18+ | Spiele mit Verantwortung | Es gelten die AGB | Glücksspiel kann süchtig machen | Wir erhalten Provisionen von den aufgeführten Wettanbietern

Leon

Goldene Generationen: Die belgische Nationalmannschaft 2018

Belgien hatte in den letzten Jahren (ein wenig überraschend) eine der individuell und kollektiv besten Nationalmannschaften weltweit auf dem Platz. Doch trotz all der Vorschusslorbeeren und mitreißenden Auftritten gelang es dem Team nie, einen großen Titel zu gewinnen. Ein Portrait zu der vielleicht vielversprechendsten Generation in der Geschichte des belgischen Fußballs. (Bild: IMAGO / Photo News)

Vom Außenseiter zur Jackson-11

Wenn man genauer hinsieht, dann könnten es glatt die Jackson 5 sein, die dort auf dem Feld stehen.“ Das und ähnliche Kommentare fielen in den Jahren 2014 bis 2021, als eine der vielleicht größten goldenen Generationen aller Zeiten auf dem Platz stand: Eine Nationalmannschaft, die ein kleines grade mal 11,8-Millionen-Einwohnerland vertrat, mit den beiden Lockenköpfen Axel Witsel und Marouane Fellaini, der Südstaatenrock-Frisur von Nacer Chadli und dem Mini-Iro von Radja Nainggolan die völlige Palette an Rockn-Roll-Feeling vertrat und zu jener Zeit den vielleicht schönsten Offensivfußballs Europas spielte: Belgien.

Diese Mannschaft war vielleicht der Inbegriff einer goldenen Generation und wurde zudem Turnier für Turnier von so vielen Leuten zum Geheimfavoriten erklärt, sodass man sich irgendwann selbst fragte, wie geheim dieser Tipp noch ist.

Belgien: Die Erben von Franz Schubert?

Noch heute ist die 7. Sinfonie des 1828 schon mit 31 Jahren verstorbenen Komponisten, besser bekannt als „die Unvollendete“, eine der bekanntesten und die vielleicht schönste Sinfonie aller Zeiten. Als „die Unvollendeten“ im Fußball könnte man auch die Belgier bezeichnen. Denn natürlich erwarteten alle von einer mit Superstars gespickten Stars wie Eden Hazard, Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku alle Titel. Dennoch schaffte man nur einmal, bei der WM 2018 in Russland, überhaupt das Halbfinale und war damit noch nicht einmal die erfolgreichste Mannschaft in der Geschichte der roten Teufel.

Diese stand nämlich 1980 auf dem Platz, als man rund um die Torwartlegende Jean-Marie Pfaff (ehemals FC Bayern) auf dem Platz, als man (in einem zugegebenermaßen nur aus acht Mannschaften bestehendem Turnier) das Finale erreichte.

Schaut man auf den Rest des Teams, sucht man jedoch relativ vergeblich nach großen Stars: Wilfried van Moer, René Vandereycken, Jan Ceulemans, alle bestenfalls Fußballfachmännern oder Fans älterer Generationen heute noch ein Begriff. Schließlich waren es die Deutschen, die durch zwei Tore von Horst Hrubesch schließlich doch noch um den großen Traum brachten. Für viele Bayern-Fans war dies schon fast eine Ironie des Schicksals, dass es damit ausgerechnet eine HSV-Legende war, die den Bayern-Schlussmann überwand und Deutschland somit zum zweiten EM-Titel verhalf nachdem bei der EM vier Jahre zuvor Uli Hoeneß seinen entscheidenden Elfmeter im Finale in den Belgrader Nachthimmel schoss.

2014: Ein neuer Versuch

Doch jetzt waren die Neuen waren am Start, eben jene Lukaku’s und der Bruyne’s auf dem besten Weg zu ihrem Karrierehöhepunkt. Vorbei war die Zeit, wo man nur der weniger glanzvolle Nachbar der Niederlande war. Zeit für die Jackson 11, mittendrin nun auch Mittelfeldspieler Radja Nainggolan, der insbesondere zu seiner Zeit beim AS Rom das Nachtleben und die italienischen Weinstuben zu genießen wusste und vor manchem Spiel auch mal beim Rauchen einer E-Zigarette erwischt wurde, der belgische Mario Basler, wenn man so wollte.

Als Trainer hatte man zu dem den Ex-Nationalstürmer Marc Wilmots (vielen sicher auch als Stürmer und kurzzeitig auch Sportdirektor von Schalke 04 ein Begriff).

Als Ex-Goalgetter entfachte er in der Mannschaft schon in diesem Jahr eine nahezu teuflische Genialität im Sturm, die ihrem Namen alle Ehre machte. Das einzige Problem blieb nur die Effizienz. Zwar wussten die Stars stets mit schönen Kombinationen zu überzeugen, oft fehlte dann aber der letzte Funken Kaltschnäuzigkeit vor dem Abschluss. So konnten Romelu Lukaku & Co zwar in der Gruppenphase alle Spiele gewinnen, diese allerdings (trotz mit Algerien, Russland und Südkorea vergleichsweise einfacheren Gegnern) immer nur mit einem Tor Vorsprung.

Das einzige Problem blieb ihre Effizienz, selbst das kongeniale Sturmtrio rund um De Bruyne, Hazard und Lukaku konnte zwar in der Vorrunde zwar alle Spiele gewinnen, jedoch immer nur mit einem Tor Vorsprung, trotz einem (im Schnitt) Chancenwert von über 75 Prozent. Dank eines wunderschönen Tors von Kevin de Bruyne schlug man im Achtelfinale auch die USA mit 2:1.

Im Viertelfinale musste man sich dann schließlich knapp und nach einem Tor in der 8. Minute von Gonzalo Higuain dem späteren Finalisten Argentinien geschlagen geben, einem Spiel, wo man sich aber durchaus auf Augenhöhe befand. Umso größer war die Erwartung der Fans an die kommende EM.

2016: Aus Jackson 5 wird Death-Metal

Spätestens hier hatte jeder die Mannschaft von Marc Wilmots als den absoluten Geheimfavoriten des Turniers im Kopf, auch weil in diesem Turnier viele sonstige Favoriten entweder gar nicht qualifiziert hatten (Niederlande), sich sportlich völlig blamierten (man denke an Englands Achtelfinal-Aus gegen Island) oder sich glanzlos und vielen Unentschieden durchs Tier mogelten, wie der spätere Europameister Portugal.

Einzig und allein das erste Gruppenspiel (0:2 gegen Italien), verlor man, die beiden Gegner Irland (3:0) und Schweden (1:0) schlug man dann allerdings um so souveräner. Der absolute Höhepunkt war dann schließlich das Achtelfinal-Spiel gegen Ungarn, die in ihrer Gruppe als Gruppenerster vor Österreich (Platz 2) und Portugal (Platz 3) eines der furiosesten Spiele in der jüngeren belgischen Geschichte ablieferte. Insbesondere Eden Hazard, der zuvor schon eine überragende Saison für den FC Chelsea gespielt hatte und mit seinem Verein ganze 118 Tage ungeschlagen blieb, war an diesem Abend absolut nicht zu halten.

Als neue überragende Spieler dieses Turniers konnten zuzüglich Torwart Thibaut Courtois (heute Stammtorhüter bei Real Madrid) und Abwehrchef Vincent Kompany (heute Trainer beim FC Bayern) auf sich aufmerksam machen. Hinzu stand bei diesem Turnier zum ersten Mal die Innenverteidigung rund um Thomas Vermalen und Jan Vertonghen absolut sattelfest und kassierte (abgesehen von der 0:2 Pleite gegen Italien im Auftaktspiel bis zum Viertelfinale kein einziges Tor. Der Sieg gegen Wales im Viertelfinale schien daher nur noch eine Formsache.

Doch dann kam alles anders. Ausgerechnet dem bis dato noch völlig unbekannte Trainer Chris Coleman gelang es die Belgier in diesem Spiel völlig auszucoachen. Dies tat er in dem er zum einen Kevin de Bruyne durch Aaron Ramsey manndecken ließ, zum anderen mit einer 5er-, man könnte fast sagen 7er-Kette dem Sturm, dem sich inzwischen auch noch Nacer Chadli (Tottenham) und Mitchy Batshuayi (Eintracht Frankfurt, Ex-Dortmund) gesellt hatten, jede Spritzigkeit nahm. Damit brachte er die roten Teufel von null auf hundert komplett aus dem Konzept, zumal man mit einem Gareth Bale, zu dem Zeitpunkt der wichtigste Spieler neben Cristiano Ronaldo im Real-Madrid-Sturm, auch noch einen absoluten Superstar im Sturm hatte, der die zunehmende Nervosität der immer noch jungen Belgier gnadenlos ausnutzte. Die Folge: Die goldene Generation schied abermals im Viertelfinale aus, ausgerechnet gegen den größten Underdog des Turniers.

Die Folge war eine Spielerrevolte der Mannschaft gegen ihren Trainer Marc Wilmots, welche es in der Geschichte großer Turniere wenn überhaupt nur noch 2010 bei Frankreich (damals gegen ihren Trainer Raymond Domenech) gab. Der Jackson-5-Traum wurde damit zum Death-Metal und beendete damit schließlich die Trainerkarriere von Marc Wilmots in der belgischen Nationalmannschaft. Auch für Vorzeige-Rockn-Roller Radja Nainggolan war es der letzte Auftritt für die Belgier im Rahmen eines großen Turniers.

2018: Der Höhepunkt: Kontrolliertes Feuerwerk

Nun aber schien es endlich so weit: Die Augen der ganzen Welt waren nun auf dieses Team gerichtet, auf diese nun gereiften „Geheimfavoriten“ oder (wie Béla Rethy damals sagte) „die von der Mentalität südamerikanischste Nationalmannschaft Europas aller Zeiten“. Endlich schien es so weit und die Balance zwischen Defensive und Offensive hatte sich unter Roberto Martinez nun wirklich und endlich gefunden. Ganze 43 Tore erzielten sie bereits in der Qualifikation, wobei sich schon hier zeigte, dass sich das Offensivfeuerwerk rund um Lukaku nun noch einmal erweitert hatte: Denn auch Stürmer und SSC-Neapel-Legende Dries Mertens, wie auch der durch seine Offensivkraft völlig unberechenbare Außenverteidiger Thomas Meunier füllten mittlerweile die Reihen der sowieso schon (neben Frankreich) besten Offensive dieses Turniers.

Zudem veränderte Roberto Martinez die Taktik der roten Teufel auch grundlegend. Vorbei war die Zeit von brotloser Kunst vor dem Tor, stattdessen lockte man den Gegner aus dem defensiven Mittelfeld heraus, um diesen dann mit blitzschnellen fast Jürgen-Klopp-artigen Kontern völlig zu überrumpeln. Auch ernannte man Axel Witsel zum neuen Chef im defensiven Mittelfeld, was seinen kongenialen Partner de Bruyne nochmals mehr Freiheiten im Einleiten von Torchancen gab.

Als eines der taktisch historischsten Spiele dieser goldenen Generation wird bis heute das Achtelfinale gegen Japan sein, wo die Belgier in der Nachspielzeit ein 0:2 Rückstand gegen Japan noch mit 3:2 zu drehten. Das 3:2 Tor von Nacer Chadli nach Eckstoß der Japaner und anschließendem Konter gilt dabei als eines der am schönsten herausgespielten Kontertore der WM-Geschichte, ein Paradebeispiel für perfekt ausgespielten modernen Umschaltfußball.

Der Star dieses Turniers war aber ganz klar: Eden Hazard. Vielleicht lag es daran, dass er bei diesem Turnier in einigen Spielen zum ersten Mal gemeinsam mit seinem Bruder Thorgan Hazard auf dem Platz stand, denn selten hatte man den Chelsea-Star so losgelöst erlebt. Ganze neun Tore schossen die Belgier in der Gruppenphase und besiegten damit alle Gegner (Panama, Tunesien, wie auch England) problemlos.

Im Viertelfinale traf man dann schließlich in der Tat auf Brasilien und diesmal war es Schlussmann Thibaut Courtois, der der Offensive um Neymar & Co. wie kein anderer trotzte. Die Entscheidung brachte schließlich Kevin der Bruyne. Denn zwar schaffte Brasilien noch den Anschlusstreffer, es blieb allerdings beim 2:1. Nachdem man dann zudem im schon erwähnten 3:2 nach 0:2 Rückstand gegen Japan auch noch Nervenstärke bewies, fragte sich wohl jeder, wer diese Belgier in diesem Turnier eigentlich noch aufhalten sollte. Denn auch die Brasiliener rund um ihren Superstar Neymar zeigten im Viertelfinale, dass sie die 7:1 Klatsche gegen Deutschland im eigenen Land immer noch nicht verdaut hatten. So verlor Brasilien hier gegen Belgien zwar nur mit 1:2, war im gesamten Spiel aber eigentlich nie wirklich auf Augenhöhe mit den roten Teufeln.

Schließlich kam der große Moment: das Milliardenspiel zweier der teuersten Kader der Geschichte, Kevin de Bruyne gegen Paul Pogba, Romelu Lukaku gegen Olivier Giroud und nicht zuletzt das Duell der Sprinter und Dribbler Eden Hazard gegen Kylian Mbappé.

Grade was letztere beiden Spieler angeht, sind jedem nochmal die Highlights dieses Halbfinales ans Herz gelegt, denn wenn es in der jüngeren WM-Geschichte auch nur ein vergleichbares Duell zweier überragender Einzelkönner gab, dann war es höchstens das zwischen Kylian Mbappé und Lionel Messi im WM-Finale 2022.

Letztendlich scheiterte man knapp mit 0:1 (nach einem Kopfball nach Ecke von Samuel Umtiti) aber eben an dem späteren Weltmeister Frankreich und so langsam kam die Angst hoch, ob diese goldene Generation, so golden sie auch war, dann am Ende doch für immer titellos bleiben sollte.

Und für alle FC-Bayern-Fans, die sich fragen, ob ihr aktueller Trainer Vincent Kompany auch mit Rückschlägen umgehen kann: Nur ein Spieler stand an diesem Abend nicht auf dem Platz und das war der für das Verteidigen solcher Ecken zuständige belgische Abwehrchef, der aufgrund einer gelb-roten Karte in diesem Halbfinale gesperrt war und (ähnlich wie Ballack im WM-Finale 2002) von der Bank aus zusehen musste, wie diese damit vielleicht für immer unvollendete Generation so haarscharf am Titel vorbeirauschte. Da konnte auch die Tatsache, dass das Finale Frankreich gegen Kroatien (4:2) in diesem Turnier eines der einseitigsten in der WM-Geschichte war, nicht drüber hinwegtrösten, sondern machte das Ausscheiden eher noch bitterer.

2021: Zum ersten Mal: Welker Duft statt Welpenschutz?

Noch einmal stand Roberto Martinez am Spielfeldrand, auch mit dem Wissen, dass spätestens jetzt Belgien jeder auf dem Schirm hatte und dass es neue taktische Mittel brauchte, um bei einem Turnier erfolgreich zu sein, vielleicht sogar Mittel, mit denen ein gewisser Gareth Southgate mit der englischen Nationalmannschaft zweimal das Finale erreichte: Pragmatismus und Fokus auf die Defensive.

Nur irgendwie wirkte dieser neue Stil der Belgier schnell verkopft und unauthentisch. Die Gruppenspiele gewann man gegen Finnland, Dänemark und Russland zwar noch souverän, doch schon im Achtelfinale hatte gegen den Titelverteidiger Portugal schon so seine Probleme. Diesmal war es der jüngere der beiden Hazard-Brüder Thorgan Hazard, der Belgien aber noch den knappen 1:0-Sieg rettete.

Im Viertelfinale sah man historisch betrachtet vertauschte Rollen: Ausgerechnet die Erfinder des Catenaccio-Mauerfußballs Italien ließen sich von der neuen Defensivausrichtung der Belgier nicht im mindesten beeindrucken, sondern schlugen diese mit unbekümmerten und wenig Risiko scheuenden Offensivfußball am Ende problemlos mit 2:1.

Und nicht nur das, als eine Mannschaft, die bei der WM 2018 nicht einmal qualifiziert war und auf einmal mit einer völlig neuen jungen Mannschaft, schafften sie schließlich Belgien genau dort die Show zu stehlen, wo es ihnen am meisten weh tat, als ein junger wilder Geheimfavorit, der am Ende sogar den EM-Titel gewann.

2022: Die WM in Katar: Das Ende der goldenen Generation

Bei diesem ohnehin schon umstrittenen Turnier zeigte sich dann endgültig, dass diese einst so unbekümmerten Wilden nicht nur in die Jahre gekommen waren, sondern auch zerstritten wirkten. Im ersten Spiel gewann man zwar noch 1:0 gegen Kanada, das allerdings als die deutlich schlechtere und chancenärmere Mannschaft, das 0:2 gegen Marokko war dann aber der Tiefpunkt der jüngeren Geschichte der Belgier. Völlig blutleer und uninspiriert präsentierte man sich hier gegen wacker kämpfende Nordafrikaner und flog damit (nach einem 0:0 gegen Kroatien im dritten Spiel) komplett zurecht in der Vorrunde rauf. Auch für Trainer Roberto Martinez war es das Ende seiner Trainerkarriere bei den roten Teufeln.

Somit verblasste der Stern der Belgier langsam am Horizont, was auch mit der Formschwäche der ehemaligen Stars lag. Eden Hazard wurde nach seinem Wechsel zu Real Madrid nie wieder der Alte, sodass auch aufgrund seiner vielen Verletzungen sein Vertrag bei den Königlichen im Jahr 2023 sogar vorzeitig aufgelöst wurde. Hazard beendete daraufhin seine Karriere und auch für Kevin de Bruyne, der derzeit mit Manchester City eine absolute Horrorsaison hat, läuft es derzeit nicht viel besser. Einzig und allein Romelu Lukaku erlebt aktuell mit dem SCC Neapel seinen zweiten Frühling, nachdem er mehrere Male von Chelsea und Inter Mailand hin und her transferiert wurde, sich aber (abgesehen von der Inter-Saison 2021/22) in beiden Clubs immer wieder schwer tat. Hinzu kamen noch persönliche Streitigkeiten zwischen Torwart Thibaut Courtois und Roberto Martinez’ Nachfolgetrainer Domenico Tedesco, welcher dafür sorgte, dass der ehemalige Welttorhüter bei der EM 2024 (Aus im Achtelfinale) nicht einmal in den Kader berufen wurde.

Die interessanteste Geschichte schreibt derzeit sicherlichVincent Kompany als Trainer des FC Bayern, dessen Bandbreite zwischen kompakten, wenn auch extrem hoch stehenden Abwehrketten, schönem Offensivfußball und Flexibilität bereits in seinem ersten Jahr in München beeindruckt. Sein Meisterstück waren hier zweifellos seine beiden Achtelfinalspiele im Februar 2025 gegen Bayer Leverkusen, wo man sich mit 3:0 im Hinspiel (2:0 im Rückspiel) locker durchsetzte.

2025 und danach: Wo liegt die Zukunft?

Derzeit liegt die Zukunft der roten Teufel tatsächlich eher in den Sternen, sieht man mal von Sturmtalenten wie Lois Openda (RB Leipzig) und Jeremy Doku (Manchester City) ab. Dennoch sind es insbesondere solche jungen Spieler, die – wie auch Arsenal-Mittelfeldspieler Leandro Trossard (Arsenal) - Hoffnung auf neue goldene Zeiten machen. Was allerdings alle diese Spieler eint: Ihre Formschwankungen sind nach wie vor zu groß, um wirklich in die Fußstapfen von de Bruyne und Lukaku treten zu können. Dazu spielte man unter Ex-Schalke-Trainer Domenico Tedesco wieder einen eher biederen Defensivfußball und konnte somit weder bei der abgelaufenen EM 2024, noch bei der anschließenden Nations League erfolgreich sein.

Am 24.01.2025 hat allerdings der Franzose Rudi Garcia die Mannschaft übernommen, der mit Olympique Marseille 2018 zumindest das Endspiel der Europa League erreichte. Ob Belgien aber – trotz vieler neuer interessanter Talente wie Wout Faes (Leicester City), Mika Godts (Ajax Amsterdam) Julien Duranville (Borussia Dortmund), Zeno Debast (Sporting Lissabon), Malick Fofana (OSC Lille) und Arthur Theate (Eintracht Frankfurt) – in naher Zukunft noch einmal das Niveau der 10er-Jahre erreichen wird, bleibt fraglich.

Dank ihrer hervorragenden Jugendarbeit wird Belgien sicherlich immer ein Land bleiben, was ähnlich wie die Niederlande das Potenzial hat, bei großen Turnieren oben mitzuspielen, für ein Land von knapp einem Achtel so vielen Einwohnern wie Deutschland wird es dennoch immer schwer bleiben, einen Titel zu gewinnen.

Teile den Post
Leon

1. FSV Mainz 05 – das sind die Gründe für die Top-Saison der 05er

Der 1.FSV Mainz 05 spielt aktuell die beste Saison seiner Vereinsgeschichte und steht nach Spieltag 25 auf dem dritten Tabellenplatz. Entsprechend herrscht angesichts der letzten Ergebnisse, der Spielweise und der Ausgangslage im Saisonendspurt derzeit Ausnahmestimmung bei den 05ern. Doch wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen? Was sind die Gründe für den Erfolg oder besser gesagt wer ist es? (Bild: IMAGO / Kirchner-Media)

Was gibt es schöneres als an einem verregnet-grauen Wintersonntag Bundesliga zu schauen. Das möchte man als großer Bundesliga-Fan meinen – zumindest bis dann zuweilen der Blick auf die Spielpaarungen fällt und der Himmel gefühlt gleich noch ein bisschen grauer wird: Hoffenheim gegen Heidenheim, Leipzig gegen Augsburg, Kiel gegen Mainz: Da fragt man sich doch hin und wieder, ob nicht die dreihundertdrölfzigste Politiksendung über das Scheitern der Ampel-Koalition oder eine Dokumentation auf ARTE über die Fortpflanzung von Zwergeidechsen nicht manchmal doch kurzweiliger sein könnte.

Denn ja – auch Mainz 05 wird in den Augen vieler Fußballfans, insbesondere Traditionalisten, immer wieder gerne mal in die Schublade eben dieser Mannschaften gezählt, wo man beim Fußballgucken mit seinen Kumpels eher mit halbem Auge hinschaut und stattdessen von den guten alten Zeiten träumt, wo noch Schalke 04, der HSV, Hertha BSC, der FC Kaiserslautern oder 1860 München auf dem Bundesligaprogramm standen.

Dennoch gibt es vielleicht kein Team, was bei seinen Fans in den letzten Jahren alleine sportlich eine derartige Achterbahnfahrt an Emotionen ausgelöst hat, von einer Hinrunde mit grade mal 11 Punkten in der Saison 2023/24, welche zu den schlechtesten Hinrunden der Bundesligageschichte zählte, bis zu einem im Jahr 2025 herausragenden 4. Platz, der den erstmaligen Einzug in die Champions League für den Verein bedeuten würde. Selten hat ein Verein innerhalb von einem Jahr so einen Sprung hingelegt.

Und wie schon in der Vergangenheit, wo ähnlich charismatische Trainer wie Jürgen Klopp und Thomas Tuchel bei den Rheinhessen am Spielfeldrand standen, steht auch diesmal wieder ganz klar der Trainer im Fokus dieses überragenden Erfolges.

Bo Henriksen, der Dänische Kloppo?

Viele Mainz-05-Fans werden sich noch an das Abschiedsvideo seines dänischen Vorgängertrainers und Namensvetters Bo Svensson erinnern. „Meine Kinder sind hier aufgewachsen, alles, was ich über Fußball gelernt habe, habe ich hier gelernt. Jeder Tag in diesem Verein hat mich geprägt und wird mich noch ein ganzes Leben lang prägen“, so die Worte des Dänen, der nach einer Hinrunde zum Vergessen im November 2023 freiwillig zurücktrat. Da der Wunsch nach Trainerkontinuität schon immer Teil der Mainzer DNA war (siehe Jürgen Klopp, der ganze sieben Jahre lang im Amt war), war man daher erst einmal skeptisch, als plötzlich dieser wilde Langhaarige an der Seitenlinie stand, der gefühlt nach jeder Balleroberung in Richtung Kurve rannte, um die Fans anzuheizen. Doch bald schon sollte den Mainz-Fans klar werden, dass mit Bo Henriksen weitaus mehr als nur ein Motivator gefunden wurde „Mein Motto ist es, den Spielern jede Angst zu nehmen und den größtmöglichen Mut zu geben“, so der 49Jährige, ein Motto, was sich noch bezahlt machen sollte.

Keine Angst“, „absolute Offenheit“ und „Freiheit für die Spieler“, das waren von Anfang die Kernpunkte seiner Trainerphilosophie, was sogar so weit ging, dass er die Spieler selbst auswählen ließ, wann das Training stattfinden sollte oder wer wann auf welcher Position spielen möchte. Den rustikalen Mittelfeldspieler Dominik Kohr, der vorher vor allem durch seine harte und oft unfaire Spielweise auffiel als durch wirklich viel Spielverständnis, schulte er zum Beispiel einfach zum Abwehrspieler um, wo er mittlerweile sowohl als rechter, als linker wie auch als mittlerer Innenverteidiger fungiert.

Ich sage den Spielern immer, dass ich ihnen nur helfen kann, wenn ich von ihnen immer die absolute Wahrheit höre, denn wie soll ich ihnen sonst helfen? Wenn man nicht ausspricht, wenn was nicht stimmt, ist ein Team zum Scheitern verurteilt“, so ein weiteres Zitat des Dänen, was maßgeblich für seinen innovativen Führungsstil steht, der so gar nicht zu einer eher autoritären Herangehensweise passt, wie viele andere Mannschaften nach wie vor trainiert werden.

Dabei war Bo Henriksen sogar durchaus mal ein Taktiknerd. Laut eigener Aussage hat er einst jedes seiner Systeme auswendig gelernt, bis zu zwölf Stunden an der Taktiktafel verbracht und jede Menge wissenschaftliche Aufsätze alleine über die Arbeit gegen den Ball geschrieben, nicht selten mal über 100 Seiten lang. Doch grade dies brachte ihn zu der Erkenntnis, dass trotz aller Taktikanalysen im realen Leben und auf dem Platz nichts wichtiger ist als der Mensch und diesen mit so viel Mut und Selbstbewusstsein auszustatten wie nur irgendwie möglich.

Der Spielstil

Grundsätzlich steht vor allem die Defensive im Fokus der 05er. Die Startaufstellung ist in der Regel ein 5-4-1 mit dem Fokus auf Intensität und Disziplin. Grundsätzlich überlässt man dem Gegner den Ball, beziehungsweise spielt ihn nach schnellem Ballgewinn direkt ins Zentrum, wo neben dem dribbelstarken Paul Nebel (einem der Shooting-Stars der Saison) vor allem der Ex-Leverkusener Nadiem Amiri Lenker und der Denker der Mainzer ist. Vorne sind es dann der durchaus kopfballstarke Jae-sung Lee und allen voran Jonathan Burkardt. die die Umschaltmomente und die nicht selten genialen Steckpässe von Amiri vollenden. Der 24-jährige Jonathan Burkardt, der bereits in der letzten Länderspielpause von Julian Nagelsmann eingeladen wurde, gilt dabei als eine der größten Hoffnungen im Sturmzentrum in der deutschen Nationalmannschaft.

Und selbst wenn man in diesen Umschaltmomenten mal den Ball verlieren sollte, was aufgrund der Risikofreudigkeit schon mal passieren kann, sind es stets die blitzschnellen Außenverteidiger Anthony Caci und Philipp Mwene, die im Falle eines Ballverlustes nach innen schieben und die Situation klären. Dabei ist Trainer Henriksen am wichtigsten, dass, egal ob mit dem Ball oder gegen den Ball, alle Spieler permanent aktiv sind und früh stören. Dadurch gehören die Mainzer auch in der Eroberung von zweiten Bällen zu den stärksten Teams der Liga.

Der Mainzer Kader, reif für die Champions-League?

Dass sich diese Frage Mainz 05 als Drittplatzierter knapp neun Spieltage vor Saisonende mal stellen würde, damit hätte wohl vor der Saison niemand gerechnet.

Denn ähnlich wie der 1. FC Union Berlin und der VFB Stuttgart, den beiden sicherlich größten Überraschungen der vergangenen Saisons, hatten auch Mainz 05 zahlreiche schmerzvolle Abgänge zu verzeichnen: Ludovic Ajorque, Jessic Ngankam, Josua Guilavogui, Tom Krauss und Leandro Barreiro – alle diese Spieler waren in der Vorsaison wichtig für die starke Rückrunde und den Klassenerhalt, wobei der härteste Abgang sicherlich der von Flügelstürmer Brajan Gruda war, der im Sommer 2024 für 32 Millionen Euro zu Brighton & Hove Albion wechselte. Seinen größten „Rising Star“ so schnell wieder zu verlieren, war für viele Fans daher ein herber Schlag, auch da zu dem Zeitpunkt noch völlig in den Sternen stand, ob der leider verletzungsanfällige Jonathan Burkardt überhaupt einmalmal eine ganze Saison durchspielen konnte.

Hier aber kommen wir zur letzten und vielleicht sogar entscheidendsten Stärke der Rheinhessen: die Jugendarbeit. Diese machte sich zum Beispiel in der vergangenen Europa Youth League bezahlt, als die Mainzer U17 sensationell ins Viertelfinale einzog. Brajan Gruda, Jonathan Burkardt, Paul Nebel, Finn Dahmen (aktuell Augsburg), wie auch Leandro Barreiro (aktuell Benfica) sind hinzu alles Spieler, die erst kürzlich aus der Mainzer Jugend hochgezogen wurden und sich innerhalb kürzester Zeit alle zu etablierten Bundesligaspielern entwickeln konnten. Hinzu käme noch Nelson Weiper, ein weiterer hochtalentierter 19-jähriger deutscher Stürmer, der sich jetzt schon anschickt, für die Mainzer so etwas wie der nächste Johnny Burkardt zu werden.

Bis auf den SC Freiburg gab es somit in den letzten Jahren nur ganz wenige Mannschaften in der Bundesliga mit so einer hohen Durchlässigkeit der eigenen Jugendspieler und die Lorbeeren dafür können die Mainzer nun endgültig ernten. Dass man neben den vielen jungen Talenten zusätzlich mit Robin Zentner noch einen erfahrenen Torhüter hat, der zudem derzeit zu den formstärksten Keepern der Liga gehört, rundet das Bild ab.

Teile den Post
Leon

Goldene Generationen: Bayer Leverkusen 2002

Bayer 04 Leverkusen hat es 2024 geschafft, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte deutscher Meister zu werden. Doch nicht nur das, man legte damit auch endgültig den allseits bekannten Ruf und Namen „Vizekusen" ab. Doch was hat es damit genau auf sich? Ein Blick zurück in die Geschichte von Bayer 04 Leverkusen und das Jahr 2002. (Bild: IMAGO / WEREK)

„Vizekusen“ – Trauma oder Marke?

So ziemlich jeder wird dieses Gefühl schon einmal erlebt haben: Sei es das Gefühl sich für seinen Traumjob durch lange Bewerbungsrunden gequält zu haben, im allerletzten Moment den Job dann aber doch nicht zu bekommen oder das Gefühl in einer Schachpartie dem Gegner Dame und Turm abgetrotzt zu haben, um dann am Ende nur wegen einem kurzen Blackout die Partie doch noch zu verlieren.

Alle Fans von Borussia Dortmund werden sich an das Finale der Meisterschaft 2022/2023 erinnern, wo der Borsigplatz schon reserviert war, sämtliche Planungen für die anstehende Meisterfeier schon so gut wie abgeschlossen waren, um dann mit anzusehen, wie in den letzten Minuten ein gewisser Jamal Musiala im Parallelspiel das eine Tor schießt, wo es dann doch wieder hieß: Herzlichen Glückwunsch zur 11. Meisterschaft in Folge, Bayern München.

Auch Fans von Schalke 04 haben dieses Trauma im Jahr 2001 erlebt, im letzten Moment doch nur zum „Meister der Herzen“ gekürt wurden zu sein. Und dennoch hat den Fluch des ewigen Zweiten keine andere Mannschaft so hart erlebt, wie Bayer 04 Leverkusen im Jahr 2002. Denn jeweils nur ein einziges Spiel trennte das Team von Trainer Klaus Toppmöller in diesem Jahr davon, nicht nur die Meisterschaft zu gewinnen, sondern gleich alle drei bedeutenden Titel: Meisterschaft, DFB Pokal und sogar die Champions League.

Dieses sogenannte Triple aus Champions-League, nationalem Pokal und Meisterschaft war zuvor nur vier Mannschaften gelungen: Celtic Glasgow (1967), Ajax Amsterdam (1972), PSV Eindhoven (1988) und Manchester United (1999) und dennoch mussten sich die Leverkusener am Ende mit einer titellosen Saison abfinden.

Meisterkampf und DFB-Pokal

In der Bundesliga lieferte man sich zunächst einmal einen spannenden 5er-Kampf mit Borussia Dortmund, Bayern München, dem 1.FC Kaiserslautern und Werder Bremen. Nur sechs Punkte trennten die Mannschaften in der Hinrundentabelle, welche Bayer Leverkusen knapp mit 39 Punkten anführte. Erst zu Beginn der Rückrunde ließ man zum ersten Mal Federn. So verlor man hier gleich gleich drei von vier Spielen gegen Wolfsburg, Bayern, so wie auch gegen Schalke 04. Eine Serie von zehn ungeschlagenen Spielen brachte Leverkusen jedoch wieder in die Pole-Position um den Kampf um die Meisterschale, zumal zu diesem Zeitpunkt mit Dortmund und Bayern eigentlich nur noch zwei ernsthafte Konkurrenten übrig waren.

Doch dann kam der 20. April 2002, das Heimspiel gegen Werder Bremen, in welchem man trotz Führung von Zé Roberto plötzlich Panik bekam und das Spiel mit 1:2 zu verlor. Sollte der große Traum, die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte, doch noch in Gefahr geraten? Beim Auswärtsspiel gegen Nürnberg (0:1) vergab man die Führung dann endgültig, weswegen es für den letzten Spieltag dann hieß: Nur noch ein Sieg sowie ein Unentschieden von Borussia Dortmund im Parallelspiel konnte die Meisterschaft noch retten. Den Sieg schaffte man dann zwar dank zweier Tore von Michael Ballack (2:1 gegen Werder Bremen), da aber Borussia Dortmund im Parallelspiel ebenfalls gewann, wurde man schließlich mit nur einem Punkt Abstand Zweiter.

Doch es sollte noch bitterer kommen: Denn nur eine Woche später verlor man das Endspiel im DFB-Pokal ebenfalls. Immerhin: Der ein Jahr zuvor ebenfalls im letzten Moment gescheiterte „Meister der Herzen“, Schalke 04, konnte schließlich mit 4:2 den Pokal gewinnen und wurde somit für die bitterste Niederlage in ihrer Vereinsgeschichte zumindest ein bisschen entschädigt. Was Leverkusen anging, waren nun aber natürlich alle Augen auf das Champions-League-Finale gerichtet. Hier wartete dann allerdings ausgerechnet Real Madrid.

Der Traum vom Henkelpott

Das größte Wunder, was Klaus Toppmöller mit Leverkusen vollbrachte, war sicherlich dieser völlig überraschende Einzug ins Champions-League-Finale. Denn nur zur Erinnerung für alle Jüngeren unter uns: Wir reden hier von einer Zeit, wo die Beinahe-Galacticos Real Madrid (mit Zinedine Zidane, Luis Figo, Raul und dem Brasilianer Ronaldo in ihrer absoluten Prime) alles dominierten.

Zudem war da noch ein FC Barcelona, der sich, mit dem damals grade mal 18-jährigen Andres Iniesta, wie auch Rivaldo und Patrick Kluivert im Sturm, schon damals anschickte, über Jahre hinweg den besten Sturm der Welt zu haben, ein Manchester United unter Sir Alex Ferguson, was mit dem heutigen Manchester United ungefähr so viel zu tun hatte wie das Kulturgut von Matze Knop mit furchteinflößendem Gangsterrap – und nicht zuletzt der Titelverteidiger FC Bayern.

Niemand hätte vor dieser Saison auf Bayer Leverkusen gewettet. Dennoch ging man, abgesehen von einer 0:4 Klatsche gegen Juventus Turin ungeschlagen und als Erstplatzierter aus der Gruppenphase. Im Viertelfinale unterlag man dann zunächst dem FC Liverpool mit 0:1, kehrte dieses Ergebnis dann allerdings im Rückspiel mit 4:2 um, wobei vor allem der brasilianische Verteidiger und spätere Bayern-Star Lucio aufblühte. Im Halbfinale schaffte man es dann wenn auch knapp mit zwei Unentschieden und dank der Auswärtstorregel gegen Manchester United schlussendlich ins große Finale von Glasgow.

Im Finale gegen Real Madrid war es dann schließlich Raul, der die Werkself gleich in der 8. Minute schockte. Allerdings dauerte es nur drei Minuten und wieder war es Lucio, der den Ausgleichstreffer hinlegte. Mit einem sehenswerten historischen Volley entschied dann schließlich Zinedine Zidane in der 45. Minute das Spiel für die Königlichen und der letzte Traum von einem Titel zerplatzte in Leverkusen in den weiteren 45 Minuten wie eine Seifenblase.

War es hier möglicherweise auch schon der Frust über die beiden anderen verlorenen Titel, insbesondere der Meisterschaft, weswegen hier am Ende die letzten Körner fehlten? Viele Experten sagen heute, dass für Leverkusen mit einem anderen Mindset in dieser zweiten Halbzeit sogar mehr gegangen wäre. So aber sollte es einfach nicht sein und der Verein musste ganze 22 Jahre warten bis ausgerechnet Real-Madrid-Ikone Xabi Alonso den „Vizekusen“-Fluch brach.

Der Kader:

Dennoch bleibt die Frage: War der Kader von 2002 nicht möglicherweise sogar noch besser als der aktuelle Leverkusen-Kader? Bereits erwähnte Superstars wie Michael Ballack, Zé Roberto und Lucio könnten das durchaus glauben machen. Hinzu waren neben Ballack gleich fünf weitere deutsche Nationalspieler im Kader der Leverkusener, die im selben Jahr bei der WM natürlich nur eins werden konnten: Vize-Weltmeister.

Auch der FC Bayern, allen voran Uli Hoeneß, schien gewarnt zu sein, dass hier neben Borussia Dortmund ein weiterer dauerhafter Bundesliga-Konkurrent heranzuwachsen drohte. So kaufte man – in bester Bayern-Manier – dem ungeliebten Kontrahenten mit Zé Roberto und Michael Ballack gleich mal zwei seiner drei besten Spieler ab.

Für Michael Ballack war die „Vizekusen“-Saison auch gleichzeitig seine Durchbruchssaison. Als entscheidender Motor im Mittelfeld glänzte er nicht nur als Regisseur und Antreiber, sondern war hinzu noch extrem torgefährlich. Günter Netzer bezeichnete ihn in dieser Zeit sogar als den „kopfballstärksten Spieler der Welt.“ Ballack brachte es in dieser Saison bei 50 Pflichtspielen auf insgesamt 23 Tore und 13 Vorlagen. Damit war er Leverkusens Topscorer und belegte mit 17 Bundesliga-Treffern hinter Martin Max und Marcio Amoroso (beide 18 Tore) den dritten Platz der Torschützenliste und wurde zuzüglich zu „Deutschlands Fußballer des Jahres 2002“ ausgezeichnet.

Eine Menge Nostalgie werden Bundesligafans der älteren Semester sicherlich auch noch mit dem Namen Lucio verbinden. Der brasilianische Verteidiger, der in der Bundesliga sowohl für Leverkusen als auch für den FC Bayern auflief, gilt als herausragender Kopfballspieler und trug damit neben seinen beeindruckenden Fähigkeiten gegen den Ball mit wichtigen Toren, insbesondere in der Champions League, um Erfolg der Werkself bei. Auch er wechselte, allerdings erst 2004, zum FC Bayern München.

Im Sturm hingegen war es Ulf Kirsten, der zu diesem Zeitpunkt wohl so etwas war wie der Thomas Müller von Leverkusen. Ganze zwölf Jahre spielte er bereits für den Verein in dem er auch ein Jahr später seine Karriere beendete. Mit 181 Bundesligatreffern war er zudem zu dem Zeitpunkt bereits der fünftbeste Torschütze der Bundesligageschichte. Auch seine Mentalität und sein Kampfgeist, den er Spiel für Spiel hinlegte, machte den einst von Ede Geyer trainierten DDR-Nationalspieler aus Sachsen für die Elf aus dem Niederrhein unersetzlich.

Und sollte es auf der anderen Seite des Platzes mal gefährlich werden, war jedem Gegner klar, dass mit Kapitän und Libero Jens Nowotny im Zweifelsfall eher nicht gut Kirschen essen ist. Mit insgesamt acht Platzverweisen (fünf rote + drei gelb-rote Karten) ist er bis heute neben dem Brasilianer Luiz Gustavo der Spieler, der in der Bundesliga am häufigsten des Platzes verwiesen wurde. Doch auch sonst war Nowotny neben Ballack der wichtigste Motor in dieser Mannschaft.

Das machte es dann umso bitterer, dass ausgerechnet er sich im Halbfinale der Champions-League am Kreuzband verletzte und somit in allen drei verlorenen Finalspielen fehlte. Auch hier bleibt bis heute die Frage, wie die Leverkusen-Saison ohne diese Verletzung ausgegangen wäre. Zum Vergleich stelle man sich zum Beispiel vor, wie die Leverkusener Meisterschaftsaison 2023/24 ausgegangen wäre, hätte sich ein Granit Xhaka oder ein Florian Wirtz früh am Kreuzband verletzt.

Ähnliches gilt für Torwart Hans-Jörg Butt, wobei dieser Gott sei Dank unverletzt blieb. Der erfahrene Schlussmann, der von 2001 bis 2007 für Leverkusen spielte, war eine Schlüsselfigur in der Defensive. Mit seinen ausgezeichneten Reflexen und seiner Spielübersicht stellte er sich oft als sichere Bank heraus und half, das Team in kritischen Situationen zu stabilisieren.

Hinzu hatte Leverkusen mit dem (neben Hristo Stoichkov) wahrscheinlich bedeutendsten bulgarischen Fußballspieler aller Zeiten Dimitar Berbatov noch ein weiteres großartiges Talent in ihren Reihen. Damals erst 20 Jahre alt, entwickelte er sich in der Saison 2001/2002 immer mehr zum Führungsspieler und brachte Bayer Leverkusen im DFB-Pokal-Finale gegen Schalke 04 sogar zunächst in Führung.

Neben Lucio bewies auch Mittelfeldspieler Zé Roberto, warum Bayer Leverkusen noch viele weitere Jahre als „der Magnet in Deutschland für talentierte Brasilianer“ bekannt war, auch wenn dieser neben der brasilianischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft hatte. Hierbei mag es umso lustiger erscheinen, dass er in seiner Zeit bei der Werkself so auf Fußball fokussiert war, dass er es trotz deutschem Trainer verpasste auch nur ein einziges Wort deutsch zu lernen. Dies ging schließlich soweit, dass sein späterer Bayern-Mitspieler und Landsmann Giovane Elber damit drohte, in der Kabine nie wieder ein Wort portugiesisch mit ihm zu sprechen, wenn er nicht endlich die deutsche Sprache lernte.

Der Trainer, eine Inspiration für Guardiola?

Der Name Klaus Toppmöller mag vor allem Frankfurt-Fans ein Begriff sein. Nicht nur, dass er sowohl als Spieler als auch als Trainer dort zu den größten Vereinslegenden zählt, ausgerechnet sein Sohn Dino Toppmöller ist es, der sich als Drittplatzierter in der Bundesliga derzeit anschickt, die erste direkte Champions-League-Qualifikation in der Vereinsgeschichte zu schaffen. Interessant ist zudem, dass der gelernte Ingenieur für Versorgungstechnik einer der ersten war, der in Deutschland den bedingungslosen One-Touch-Fußball wieder etablierte, mit dem nur wenige Jahre später ein gewisser Pep Guardiola beim FC Barcelona durchstarten sollte.

Hinzu war Toppmöller extrem inspiriert vom Fußball der brasilianischen Nationalmannschaften und Verschiebungen der 5er-Kette. Auch die Aufgabe des Liberos interpretierte er insofern neu, als dass er diesem (in dem Fall Jens Nowotny) mehr und mehr Aufgaben gegen den Ball gab, was wiederum Mittelfeldspielern wie Michael Ballack weitaus mehr Freiräume in der Offensive gab.

Teile den Post
Leon

Goldene Generationen: Neapel 2023 - Eintagsfliege oder neuer italienischer Serienmeister?

Neapel scheint mit ihrem ersten Scudetto-Gewinn seit 23 Jahren zurück an der europäischen Spitze zu sein. Allerdings steht der Verein diesen Sommer vor mehreren Umbrüchen, denn nicht nur Trainer Luciano Spaletti verließ den Club direkt nach ihrem großen Triumpf, auch Schlüsselspieler wie Stürmer Victor Osimhen werden bei anderen finanzstärkeren Clubs derzeit heiß gehandelt. Hier eine Analyse der (noch) aktuellen goldenen Generation der SSC Neapel.

Die ersten goldenen Jahre: Maradona und das magische Dreieck von 1990

Wer kennt ihn nicht? Einen der größten Helden des Weltfußballs: Polarisierend, atemberaubend, ein Spieler zwischen Genie und Wahnsinn und doch einer der größten Fußballer aller Zeiten: Diego Maradona. Jeder, der schon einmal ein paar Minuten eines Fußballspiels verfolgt hat oder weiß, dass man dieses Spiel in der Regel mit dem Fuß spielt und nicht mit einem Schläger, kennt seinen Namen. Doch nirgendwo wurde er außerhalb Argentiniens so sehr wie ein Fußballgott verehrt wie in Neapel, ein Klub, den er über Jahre hinweg maßgeblich geprägt hat wie kein anderer. Selbst das vorher als Stadio San Paolo bekannte neapolitanische Stadion, einer der gefürchtetsten Hexenkessel Italiens, trägt mittlerweile seinen Namen.

Was viele nicht mehr wissen, ist, dass Maradona, so wie beim Gewinn des Weltmeistertitels 1986 mit Argentinien, auch beim letzten Scudetto-Sieg Neapels nur Teil einer goldenen Generation war – einer Generation, die er am Ende natürlich als der publikumswirksamste Spieler (man denke nur an seine wahnwitzige Dribbelaktion im „Die-Hand-Gottes“-WM-Viertelfinal-Spiel gegen England) alle überragte, wo es aber mindestens zwei weitere Spieler gab, denen Maradona einen Teil seines Ruhms zu verdanken hat: Bruno Giordano und Careca - gemeinsam "La MaGiCa", das magische Dreieck.

Der italienische Stürmer Bruno Giordano und der brasilianische Nationalspieler Careca bildeten zu der Zeit jenes „Trio MaGiCa“, benannt nach den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen. Sie zusammen ergänzten sich zu jener goldenen Zeit der Neapolitaner zu einem Sturmtrio, was gemeinsam eine Wucht entfalten konnte, welches höchstens noch das Sturmtrio Messi, Neymar und Luis Suarez zu deren besten Barcelona-Zeiten topen konnte.

Keine Spur von dem zu der Zeit in Italien so berüchtigten Catenaccio-Fußball, auch kein taktisch perfekt durchgestylter auf Raumdeckung ausgerichteter Spielstil, wie ihn der ebenfalls zu der Zeit sehr erfolgreiche AC Mailand unter Arrigo Sacchi spielen ließ, sondern schnelle Vertikalpässe, ein für die damalige Zeit extrem hohes Tempo und eine Grundattitüde, die teilweise schon an den brasilianischen La-Jogo-Bonito-Stil erinnerte, dafür stand zu jener der Zeit der SSC Neapel. Und 33 Jahre später?

33 Jahre später: Neapel zum ersten Mal seit Maradona wieder die Nr. 1 in Italien

Nun so sollte es kommen. Am 4.5.2023 konnte der SSC Neapel nach 23 langen Jahren mit vielen Höhen und Tiefen erneut den Scudetto für sich klarmachen. Und wieder sollte man diesen Titel mit dem „unitalienischsten“ Fußball erspielt haben, den ein Serie-A-Club seit Jahren präsentiert hat: Begeisternd, risikobereit, auf Ballbesitz ausgerichtet und offensiv. Was noch dazu kommt: Auch diesmal sollte wieder ein magisches Dreieck im Mittelpunkt stehen.

In diesem Fall reden wir allerdings nicht von drei Star-Spielern wie 1990 (zumindest nicht vor der Saison 2022/23), sondern von größtenteils völlig unbeschriebenen Blättern auf dem Fußballmarkt, die noch dazu alle aus Fußballnationen kommen, wo so manch ein argentinischer Maradona-Anhänger vielleicht noch nicht einmal weiß, wo diese überhaupt liegen: Slowakei, Nigeria und Georgien.

Stanislav Lobotka, Victor Osimhen und der unter dem Spitznamen „Kwaradona“ bekannte Khvicha Kvaratskhelia – die Anführer einer neuen Goldenen Generation? Einer goldenen Generation, die auch aufgrund ihres jungen Alters und ihres nach wie vor rasant steigenden Marktwerts vielleicht noch nicht einmal ihre absolute Prime erreicht hat?

Auf die Plätze „Kva“-„Loooo …..“ und …Os!“ - Das „MaGiCa“ Dreieck von 2023

Lobotka, Osimhen und Kvaratskhelia – der Fußballer, dessen Namen nicht einmal eingefleischte Neapel-Fans aussprechen können, weswegen sie ihn zumeist nur „Kvara“ oder liebevoll „Zizi“ nennen, welches laut eigener Aussage auch sein eigentlicher Spitzname ist: Das sind sie also – die neuen „MaGiCa“s von 2023.

Mittelstürmer Victor Osimhen wäre dabei noch am ehesten als klassischer 9er zu bezeichnen und zählt derzeit zu den teuersten und heißbegehrtesten Stürmern Europas (so begehrt, dass selbst der große FC Bayern, der doch im Sommer so dringend einen neuen Robert Lewandowski braucht, schon Abstand von einer Verpflichtung genommen hat.)

Diese Tatsache scheint umso unglaublicher, wenn man bedenkt, dass Osimhen in der Saison von 2017/2018 beim VFL-Wolfsburg mit 12 Einsätzen und 0 Toren als einer der größten Transferflops der Bundesliga galt. Zum Vergleich – für die SSC Neapel kam er seit 2020 in 78 Spielen auf ganze 46 Tore, dies ist ein Wert von im Schnitt einem Tor in weniger als 180 Minuten. In der aktuellen Saison kam er sogar auf 28 Tore in 36 Spielen, das heißt in so gut wie jedem Spiel ein Tor.

Ebenso niemand auf dem Zettel hatte vor der aktuellen Saison den 22jährigen Georgier Khvicha Kvaratskhelia – Dinamo Tiflis, Rubin Kasan, FC Rustawi und der FC Dinamo Batumi, dies sind die Clubs, für die „Kvaradona“ vorher seine Schuhe schnürte. Zuzüglich sollte er als Flügelstürmer und sich zwischen den Halbräumen bewegender 10er auch noch den zuvor aus Neapel abgewanderten langjährigen italienischen Nationalspieler Lorenzo Insigne ersetzen, ein Druck, der für Kvaratskhelia kaum größer sein konnte.

Dennoch entwickelte sich ausgerechnet dieser Georgier zum sofortigen Publikumsliebling, erinnerten doch insbesondere seine aberwitzigen Solodribblings an die argentinische Vereinslegende von 1990. Auch neben dem Platz wusste er mit seinem Humor durchaus zu unterhalten, so gründete er beispielsweise im Netz ein Tutorial, wo er den Fans wie in einem Fremdsprachenkurs beibrachte, auch seinen vollen Namen richtig auszusprechen.

Bei diesem magischen Dreieck geht dann der Dritte im Bunde fast ein bisschen unter. Dennoch sind sich die meisten Experten einig, dass kaum ein Spieler für den Erfolg der SSC so entscheidend mitverantwortlich war wie Stanislav Lobotka (28). In der Gazzetta dello Sport verglichen ihn einige Italienische Experten sogar mit Real-Madrid-Mittelfeldmotor Luka Modric, nicht zuletzt aufgrund seiner oft tödlichen Pässe in die gefährlichen Strafraumzonen.

Die südkoreanische Mauer und das italienische Sturmfeuerwerk

Doch auch ein weiterer Spieler darf in der Erfolgsgeschichte der Neapolitaner natürlich nicht ungenannt bleiben: Der südkoreanische Nationalspieler und Abwehrorganisator Min-Jae Kim. Mit insgesamt 171 abgefangenen Pässen ist er in dieser Statistik Nummer drei in der Rangliste aller Abwehrspieler in den fünf europäischen Top-Ligen.

Und eine italienische Achse für die der SSC Neapel als stark heimatverbundener Club immer berühmt war? Diese findet sich tatsächlich erst auf dem zweiten Blick. Dennoch waren auch die Stürmer Matteo Politano und Giacomo Raspadori, mal in der Startelf, mal als Joker eingesetzt, ein nicht unerheblicher Teil von Neapels zum Teil fast überrumpelnden Offensive. Oft wurden sie hierbei natürlich auch von von Giovanni Simeone unterstützt – ausgerechnet von dem Spieler, dessen Vater (Diego Simeone, seit 2011 Cheftrainer bei Atletico Madrid) wie kein ein anderer Trainer in Europa für gnadenlosen Defensivfußball steht.

Für die Defensive der Neapolitaner war hingegen Schlussmann Alex Meret mitverantwortlich für die trotz offensiven Spielstils über weite Strecken sattelfesten Strafraumabsicherung. Mit seinen gerade mal 23 Gegentoren sorgte er dafür, dass selbst Kontermannschaften, von denen es in Italien bekanntlich sehr viele gibt, der SSC so gut wie nie gefährlich werden konnten.

Titelverteidigung oder Spielereinkaufstheke der Big Money Players? Wie geht es weiter mit der SSC?

Somit bleibt abschließend nur die Frage: War und ist diese goldene Generation eine Eintagsfliege oder der Anfang einer künftigen sich auch noch die nächsten Jahre durchziehenden Wachablösung aus dem italienischen Süden? Die Gefahr für die Stadt am Fuße des Vesuvs könnte darin liegen, dass zwischen den beiden Top-Scorern der Mannschaft und Platz drei eine dann doch recht große Lücke klafft.

Denn belegen die beiden Top-Scorer (Torschützenkönig Osimhen mit 27 Scorerpunkten und Kvaratskhelia mit 22 Scorerpunkten) derzeit beide die Top 3 der italienischen Liga, so ist der offensiv drittstärkste Spieler Piotr Zielinski mit 10 Scorer-Punkten derzeit nur auf Platz 30 zu finden.

Die Gefahr ist also gegeben, dass der Verein - sollte die SSC diese beiden Spieler oder einen von ihnen im Sommer verkaufen - den offensiven Qualitätsabfall dann doch so leicht nicht kompensieren kann. Zudem verlässt mit Luciano Spalletti der Meistertrainer den Klub, ein schwerer Verlust nach einer grandiosen Spielzeit.

Allerdings - das hat man Ende der Saison 2021/22 nach dem Abgang des vorherigen Sturmduos Dries Mertens und Neapel-Legende Lorenzo Insigne auch schon befürchtet – und wurde schnell eines Besseren belehrt. Es wird aber maßgeblich auch von Vereinspräsident (und Filmemacher) Aurelio de Lorentiis abhängen. Wie groß ist sein Ehrgeiz die Meisterschaft auch in der nächsten Saison zu verteidigen? Und wie lange wird er dabei astronomischen Mondangeboten von sich finanziell nach wie vor in völlig anderen Sphären aufhaltenden Vereinen wie Manchester City oder Paris St. Germain für Spieler wie zum Beispiel Osimhen widerstehen können?

Teile den Post
Leon

Goldene Generationen: Norwegen - ein Halbfinalist für die EM 2024?

Wenn wir von aufkommenden Top-Talenten im europäischen Fußball reden, reden wir in Europa derzeit immer und immer wieder von den gleichen Nationen: Frankreich, England, Spanien und Portugal.

Auch Deutschland und Italien haben lange zu diesen Platzhirschen gehört, wenn auch insbesondere in Deutschland die Nachwuchsarbeit derzeit etwas stagniert. (Bild: IMAGO / Gonzales Photo)

Doch neben diesen sogenannten "großen Nationen" gab es auch immer wieder die Nationen, die kurz zuvor noch niemand auf dem Schirm hatte: Länder mit zum Teil weit unter 10 Millionen Einwohnern, die auf einmal aufblühten, nicht nur wegen ihres einen großen Stars, sondern vielmehr dank einer plötzlichen Ansammlung herausragender Spieler, die durch irgendeinen Zufall alle in eine Dekade gebeamt wurden und dank ihrer Herkunft auf einmal alle in einer Nationalmannschaft landeten.

Diese goldenen Generationen sind dabei so alt wie der Fußball selbst: Uruguay, mit seinen gleich zwei WM-Trophäen 1930 und 1950 bis heute das kleinste Land, was jemals eine Fußballweltmeisterschaft gewann - Ungarn, Anfang der 50er bis zum "Wunder von Bern" über Jahre hin für jede andere Mannschaft unschlagbar - Polen, mit Stars wie Grzegorz Lato und Zbigniew Boniek vielleicht das Überraschungsteam der 70er - Rumänien und Bulgarien, Anfang der 90er bärenstark und von jedem Gegner gefürchtet - Belgien, von 2018-2021 Spitzenreiter der FIFA-Weltrangliste und natürlich nicht zuletzt Kroatien, das kleine 3,8-Millionen-Einwohnerland und derzeit eine der Nationalmannschaften der Stunde.

Was all diese goldenen Generationen gemeinsam haben: Sie alle eint das Schicksal des Vogel Phönix. Sie kommen urplötzlich hervor aus der Asche, versinken dann aber auch schnell wieder in ihr, sprich irgendwo im Niemandsland des Weltfußballs.

Denn im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich oder Brasilien zeigt sich hier dann doch, dass sie trotz hervorragender Nachwuchsförderung wegen der geringen Einwohnerzahl einfach nicht die Möglichkeiten haben, ständig wieder und wieder neue Messis oder Modrics zu entdecken.

Oder tippt heute noch jemand ernsthaft auf eine Teilnahme des Europapokal-Siegers von 1986 Steaua Bukarest in der KO-Runde irgendeines nennenswerten internationalen Wettbewerbs oder auf Bulgarien in einem WM-Halbfinale (wie 1994)? Wohl eher nicht.

Das Schöne und Spannende an diesen goldenen Generationen aber ist: Wo an einem Fleck der Erde eine goldene Generation zu Ende geht (dies musste nicht zuletzt Belgien beim letzten WM-Turnier in Katar schmerzlich erleben), steigt woanders eine neue wieder auf. Warum also nicht mal in Norwegen?

Denkt man an das Land Norwegen, denkt man zunächst einmal an wunderschöne Fjorde, malerische Seen, wie auch an endlose Sommernächte. Und schaut man auf den Globus, denkt sich der ein oder andere sicherlich auch: Hmmm, komisch, das Land ist doch gar nicht so klein. Das stimmt. In der Tat ist Norwegen von seiner Gesamtfläche her sogar größer als die gesamte britische Insel. Von seiner Einwohnerzahl ist es jedoch mit 5,4 Millionen Einwohner nicht einmal halb so groß wie Belgien.

Wie also kann man Norwegen derzeit ernsthaft als einen kommenden First-Class-Zocker im Weltfußball sehen?

Zum einen wäre da natürlich der Eine - der aktuell größte leuchtende Stern Norwegens: Erling Haaland, 22 Jahre jung, und derzeit Mittelstürmer bei Manchester City. Über die Tatsache, dass Erling Haaland derzeit weltweit zu den talentiertesten und besten Fußballern zählt, gibt es sicherlich keine zwei Meinungen. Seine Rekorde sind schon in diesem jungen Alter so unglaublich, dass einem jede Fantasie fehlt, wie er es anstellen soll, nicht eines Tages rekordtechnisch in der Liga Cristiano Ronaldo oder Messi zu landen. Kaum einem anderen Fußballer weltweit, wenn überhaupt vielleicht noch Kylian Mbappé, traut man derzeit zu, eines Tages in diese übergroßen Fußstapfen treten zu können.

Alleine in der Bundesliga schoss Haaland in 89 Spielen ganze 86 Tore, was für alle Stürmer mit über 25 Toren, die je in Deutschland gespielt haben, jetzt schon die historische Bestmarke aller Zeiten ist. Und falls es nach seinem Wechsel vom BVB zu Manchester City im Sommer 2022 noch irgendjemanden gab, der darauf spekulierte, die Premier League könne diesen Ausnahmestürmer vielleicht zumindest wieder etwas "menschlich" wirken lassen, wurde sehr schnell eines besseren belehrt: 17 Tore in seinen ersten 11 Pflichtspielen unter Pep Guardiola, 3 Hattricks alleine in der Hinrunde 2022/2023, wie auch nicht zuletzt beim 6 : 3 Derby-Sieg gegen Manchester United sein 103. Treffer in seinem 100. Pflichtspiel auf Clubebene.

Mit diesen schier unmenschlichen Rekordzahlen könnte man noch Seiten füllen. Viel spannender scheint aber derzeit die Tatsache, dass Haaland längst nicht mehr der einzige Norweger ist, der in der Premier League absolute Ausnahmeleistungen bringt.

Noch mindestens ein weiterer Norweger zählt nämlich derzeit zu den talentiertesten Spielern der für viele immer noch besten Liga der Welt. Dieser Spieler ist dabei zuzüglich noch einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass sein Verein grade an der Tabellenspitze in genau dieser Liga steht: Mittelfeld-Allrounder Martin Odegaard vom FC Arsenal.

Wie kaum ein anderer Spieler verbindet man Odegaard mit dem furiosen Comeback der Gunners im europäischen Spitzenfußball. Oder wie die Daily Mail kurz nach seinem völlig verrückten No-Look-Pass beim 4:3 gegen Brighton auch kommentierte:

„Ganz England liegt Odegaard zu Füßen. Mit seinem Spiel und seiner Leichtigkeit sieht er aus wie ein ehemaliger Galactico und ist derzeit einer der besten Spieler der Premier League. Mit einem Odegaard in dieser Form ist für den FC Arsenal momentan alles möglich."

Ein Martin Odegaard in seiner aktuellen Form könnte somit auch das Herzstück der norwegischen goldenen Generation sein, ähnlich wie es ein Kevin de Bruyne für Belgien war oder ein Aaron Ramsey für Wales war - ein Aaron Ramsey, der zu seiner Prime ebenfalls Spielmacher beim FC Arsenal und mit verantwortlich dafür war, dass die Waliser rund um Superstar Gareth Bale bei der EM 2016 ebenfalls als absoluter Außenseiter ins Halbfinale ziehen konnten.

Denn auch das zeigt die Geschichte all jener goldenen Generationen: Wo immer eine kleinere Nation mit einem herausragenden Knipser gesegnet war, so hatte sie im Erfolgsfall doch immer noch mindestens einen weiteren Dirigenten im Mittelfeld, der seinen scheinbar komplett zugestellten Stürmerstar mit den entscheidenden genialen Schnittstellenpässen bediente, die diesen am Ende dann erst richtig zur Entfaltung kommen ließ. Hidegkuti und Puscas (1954), Seedorf und Bergkamp (1998) wie auch Modric und Mandzukic (2018) sind hier nur einige prominente Bespiele. Odegaard und Haaland hätten aktuell definitiv das Zeug dazu als zwei der besten Spieler der Premier League ein ähnliches Duo zu bilden.

Bundesliga-Fans mag aktuell noch ein weiterer Name aufgefallen sein, wurde er doch gradeerst als Winterneuzugang vom BVB verpflichtet: Julian Ryersson, der ebenso wie sein Landsmann Morten Thorsby bis zu seinem Wechsel Stammspieler beim 1. FC Union Berlin war. Ryersson dankte den Dortmunder für deren Vertrauen, in dem er sich und den BVB bereits im 2. Spiel gegen Mainz 05 mit einem Tor belohnte. Doch auch in der Defensivarbeit zeigte Ryersson in den letzten Jahren mehr und mehr seine Ausnahmeklasse. Ein kleines statistisches Beispiel: Mit einem Schnitt von 60 gewonnenen Zweikämpfen pro 90 Minuten lag er nur knapp hinter Bayern-Neuzugang Joao Cancelo (63), der bei Manchester City lange Zeit zu den besten Spielern der Welt auf seiner Position zählte.

Derweile tummeln sich auch in anderen europäischen Ligen immer mehr neue hochtalentierte Norweger. Nicht zuletzt der derzeit herausragend aufspielende SSC Neapel hat sich hier, auch mit Blick auf die Zukunft, mit dem 22jährige Leo Ostigard in der Defensive verstärkt. Dieser könnte aktuell gemeinsam mit dem schon etwas erfahreneren Birger Meling von Stade Rennes beispielsweise ohne Probleme das Innenverteidigerduo der Skandinavier bilden, ein Innenverteidigerduo auf mit Sicherheit gehobenem europäischen Niveau.

Insgesamt sind es sage und schreibe ganze 23 Spieler mit norwegischem Pass, die in der Saison.

2022/2023 mit ihren Teams europäisch überwintern konnten. Darunter fallen Fredrik Oppegard vom PSV Eindhoven (der als gelernter Linksverteidiger mit Ryersson, Meling und Ostigard z.B. die norwegische Viererkette komplettieren könnte), Marcus Pedersen von Feyenoord Rotterdam, Kristoffer Zacharias und Joshua King von Fenerbahce, wie auch Fredrik Aursnes von Benfica Lissabon als mögliches defensives Pendant zu Martin Odegaard im Mittelfeld.

Einzig und allein die Torwart-Position könnte noch eine gewisse Schwachstelle darstellen, da Leipzig-Keeper Orjen Nyland derzeit nur die Nr. 3 im Verein ist und daher aktuell nur über wenig Spielpraxis verfügt. Auch U21-Keeper Klaesson (Leeds United) konnte sich in der A-Nationalmannschaft bislang noch nicht festspielen. Hier greift man daher derzeit vor allem auf André Hansen (FK Rosenborg) zurück, der allerdings bislang nur in kleineren Ligen zwischen den Pfosten stand.

Das absolute Herzstück der Norweger jedoch ist und bleibt der Sturm und das auch neben Erling Haaland. Hier fand der von RB Leipzig an den spanischen Europa-League-Teilnehmer Real Sociedad verliehene Alexander Sörloth zuletzt auch abschlusstechnisch zu immer stärkerer Form. Zuzüglich wirbelt neben ihm noch Southhamptons Mohammed Elyounoussi auf der rechten Außenbahn und auch den zuletzt von Eintracht Frankfurt an Gent verliehenen Jens-Petter Hauge sollte man im Auge behalten.

Und schließlich wäre da last but not at least auch noch er - eines der vielleicht größten Talente im europäischen Fußball derzeit überhaupt und erst kürzlichst von Benfica Lissabon verpflichtet: der erst 18jährige Andreas Schjelderup.

Diese 10 Minuten Fußballkunst zeigen in etwa zu welchen herausragenden Aktionen in Sachen Dribbelstärke, Passgenauigkeit und Abschlussstärke der junge Mann jetzt schon fähig ist:

Mit 22 Toren für den dänischen Underdog FC Nordsjaelland wurde er in der vergangenen Saison mit haushohem Abstand Torschützenkönig in der dänischen Liga, wobei (und das macht das Potenzial im Sturm dieser kommenden norwegischen Generation noch größer) er im Gegensatz zu Erling Haaland eben nicht dieser klassischer 9er ist.

Seine größte Stärke liegt vielmehr in seiner Variablität, seiner Entscheidungsfindung und seiner Gradlinigkeit. Fast immer weiß er, wann es an der Zeit ist ins Dribbling zu gehen, den Abschluss zu suchen oder die Verteidiger in Räume zu ziehen von wo aus er dann seine Mitspieler in Szene setzen kann. Gefürchtet sind desweiteren seine Innenrißschlenzer aus zum Teil unmöglich scheinenden Positionen, die zum Teil schon fast an die französische Stürmerlegende Thierry Henry erinnern.

Mit all diesen Anlagen könnte Andreas Schjelderup schon jetzt einer der spannendsten Spieler

2023/2024 europaweit werden und gemeinsam mit Erling Haaland gemeinsam eines der gefährlichsten Sturmduos im europäischen Nationalmannnschaftsfußball - Anführer einer neuen goldenen Generation: Norwegen, für mich derzeit der heißeste Anwärter auf das Überraschungsteam der EM 2024 in Deutschland.

Teile den Post