Sport Roland Virkus nach der krachenden Niederlage gegen Werder Bremen zum Thema Seoane befragt wurde. Aussagen wie "er müsse eine Nacht darüber schlafen" sagten schon eine Menge aus, am nächsten Morgen wurde dann auch wie erwartet die Entlassung von Seoane bekannt gegeben.
Stattdessen wird nun der ehemalige U-23-Trainer Eugen Polanski die Mannschaft fürs Erste interimsweise übernehmen. Ein Trainer, der nun in seinem ersten Spiel gegen Leverkusen zumindest schonmal überraschend ein 1:1-Unentschieden herausholte. Doch ist der Weg mit Polanski der langfristige Weg in die Zukunft für die Elf vom NIederrhein?
Eugen Polanski schafft bei seiner Premiere als Gladbach-Trainer einen späten Punktgewinn in Leverkusen. Malik Tillmans Führungstreffer reicht der Werkself nicht. #B04BMG pic.twitter.com/M79XahzIV6
— Transfermarkt (@Transfermarkt) September 21, 2025
Roland Virkus mit Schuld an der Krise?
Zunächst muss man bei dieser Trainerentlassung natürlich auch den Vorstand rund um Roland Virkus hinterfragen. Denn so oder so ist eine solche Entlassung so früh in der Saison für eine Mannschaft immer der Worst Case, insbesondere dann, wenn es schon am Ende der vorherigen Saison genug gute Gründe für eine Trennung gibt. Denn zu einem solchen Zeitpunkt einen Trainer zu wechseln bedeutet im Umkehrschluss, dass die gesamte Sommervorbereitung auf gut deutsch gesagt für die Katz war, von den Transferbewegungen, die normalerweise für einen bestimmten Spielstil getätigt werden sollten, ganz zu schweigen.
Und im Fall Seoane reden wir nicht von einem Versehen, wie bei der Entlassung von Erik ten Hag ein Spieltag zuvor, wo man wie im Falle Bayer Leverkusen kurz daneben lang. Im Fall Seoane gab es eigentlich bereits in der Saison 2023/24 genug Gründe für eine Entlassung, als die Borussia eine ihrer schlechtesten Rückrunden in der Vereinsgeschichte spielte und in der Rückrundentabelle sogar auf einem direkten Abstiegsplatz stand. Dennoch wurde an Seoane festgehalten, mit der Begründung, man wolle hier etwas langfristiges aufbauen.
✒️ Borussia hat den Vertrag mit Roland Virkus verlängert.
— Borussia (@borussia) January 31, 2025
Präsident Rainer Bonhof: „Roland hat den sportlichen Bereich in einer schwierigen Phase übernommen und neu ausgerichtet. Mit der Entwicklung in dieser Saison sind wir sehr zufrieden." Alle Infos👇https://t.co/5IXe1jZnJm pic.twitter.com/6qiz5cUCcx
In der Saison 2024/25 spielten die Gladbacher dann eine weitaus bessere Rückrunde, standen hier sogar kurzzeitig auf Platz 5 und kurz vor einem Champions-League-Platz. Das aber nur, um dann am Ende aber doch wieder einzubrechen und alle europäischen Ziele zu verfehlen. Doch aus nach dieser Saison wurde nicht gehandelt, obwohl die Stimmung unter den Fans unruhiger denn je war.
Diese Inkonstanz, verbunden mit fehlender Mentalität, ist auch das, was die Fans der Mannschaft unter Seoane vor allem vorwarfen. In weiten Strecken fehlte der Mannschaft schlicht und einfach die Abgezocktheit über eine Saison zuverlässig zu verteidigen, wie auch Spiele, wo man früh führte, dann auch am Ende zu ziehen. Hinzu kamen alarmierende Lücken in der Abwehr, wie auch nach der Verletzung von Tim Kleindienst auch noch eine erschreckende Harmlosigkeit vor dem Tor. 5 Spiele ohne ein einziges Tor sprechen hier eine deutliche Sprache.
Die Frage, die man Roland Virkus also definitiv ankreiden muss, ist ob es viele dieser Probleme nicht schon vor der Saison gab. Spiele wie die äußerst torreiche 3:4-Niederlage gegen den zu dem Zeitpunkt schon feststehenden Absteiger Holstein Kiel (mit der man jegliche Chancen auf Europa schließlich endgültig vergeigte) hätten für die Verantwortlichen eigentlich ein warnendes Vorzeichen müssen, dass trotz kurzzeitigen guten Phase hier irgendetwas im Kern, insbesondere in der Defensive, nicht stimmte.
Verwalten statt gestalten
Unter diesem Motto könnte man den Niedergang von Borussia Mönchengladbach am besten beschreiben. Schon vor Seoane zeigte das Management rund um Roland Virkus häufig, dass man eigentlich gar keine wirkliche Vision hatte, welchen Fußball man überhaupt spielen wollte. Während unter Seoanes Vorgänger Daniel Farke versucht wurde, Ballbesitzfußball zu spielen, sollte mit Adi Hütter wiederum Pressing-Stil der RB-Schule ausprobiert werden, ergo mit fast dem gleichen Kader eigentlich genau das Gegenteil.
Auch das Umfeld wurde bei der Trainerwahl größtenteils komplett ignoriert. Hier fielen von Leuten wie Roland Virkus u.a. Sätze wie:
Natürlich wollen wir auf lange Sicht wieder einen einstelligen Tabellenplatz erreichen. Doch zunächst einmal steht die Entwicklung der Mannschaft im Vordergrund. Wir haben keine Eile.
Sätze, die eine neue Gladbacher Bescheidenheit suggerieren sollten, aber komplett an den Wünschen der Fans vorbei gingen. Altbacken, bürokratisch und visionslos - dies waren u.a. Attribute, mit denen Fans ihren Unmut bekundeten, Fans, die in den Fohlen immer noch zu Recht einen der größten Vereine Deutschlands sehen, der eigentlich ganz andere sportliche Ziele anstreben sollte.
Zu dieser Ambitionslosigkeit gehörte dann auch das lange Festhalten an Seoane. 71 Bundesligaspiele, 20 Siege, 20 Unentschieden und 41 Niederlagen, das ist ein Punkteschnitt von 1,16. Nur Michael Frontzek schaffte es in der jüngeren Vergangenheit diesen miserablen Punkteschnitt noch einmal zu unterbieten, wohlgemerkt im Jahr 2009.
Strahlende Champions-League-Nächte hingegen, wie z.B. das furiose 6 : 0 gegen Schachtar Donezk im Jahr 2020, schienen dabei hinzu immer mehr und mehr der Vergangenheit anzugehören, während weder aus dem Vorstand noch von Seiten der Mannschaft irgendetwas darauf hindeutete, dass man vielleicht auch irgendwann mal wieder an diese alten Erfolge anknüpfen wolle.
Stattdessen machte sich mehr und mehr eine innere Müdigkeit bemerkbar, die teilweise schon erschreckend an die Bundesliga-Jahre von Schalke 04 nach der Vizemeisterschaft unter Domenico Tedesco erinnerte. Und wo diese Reise dann am Ende hinging, sollte ja bekannt sein.
Wer wäre der richtige Nachfolger für Seoane?
Wie aber jetzt weitermachen, um irgendwie wieder in die Erfolgsspur zu kommen?
Grundsätzlich brauch der Verein zuallerst dringend frischen Wind, kompetente Leute von außen, die neue Ideen in den Verein bringen und es schaffen das Vakuum zu füllen, was spätestens seit dem Abgang von Max Eberl alles überdeckt.
Der langfristige Plan muss überprüft werden, das Scouting verbessert werden und der Kader muss deutlich homogener werden, sonst nützt auch der beste Trainer nichts. Dennoch muss es kurzfristig (bei einem aktuellen Tabellenplatz 17) natürlich erst einmal darum gehen, schleunigst dem Abstiegskampf zu entkommen, der nochmal weit alarmierender und akuter werden könnte, wenn z.B. andere Abstiegskandidaten wie der FC St. Pauli oder der 1. FC Köln sich weiterhin nicht ans Drehbuch halten.
Auch müssen die Neuzugänge im Sturm wie Shuto Machino oder Haris Tabakovic weitaus besser integrieren werden, junge Defensivtalente wie Fabio Chiarodia oder Eigengewächs Lukas Ullrich viel besser gefördert werden und eine neue Hierarchie im Mittelfeld gebildet werden. Insbesondere aus hochtalentierten Mittelfeldspielern wie Kevin Stöger, der beim VFL Bochum einst noch unter den Top 5 europaweit für die besten torschusserzeugenden Aktionen war, schaffte man unter Seoane zum Beispiel überhaupt keinen wirklichen Mehrwert herauszuziehen.
Doch welcher Trainer wäre denn von seiner Ansprache und seinem Spielstil am Geeignetsten für die Fohlen?
1. Urs Fischer (ehem. Union Berlin)
Urs Fischer wäre sicherlich der perfekte Trainer, um wieder Ruhe in den Verein zu bringen und die Defensive zu stabilisieren. Als Union-Berlin-Trainer schaffte er es nicht nur aus einem Zweitliga-Mittelfeldclub einen kurzzeitigen Champions-League-Club zu machen, er schaffte es hinzu noch, ein System zu implementieren, bei der jeder Spieler immer genau wusste, wo er zu stehen hat und welche Laufwege er gehen muss.
Allerdings hatte er als Union-Trainer auch immer wie kaum ein anderer Bundesliga-Trainer großes Mitspracherecht in Sachen Transfers. Selbst hochtalentierte Jugendspieler, wie der immer mehr aufblühende Hoffenheim-Stürmer Fisnik Asllani bekamen zum Beispiel einst keinen Profivertrag, weil Urs Fischer für einen Spielertypen wie ihn keine Verwendung hatte und auch ansonsten wurde mit akribischer Genauigkeit darauf geachtet, Spieler zu scouten, die genau dieser extrem defensiven DNA von Fischer entsprachen.
Diese Scouting-Phase würde nun komplett wegfallen, da das Transferfenster schon geschlossen ist und der Trainerwechsel zu spät kam. Des Weiteren wäre da die Frage, ob man in einem Stadion wie dem Borussia Park wirklich diesen Fischer-typischen Defensivfußball spielen könnte, ohne dass die Fans auf die Barrikaden gehen würden.
Denn klar ist, dass ein Trainer wie Urs Fischer, der aufgrund seiner einmaligen Erfolge mit den Eisernen zu Recht vom Kicker zum Trainer des Jahres gekürt wurde, nicht auf einmal Pep-Guardiola-artigen Ballbesitzfußball spielen würde.
Vor dem Spiel gegen Mainz erhielt Cheftrainer Urs Fischer gestern vom @kicker die goldene Trophäe als Trainer des Jahres. 🏆❤️ pic.twitter.com/MeKtHiC5n3
— 1. FC Union Berlin (@fcunion) August 21, 2023
2. Martin Demichelis (ehem. Monterrey/Mexiko)
Weitaus spannender sind da schon die Gerüchte um den Argentinier Martin Demichelis. Die ehemalige Bayern-München-Legende (von 2003 bis 2010 im Verein) coachte zuletzt in Deutschland die 2. Mannschaft der Bayern bis es ihn über Buenos Aires (River Plate) schließlich nach Monterrey verschlug.
Der ehemalige Innenverteidiger und defensive Mittelfeldspieler, der auch im WM-Finale 2014 gegen Deutschland auf dem Platz stand, steht vor allem für eines: Unberechenbaren Angriffsfußball, gerne auch mal mit Verlagerungen auf eine Seite und großer Ausrichtung auf schnelle Flügelspieler. Hier könnte durchaus ein potenzielles Match mit den Fohlen vorhanden sein, da man mit Spielern wie Frank Honorat oder Robin Hack nicht nur flankengefährliche Flügelspieler hat, sondern eben auch robuste Stürmer wie Tim Kleindienst, die diese Flanken auffangen könnten.
Die Frage ist, ob man im Niederrhein den Mut für ein so gewagtes Experiment hätte oder hier nicht (aus aus Angst um den eigenen Job) eine sicherere Variante wählt. Andererseits - Leverkusen hat vor ein paar Jahren vorgemacht, dass es auch anders geht: Mit dem spanischen Ex-Mittelfeld-Nationalspieler Xabi Alonso, der sie schließlich zum Double führte und zuvor übrigens auch schon bei Borussia Mönchengladbach im Gespräch war.
3. Raul (ehem. Real Madrid Castilla)
Eine sicherlich auch spannende Trainerverpflichtung wäre sicher auch die von Raul, wobei hier der Name natürlich nochmal weitaus mehr Glanz hätte: als der von Vize-Weltmeister Demichelis: Glanz, die den Fohlen nach den eher trockenen und tristen Seoane-Jahren aber möglicherweise auch mal wieder ganz gut stehen würde.
Bereits zuvor waren schon Vereine wie Schalke 04 und Bayer Leverkusen am früheren Real-Madrid-Weltstar interessiert, letztendlich scheiterte es, zumindest im Fall Schalke 04, vor allem daran, dass Raul selbst noch abwarten wollte bis er sich für den für ihn nächsten Schritt als Trainer entscheiden wollte.
Laut den neusten Infos von Sport1 wurden die Gerüchte um Raul und Borussia Mönchengladbach nun aber auch bereits von Seiten seines Beraters dementiert. Somit wird die Verpflichtung eines der vielleicht torgefährlichsten Ex-Stürmers aller Zeiten wohl doch nur ein Traum bleiben.
4. Edin Terzic (ehem. Borussia Dortmund)
Oder man revanchiert sich am Niederrhein noch einmal an der anderen Borussia dafür, dass diese den Gladbachern einst ihren Erfolgstrainer Marco Rose weggeschnappt haben und holt sich mit Edin Terzic nun stattdessen einen echten Dortmunder. Hierfür gäbe es zumindest einige positive Argumente. Erstens: Terzics Spielstil ist und war immer komplett pragmatisch, so wie er selbst auch gern sagte:
Mein Ziel ist es nicht in erster Linie schönen Fußball zu spielen, sondern Spiele zu gewinnen.
Dieser Pragmatismus könnte den Gladbachern zumindest erstmal dabei helfen aus der schlimmsten Krise herauszukommen. Hinzu hat Terzic bereits einmal bewiesen, dass er ohne Probleme auch einen Verein inmitten der Saison übernehmen kann. Als er z.B. die Dortmunder für den damals entlassenen Lucien Favre führte er die Dortmunder am Ende sogar bis ins DFB-Pokal-Finale, wo man den Pokal am Ende dann sogar sensationell gewann.
Sein offenes und herzliches Auftreten könnte zudem sehr dabei helfen, die Verbindung zu den Fans wieder herzustellen und grundsätzlich erstmal wieder für eine positive Stimmung zu sorgen. Ob Terzic, der mittlerweile auch als TV-Experte arbeitet, aber wirklich schon wieder bereit ist für eine Bundesliga-Station, steht derzeit noch in den Sternen. Des Weiteren haben ihn auch mittlerweile andere Vereine wie Manchester United auf der Shortlist, die zwar in der Premier-League ähnliche Krisenkinder sind wie die Gladbacher, aber vom Namen und Gehalt sicherlich nochmal eine Stufe drüber stehen.
📄Ex-#BVB-Trainer Edin #Terzic soll bei #ManchesterUnited auf der Shortlist stehen. Wie der 41-Jährige über seine Zukunft denkt und was er in #Dortmund gelernt hat.https://t.co/Lkzl4o1TxI
— Ruhr Nachrichten BVB (@RNBVB) October 14, 2024
5. Weitermachen mit Eugen Polanski?
Am Wahrscheinlichsten wird es daher sein, dass man zunächst erstmal mit dem aktuellen Interimstrainer und Ex-Jugendtrainer Eugen Polanski weitermacht.
Eine Lösung, die sich bei anderen Vereinen in der Vergangenheit auch schon gut bewährt hat, man denke an Merlin Polzin, der den HSV nach der Entlassung von Steffen Baumgart ebenfalls als Jugendtrainer und (zunächst) Interimstrainer übernommen hat und den Verein am Ende zum langersehnten Aufstieg geführt hat.
Mit Polanski hätte man zunächst einmal einen Trainer, der "lauteren" Sorte, jemand der an der Seitenlinie auffällig agiert und die Mannschaft anheizt - ein Trainer, der vom Charakter her ganz klar weit aus mehr ein Bo-Henriksen-Typ als ein Gerardo-Seoane-Typ ist.
Auch ist sein 3-4-2-1-Spielstil deutlich offensiver als der r-2-3-1-Stil von Gerardo Seoane, lebt aber gleichzeitig aber auch von mehr Absicherung im Zentrum. Dies könnte insbesondere Außenverteidigern, wie Lukas Ullrich oder Joe Scally zu Gute kommen, die dadurch beide eine Position nach vorne rücken und so weit aus besser ihre Stärken ausspielen könnten, die bislang im offensiven Spielaufbau lagen. Als ehemaliger Jugendtrainer wäre Polanski des Weiteren gut darin, junge Spiele mehr zu integrieren, wo die Fohlen aufgrund von immer noch zahlreicher Baustellen im Kader, wie auch Verletzungen, so oder so zu ihrem Glück gezwungen werden würden.
Ob das dann aber sofort für die gewünschte Aufbruchstimmung am Niederrhein sorgen würde, die sich die Fans wünschen? Dies muss die Saison dann erstmal zeigen.
Und bevor man womöglich noch auf die Idee kommt Marco Rose oder Lucien Favre wieder zurückzuholen wäre das dann sicherlich doch die etwas mutigere Version, Mut - den sich alle Gladbach-Fans aktuell wohl mehr als alles andere wünschen.