18+ | Spiele mit Verantwortung | Es gelten die AGB | Glücksspiel kann süchtig machen | Wir erhalten Provisionen von den aufgeführten Wettanbietern

Leon

Die neuen Pläne von Jogi Löw

Schon seit längerem ist bekannt, dass Ex-Bundestrainer und Weltmeister Joachim Löw auf der Suche nach einer neuen Herausforderung ist. Nun ist es raus: Jogi Löw wird ab Juni 2025 die Nationalmannschaft von Katar übernehmen. Aber nicht nur das: Wie nun durchgesickert ist, engagiert sich Löw bereits seit langem für eine, nach dem Vorbild der Baller League orientierten, Frauen-Underground-Liga in eben jenem Land. Der Titel dieser Liga: Die One-Love-Super-League. (Bild: IMAGO / Nico Herbertz)

Lange war es ungewiss, wie der weitere Karriereweg von Joachim Löw aussehen würde. Was er, insbesondere gegenüber der BILD-Zeitung, wieder und wieder betonte, war, dass er in jedem Fall keinen Bundesligaclub mehr übernehmen würde. Ihm ging es, so Löw erst kürzlich bei einem Interview auf Welt TV, darum "dass er sich bei einem Projekt wohl fühle und das Gefühl hätte, dort etwas aufbauen zu können. Ob dass der Job als Nationaltrainer für eine große Fußballnation wäre oder die Herausforderung, etwas entwickeln zu können, wäre dabei völlig unerheblich".

Nun ist es also Katar geworden, was viele Fans des schwäbischen Fußballprofessors zunächst einmal verwundert. Dennoch, so Löws Pressesprecher Mark Wannweiler in einem Interview, ging es hier nicht nur um Fußball. Viel mehr wolle er den Weg zu Ende gehen, die die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der WM in Katar schon erfolgreich gegangen ist, nämlich Zeichen für Menschenrechte und Missstände zu setzen. Die "One Love Super League" in Katar wäre dabei genau so ein Zeichen, als Logo natürlich eine vor den Mund gehaltene Hand, die noch einmal mehr symbolisieren soll: Wir als Deutschland werden nach wie vor nicht schweigen, wenn es um Menschenrechte in anderen Ländern geht und mit dieser Liga das vollenden, was während der WM in Katar schon so begeistert aufgenommen wurde.

Ob die Protagonisten, die in jener Baller League tatsächlich auflaufen, tatsächlich weiblich, männlich oder divers sind, wäre dabei völlig unerheblich, ebenso ob diese aus Katar, aus Deutschland oder den Vereinigten Staaten kämen. "Heutzutage geht es in erster Linie erstmal um Sichtbarkeit", so Wannweiler weiter. "Nur wenn man sichtbar für Solidarität und nachhaltige Veränderung steht, kann auch etwas bewirkt und ein Zeichen dafür gesetzt werden dafür, dass weitere politische Zeichen gesetzt werden. Diese Zeichen sorgen dann wiederum für weitere Zeichen, was in vielen politischen Fragen heutzutage oft weitaus wichtiger ist als tatsächliche Veränderung".

Löws Engagement in Katar wird also weit mehr sein als der reine Posten als Nationaltrainer. Und nicht nur das: Da natürlich auch Jogi Löw als nach wie vor brillanter und leidenschaftlicher Stadionbeobachter nicht entgangen ist, dass die katarische Nationalmannschaft bei der vergangenen WM große Tempodefizite hatte, sollen alle Spieler(innen) folglich nur noch mit einem Lastenfahrrad zum Training kommen auf dem mindestens 20 große schwere Medizinbälle befestigt sind, ganz nach dem Vorbild von Ex-Bayern-Trainer und Medizinballfan Felix "Quälix" Magath: Leiden ist die beste Medizin.

"Magaths For Future", so daher auch der Name der Werbekampagne rund um diese Aktion, mit der die "One Love League" auch international mediales Aufsehen erregen soll. „So steigere man nämlich nicht nur das Leistungsvermögen der Spieler(innen), sondern setze sich zuzüglich auch noch für Klimaneutralität ein. Die Spieler(innen) leiden quasi für das Klima und zeigen damit eine deutliche Vorbildfunktion für alle die, die den Klimawandel nach wie vor auf die leichte Schulter nehmen". Dies sei grade in Zeiten von Donald Trump ein wichtiges Zeichen für die Weltöffentlichkeit, so Wannwieler.

Dass dies in Katar, insbesondere natürlich von Emir Tamin bin Hamad al Thani, begeistert aufgenommen wurde, versteht sich von selbst, ist man doch unter seiner Führung schon lange bestrebt in das Genfer Klimaabkommen einzutreten, sich aus der Abhängigkeit vom Erdöl zu lösen und sich stattdessen alternativen Energien zu widmen.

Auch Gianni Infantino hat sich bereits auf X zur Thematik Löw und Katar geäußert und zwar mit den wie immer rhetorisch brillanten Worten „I am man, I am woman, I am diverse: No! I am bycicle, I am: One love league." Ob diese Formulierung allerdings ernst gemeint oder wieder einmal infantino-typischer Zynismus war, scheiden sich allerdings die Geister.

Wir von Kickfieber wünschen Jogi Löw in diesem Sinne alles Gute für dieses innovative Projekt und natürlich auch für seine künftige Anstellung als katarischer Nationaltrainer. Denn Hand aufs Herz, was wäre es für eine Geschichte, wenn es Löw gelingen sollte, bei der WM sogar bis ins Finale zukommen und dort dann ausgerechnet auf Julian Nagelsmann zu treffen. Ob die deutschen Fans dann noch einmal vier Jahre warten müssten bis sie Weltmeister werden? Bevor das passieren könnte, müsste sich dieser Aprilscherz allerdings zunächst einmal bewahrheiten. In diesem Sinne: April April.

Teile den Post
Leon

2. Bundesliga: Das Grande Finale – wer steigt am Ende auf?

Wann hat man das in Deutschland das letzte Mal erlebt? Dass acht Spieltage vor Schluss immer noch nur acht Punkte zwischen dem 9. und dem 1. Platzierten einer Ligatabelle stehen und somit alle neun Teams der 2. Bundesliga noch absolut realistische Chancen auf den Aufstieg haben? Dass trotz dieses engen Rennens mit Schalke 04 und Hertha BSC zwei der größten Namen dennoch nicht mal dabei sind? Dass zudem sogar die pessimistischsten HSV-Fans auf einmal wieder ernsthaft anfangen von Bundesliga-Spielen gegen Bayern München und Borussia Dortmund zu träumen? (Bild: IMAGO / Matthias Koch)

Und mittendrin – wie der kleine Wimpelfisch zwischen den Blauwalen - immer noch dieses kleine saarländische Dorf mitmischt, in das es nicht einmal eine Regionalbahnverbindung gibt: Spiesen-Elversberg – ein Verein, der sich anschickt, das noch viel „frechere“ Heidenheim zu werden und damit wieder mal beweist, was gute kontinuierliche Arbeit bewirken kann. Hinzu noch der erfolgreichste WM-Torschütze als Trainer, ein Verein, der als einziger Verein Europas seine Fans kostenlos in die Stadien lässt, wie auch ein Club, der drauf und dran ist, der erste Bundesliga-Club aus Sachsen-Anhalt und der nächste Club nach Union Berlin zu werden, der es als großer ehemaliger DDR-Traditionsverein wieder nach ganz oben schafft: Solche großartigen Geschichten kann eben nur die 2. Liga schreiben.

Deswegen mal ein kleiner Blick auf die neun Aufstiegskandidaten im vielleicht spannendsten Aufstiegskampf aller Zeiten.

Teile den Post
Leon

Nations League 2025: Kann Deutschland den Titel gewinnen?

Die Playoffs sind gespielt und Deutschland qualifiziert sich zum ersten Mal in der noch jungen Geschichte des Turniers für das Final Four der Nations League. Zum Teil furios präsentierte sich das Team von Julian Nagelsmann in den beiden Playoff-Duellen gegen Italien. Doch wie sehr kann sich Deutschland bereits als Favorit bezeichnen? Und inwiefern hat sich damit die Gesamtwahrnehmung der Deutschen auf die Nations League geändert? (Bild: IMAGO / osnapix)

Die Nations League nur eine Fake-EM?

Brauchen wir das? Oder kann nicht einfach alles so bleiben wie es war? Dies ist eine Frage, die sich deutsche Fußballfans in jüngerer Zeit bei vielen Neuerungen im Profifußball gestellt haben. Gefühlt wird alles im Fußball immer mehr, immer größer, immer teurer, während die wahre Leidenschaft für den Fußball immer geringer wird: Dieses Gefühl, wo sich jeder Fußballfan nostalgisch an seine Kindheit erinnern kann, an sein erstes großes WM- oder EM-Turnier, wo man mit wehender Fahne jubelnd und singend mit dem Autokorso mitgefahren ist oder vor dem Brandenburger Tor mit tausenden anderen Fans mitgefiebert oder, wie zum Beispiel beim Halbfinale des Sommermärchens 2006, mitgetrauert hat.

Die Frage, ob die Nations League Nationalmannschaftsfußball wieder attraktiver macht, ist daher ähnlich wie die nach dem Strandurlaub am Meer. Sind zwei Wochen am roten Meer in Ägypten so schön und erholsam, weil das rote Meer wirklich so schön ist oder weil man sie eben nur einmal im Jahr erlebt oder - wieder auf den Fußball bezogen - ist eine WM oder eine EM vor allem deswegen so ein besonderes Erlebnis, weil man Länderspiele wie Deutschland gegen Italien, bei denen es sogar um einen Titel geht, eben nur alle zwei Jahre erlebt? Viele Fußballfans vertreten diese These, hier muss man aber auch sagen: Wenn die menschliche Psyche so funktioniert, dann dürfte man sich theoretisch auch nur alle zwei Jahre verlieben, das für 1-2 Monate genießen, um dann wieder 22 Monate Single zu sein. Die Wahrheit liegt also, wie immer, irgendwo in der Mitte.

Was man grundsätzlich beim Thema Nations League nicht vergessen darf: Sicherlich ist der Fußball in erster Linie für die Fans da, ausführen tun ihn aber immer noch die Spieler. Und sich hier einerseits darüber zu beschweren, dass Länderspiele vom fußballerischen Niveau, im Vergleich zu Champions League Spielen auf höchstem Niveau, immer unattraktiver werden, gleichzeitig aber Länderspiele auf Top-Level nur alle zwei Jahre haben zu wollen, halte ich für schwierig. Denn wie soll eine Nationalmannschaft bei einer WM- oder EM nur ansatzweise an das Niveau einer Vereinsmannschaft kommen, wenn Spiele gegen große Gegner, bei denen es auch um was geht, nur alle zwei Jahre stattfinden?

Gerade der Zusammenhalt eines Teams unter Druck ist hier von zentraler Bedeutung. Auch müssen Teamhierarchien gebildet werden, Abläufe zwischen den Mannschaftsteilen trainiert werden und nicht zuletzt auch das In-Game-Coaching eines Trainers während eines K.O.-Spiels muss sich entwickeln.

Wie aber soll das gehen, wenn eine Nationalmannschaft, die bei einem großen Turnier vielleicht sogar um den Titel mitspielen soll, bis auf 2-3 Testspiele vorher, den Ernstfall eines K.O.-Spiels noch nie gemeinsam durchlebt hat? Wie soll eine Mannschaft wie zum Beispiel Deutschland 2026 Chancen auf den WM-Titel haben, wenn die Spieler erst dort merken, dass K.O.-Spiele gegen große Gegner sich zwei Jahre zuvor noch ganz anders angefühlt haben, wo in kniffligen Situationen beispielsweise noch Führungsspieler wie Toni Kroos, Thomas Müller oder Manuel Neuer auf dem Platz standen? Dies und andere Dinge kann eine Mannschaft nun mal nicht bei einem Freundschaftsspiel, wo es bestenfalls um Prestige geht, oder einem WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein trainieren.

Die Nations League ist also in erster Linie extrem wichtig, damit das fußballerische Level von Länderspielen auch in Zukunft noch mit dem von Champions-League-Spielen mithalten kann und hier muss sich auch der Vereinsfußball irgendwann mal anpassen. Insbesondere den Franzosen und den Engländern merkte man bei der vergangenen EM an, dass viele der Spieler, die gerade eine komplette Premier-League, La-Liga-, Bundesliga-, oder Ligue-1-Saison mit einem Top Team hinter sich hatten, schlicht und einfach überspielt waren. Kylian Mbappé, Jude Bellingham, Harry Kane, Phil Foden, Aurélien Tchouameni, Kevin de Bruyne oder auch Bernardo Silva – was hatte man für Erwartungen an diese Superstars bei der vergangenen EM, dennoch konnte keiner der Stars sein Potenzial bei diesem Turnier abrufen. Und das nur, weil die Premier League neben dem FA-Cup, der Meisterschaft, dem FA-Supercup unbedingt noch einen weiteren Pokalwettbewerb brauch? Meines Erachtens wird hier viel zu viel Priorität auf den Vereinsfußball gelegt, der ohnehin schon mit Spielen und Wettbewerben überfrachtet ist.

In diesem Sinne: Ein Hoch auf die UEFA Nations League, einem der aktuell besten und spannendsten Wettbewerbe, der sich in den nächsten Jahren hoffentlich noch weiter etablieren wird und natürlich Glückwunsch an Deutschland, sich zum ersten Mal für das Final Four Turnier qualifiziert zu haben.

Deutschland und die Nations League

Denn ein Schelm ist, wer vermutet, dass die Tatsache, dass die Nations League grade in Deutschland so unbeliebt war, möglicherweise auch was damit zu tun haben könnte, dass Deutschland in diesem Wettbewerb vorher noch nie über die Ligaphase hinausgekommen ist. Eine Party, zu der nur „die coolen“ eingeladen sind, man selbst aber nicht, ist halt in erster Linie immer erstmal uncool. Hier muss man den Erfindern der Nations League zumindest vorwerfen, dass das Timing ein bisschen schlecht war, sich bei deutschen Fans beliebt zu machen. Denn ausgerechnet im Jahr 2018/2019, wo die erste Nations League stattfand, begann mit dem Ausscheiden der Deutschen in der Vorrunde bei der WM in Russland, eine sechsjährige Dauermisere der deutschen Nationalmannschaft, die Fans nur noch frustrierte und sowohl Jogi Löw als auch wenig später seinem Nachfolger Hansi Flick den Job kostete. Insbesondere Deutschlands Auftritte in der Nations League, gekrönt vom 0:6 gegen die Spanier, waren hier in den letzten Jahren schlichtweg peinlich.

Dazu gehörten auch die ständigen Absagen von Nationalspielern vor Länderspielpausen, die genau dann auf einmal Kopfschmerzen am Fuß oder irgendwelche anderen Zipperlein hatten, weswegen sie, kaum dass eine Nations-League-Pause anstand, auf einmal keinen Fußball spielen konnten.

Auch den Spielern, die sich dennoch erbarmten zu erscheinen, merkte man sowohl neben als auch auf dem Platz an, dass sie im Kopf schon die Tage zählten, wo sie endlich wieder mit ihrem Verein trainieren konnten. Kurzum: Aus dem berühmten Satz „Ein Spiel hat 90 Minuten und am Ende gewinnen immer die Deutschen“ wurde „Ein Spiel hat 90 Minuten und am wenigsten Bock drauf haben die Deutschen.“

Dass damit der Unmut der deutschen Fußballfans über Nations-League-Spiele größer und größer wurde, erscheint angesichts dessen schon fast logisch. Bis schließlich der Mann kam, der alles veränderte: Julian Nagelsmann.

Nicht nur, dass er es schaffte mit Hilfe der Heim-EM 2024 wieder eine Euphorie in Deutschland zu erschaffen oder aus jungen Talenten wie Jamal Musiala und Florian Wirtz zwei absolute Identifikationsfiguren für Deutschland zu machen, er betonte vor allem immer: „Wir wollen alles gewinnen, jedes Turnier, auch die Nations League.“ Und in einem gibt ihm die Historie auf jeden Fall Recht: Ausgerechnet Deutschlands Angstgegner Spanien hat es nämlich schon vorgemacht. Denn wie Trainer und Spieler bis heute betonen, war der Gewinn der Nations League 2023/24 für Spanien gleichzeitig auch der Startschuss der neuen spanischen goldenen Generation rund um Nico Williams, Pedri und Lamine Yamal, die direkt darauf Deutschland zu Hause den EM-Titel buchstäblich in einem Spiel aus den Händen riss. Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland die nächste Nation sein könnte, denen das das Double aus Nations League und WM-Sieg gelingt? Die Fans trauen dem Team jedenfalls einiges zu, wie unsere Umfrage zeigt.

Portugal: Deutschlands Halbfinalgegner

Portugal ist Deutschlands Gegner für das Halbfinale der Final 4 in München und im Gegensatz zu den Spaniern, gegen die man seit 1988 kein einziges Pflichtspiel mehr gewann, so etwas wie Deutschlands Lieblingsgegner bei großen Turnieren. Denn auch wenn Portugal in diesen Duellen nahezu immer mit der größeren Starpower antrat (man denke an Luis Figo 2006 oder Prime Cristiano Ronaldo 2014, als man den Deutschen mit 0:4 unterlag), hier galt dann doch noch der alte Satz: Am Ende gewinnen halt immer die Deutschen.

Dennoch ist Portugal als Gegner nicht zu unterschätzen. Trainiert vom Ex-Belgien-Trainer Roberto Martinez gewannen die Portugiesen in der gesamten Ligaphase der Nations League ausnahmslos jedes Spiel. Erst im Hinspiel der Playoffs kassierte man gegen Dänemark seine erste Niederlage. Auch im Rückspiel zeigte sich eine, sich diese Saison auch im Verein durchziehende, Formschwäche von Bruno Fernandes (Manchester United) und Bernardo Silva (Manchester City) und auch einem 40-jährigen Cristiano Ronaldo merkte man wieder mal an, dass selbst ein Spieler wie er den Zahn der Zeit nicht besiegen kann. Nicht einmal an seine unnachahmliche Kaltschnäuzigkeit als Elfmeterschütze konnte er im Rückspiel mehr anknüpfen und wirkt somit mehr und mehr wie ein Spieler, der nicht loslassen kann. Zu seiner Verteidigung muss man aber auch sagen, dass die Tatsache, dass er dennoch immer noch Stammspieler in der Nationalmannschaft ist, auch dem geschuldet ist, dass seine potenziellen Nachfolger im Sturm Gonzalo Ramos (Bankdrücker bei Paris St. Germain)und Rafael Leao (AC Milan) derzeit alle mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben, von Joao Felix (FC Chelsea) ganz zu schweigen, der schon seit Jahren nicht mehr das einlöst, was man einst in ihm sah.

Somit sollte ein Sieg der Deutschen in ihrer absoluten A-Besetzung gegen Portugal eigentlich möglich sein, vorausgesetzt man schafft es die klare Ballbesitzmannschaft zu sein. Denn dies zeigte sich insbesondere beim Playoff-Rückspiel gegen Italien: Wenn Deutschland einer technischen spielstarken Mannschaft den Ball überlässt, wird es gefährlich. Hier hat Deutschland, im Vergleich zu anderen Top-Teams, derzeit noch nicht die Mittel, solche Angriffswellen souverän weg zu verteidigen, insbesondere nicht ausgeführt von einem in seiner Gesamtheit so herausragend besetzten Sturm wie dem von Portugal. Dauerdruckphasen wie die von Italien in der zweiten Halbzeit des Rückspiels gilt es also gegen Portugal unbedingt zu vermeiden, dann lieber den ein oder anderen Toni-Kroos-Gedächtnisquerpass mehr. Sonst kann das Ziel Nations-League-Finale 2025 für Deutschland auch ganz schnell schief gehen.

Das andere Halbfinale ist quasi die Revanche für das Halbfinale der EM 2024, als die beiden bei diesem Turnier zweifelsohne neben Deutschland spielstärksten Mannschaften aufeinander trafen: Frankreich und Spanien.

Frankreich: Schon fast zu viel des Guten?

Bei Frankreich steht und fällt bei diesem Turnier, welches auch in die letzte Amtszeit von Trainer Didier Deschamps fällt, alles mit einer geordneten Hierarchie und einer eingespielten Mannschaft.

Denn grade in der jüngeren Vergangenheit zeigte sich mehr und mehr, dass trotz aller Starpower von Spielern wie Kylian Mbappé, Antoine Griezman, Ousmane Dembelé oder dem auch in der Nationalmannschaft immer mehr aufblühenden Neu-Bayern-Star Michael Olise. die Leistungen der Franzosen im letzten Jahr alles andere als konstant waren. So verlor man schon das erste Spiel in der Nations-League-Ligaphase im September 2024 mit 1:3 gegen Italien, im November folgte ein spielerisch mehr als dürftiges 0:0 gegen Israel. Auch im Hinspiel der Playoffs gegen Kroatien verlor man mit 0:2 und konnte diesen Rückstand nur maximal knapp im Elfmeterschießen noch drehen.

Zu oft verliebt man sich in brotloses Ballbesitzspiel, was es für Mannschaften wie Kroatien einfach macht, sich hinten hineinzustellen und auf Konter zu lauern. Vergleicht man zudem die Startaufstellung der Franzosen zwischen dem Israel-Spiel und dem Kroatien-Spiel, fällt einem zudem auf, dass nur 2 Feldspieler bei beiden Partien in der Startelf standen. Gewiss, man sagt nicht umsonst, Frankreich könne aufgrund der Fülle an Talenten auch mit 4 verschiedenen Nationalmannschaften um einen Nations-League-Titel mitspielen, nur funktioniert diese Einstellung, gepaart mit ständiger Rotation, in der Praxis nur bedingt. Ganz entscheidend für einen Erfolg der Franzosen in der Nations League und darüber hinaus wird daher sein, dass man es schafft eine Achse zu bilden, oder wie Julian Nagelsmann zu sagen pflegt: „Jeder Spieler muss seine Rolle im System kennen“.

Ganz entscheidend für das weitere Jahr 2025 sollte auch die Rückkehr von Kylian Mbappé in die Nationalmannschaft sein, der im Herbst 2024, obwohl nicht verletzt, nicht mal nominiert war, derzeit bei Real Madrid aber wieder aufblüht. Auch der weitere Verlauf der Champions-League-Saison von Paris St. Germain könnte von entscheidender Bedeutung sein, hat sich der Club doch vom ehemaligen Harlem-Globetrotter-Club rund um Messi und Neymar zu vielleicht aktuell der (!) Wiege für junge französische Talente entwickelt. Insbesondere die Entwicklung von Bradley Barcola (22), Desiré Doué (19) und Warren Zaïre-Emery (19) bei PSG sollte daher auch für Les Bleus von entscheidender Bedeutung sein.

Spanien: Deutschlands Angstgegner

Und Spanien? Nun, hier müsste man ja schon fast sagen: Wenn es einen Fußballgott gibt, müsste er ja schon beinahe dafür sorgen, dass Spanien ins Finale kommt, dort auf Deutschland trifft und hier dann am Ende wegen eines nicht gegebenen Handelfmeters mit 2:1 verliert, so wie es umgekehrt im Viertelfinale der Heim-EM 2024 der Fall war. Dennoch ist Spanien natürlich von all den drei verbliebenen Gegnern auch im Jahr 2025 der am schwierigsten zu schlagende Gegner. Für die Deutschen könnte höchstens das Fehlen vom aktuellen Ballon-d’or-Sieger Rodri ein Vorteil sein, der wegen seines Kreuzbandrisses auch das Finalturnier der Nations League verpassen wird. Allerdings sollte man aufpassen, denn im Gegensatz zu Manchester City haben die Spanier noch eine Reihe vergleichbarer Spieler im Kader, die Rodri’s Rolle als Holding Six zwar nicht komplett Eins-zu-Eins so ausfüllen können wie ihr Kapitän, dennoch – man denke an Spieler wie Martin Zubimendi, Fabian Ruiz, Pedri, Gavi wie auch an den nochmal weitaus offensivgefährlicheren Ex-Leipzig-Star Dani Olmo – den Deutschen mindestens genauso gefährlich werden können.

Meine Prognose daher: Deutschland schafft es 2025 das Finale der Nations League zu erreichen. Dort allerdings wird man erneut auf Spanien treffen, wo ich das Ergebnis derzeit bei 50/50 sehe. Auch ein Elfmeterschießen halte ich für nicht für ausgeschlossen, wo für Deutschland sprechen könnte, dass auch bei Spanien derzeit kein Keeper auf absolutem Weltklasseniveau zur Verfügung steht. Was aber viel wichtiger ist: Alle Spiele finden in Deutschland statt. Warum also nicht nochmal ein bisschen was von dem warmen Sommerwind der Heim-EM einatmen und die Spiele einfach genießen? Und wer weiß, vielleicht kann ja die Geschichte bei diesem Final-4-Turnier für Deutschland zumindest ein bisschen neu geschrieben werden, und damit weiterhin Hoffnung auf den WM-Titel 2026 machen.

Teile den Post
Leon

Goldene Generationen: Die belgische Nationalmannschaft 2018

Belgien hatte in den letzten Jahren (ein wenig überraschend) eine der individuell und kollektiv besten Nationalmannschaften weltweit auf dem Platz. Doch trotz all der Vorschusslorbeeren und mitreißenden Auftritten gelang es dem Team nie, einen großen Titel zu gewinnen. Ein Portrait zu der vielleicht vielversprechendsten Generation in der Geschichte des belgischen Fußballs. (Bild: IMAGO / Photo News)

Vom Außenseiter zur Jackson-11

Wenn man genauer hinsieht, dann könnten es glatt die Jackson 5 sein, die dort auf dem Feld stehen.“ Das und ähnliche Kommentare fielen in den Jahren 2014 bis 2021, als eine der vielleicht größten goldenen Generationen aller Zeiten auf dem Platz stand: Eine Nationalmannschaft, die ein kleines grade mal 11,8-Millionen-Einwohnerland vertrat, mit den beiden Lockenköpfen Axel Witsel und Marouane Fellaini, der Südstaatenrock-Frisur von Nacer Chadli und dem Mini-Iro von Radja Nainggolan die völlige Palette an Rockn-Roll-Feeling vertrat und zu jener Zeit den vielleicht schönsten Offensivfußballs Europas spielte: Belgien.

Diese Mannschaft war vielleicht der Inbegriff einer goldenen Generation und wurde zudem Turnier für Turnier von so vielen Leuten zum Geheimfavoriten erklärt, sodass man sich irgendwann selbst fragte, wie geheim dieser Tipp noch ist.

Belgien: Die Erben von Franz Schubert?

Noch heute ist die 7. Sinfonie des 1828 schon mit 31 Jahren verstorbenen Komponisten, besser bekannt als „die Unvollendete“, eine der bekanntesten und die vielleicht schönste Sinfonie aller Zeiten. Als „die Unvollendeten“ im Fußball könnte man auch die Belgier bezeichnen. Denn natürlich erwarteten alle von einer mit Superstars gespickten Stars wie Eden Hazard, Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku alle Titel. Dennoch schaffte man nur einmal, bei der WM 2018 in Russland, überhaupt das Halbfinale und war damit noch nicht einmal die erfolgreichste Mannschaft in der Geschichte der roten Teufel.

Diese stand nämlich 1980 auf dem Platz, als man rund um die Torwartlegende Jean-Marie Pfaff (ehemals FC Bayern) auf dem Platz, als man (in einem zugegebenermaßen nur aus acht Mannschaften bestehendem Turnier) das Finale erreichte.

Schaut man auf den Rest des Teams, sucht man jedoch relativ vergeblich nach großen Stars: Wilfried van Moer, René Vandereycken, Jan Ceulemans, alle bestenfalls Fußballfachmännern oder Fans älterer Generationen heute noch ein Begriff. Schließlich waren es die Deutschen, die durch zwei Tore von Horst Hrubesch schließlich doch noch um den großen Traum brachten. Für viele Bayern-Fans war dies schon fast eine Ironie des Schicksals, dass es damit ausgerechnet eine HSV-Legende war, die den Bayern-Schlussmann überwand und Deutschland somit zum zweiten EM-Titel verhalf nachdem bei der EM vier Jahre zuvor Uli Hoeneß seinen entscheidenden Elfmeter im Finale in den Belgrader Nachthimmel schoss.

2014: Ein neuer Versuch

Doch jetzt waren die Neuen waren am Start, eben jene Lukaku’s und der Bruyne’s auf dem besten Weg zu ihrem Karrierehöhepunkt. Vorbei war die Zeit, wo man nur der weniger glanzvolle Nachbar der Niederlande war. Zeit für die Jackson 11, mittendrin nun auch Mittelfeldspieler Radja Nainggolan, der insbesondere zu seiner Zeit beim AS Rom das Nachtleben und die italienischen Weinstuben zu genießen wusste und vor manchem Spiel auch mal beim Rauchen einer E-Zigarette erwischt wurde, der belgische Mario Basler, wenn man so wollte.

Als Trainer hatte man zu dem den Ex-Nationalstürmer Marc Wilmots (vielen sicher auch als Stürmer und kurzzeitig auch Sportdirektor von Schalke 04 ein Begriff).

Als Ex-Goalgetter entfachte er in der Mannschaft schon in diesem Jahr eine nahezu teuflische Genialität im Sturm, die ihrem Namen alle Ehre machte. Das einzige Problem blieb nur die Effizienz. Zwar wussten die Stars stets mit schönen Kombinationen zu überzeugen, oft fehlte dann aber der letzte Funken Kaltschnäuzigkeit vor dem Abschluss. So konnten Romelu Lukaku & Co zwar in der Gruppenphase alle Spiele gewinnen, diese allerdings (trotz mit Algerien, Russland und Südkorea vergleichsweise einfacheren Gegnern) immer nur mit einem Tor Vorsprung.

Das einzige Problem blieb ihre Effizienz, selbst das kongeniale Sturmtrio rund um De Bruyne, Hazard und Lukaku konnte zwar in der Vorrunde zwar alle Spiele gewinnen, jedoch immer nur mit einem Tor Vorsprung, trotz einem (im Schnitt) Chancenwert von über 75 Prozent. Dank eines wunderschönen Tors von Kevin de Bruyne schlug man im Achtelfinale auch die USA mit 2:1.

Im Viertelfinale musste man sich dann schließlich knapp und nach einem Tor in der 8. Minute von Gonzalo Higuain dem späteren Finalisten Argentinien geschlagen geben, einem Spiel, wo man sich aber durchaus auf Augenhöhe befand. Umso größer war die Erwartung der Fans an die kommende EM.

2016: Aus Jackson 5 wird Death-Metal

Spätestens hier hatte jeder die Mannschaft von Marc Wilmots als den absoluten Geheimfavoriten des Turniers im Kopf, auch weil in diesem Turnier viele sonstige Favoriten entweder gar nicht qualifiziert hatten (Niederlande), sich sportlich völlig blamierten (man denke an Englands Achtelfinal-Aus gegen Island) oder sich glanzlos und vielen Unentschieden durchs Tier mogelten, wie der spätere Europameister Portugal.

Einzig und allein das erste Gruppenspiel (0:2 gegen Italien), verlor man, die beiden Gegner Irland (3:0) und Schweden (1:0) schlug man dann allerdings um so souveräner. Der absolute Höhepunkt war dann schließlich das Achtelfinal-Spiel gegen Ungarn, die in ihrer Gruppe als Gruppenerster vor Österreich (Platz 2) und Portugal (Platz 3) eines der furiosesten Spiele in der jüngeren belgischen Geschichte ablieferte. Insbesondere Eden Hazard, der zuvor schon eine überragende Saison für den FC Chelsea gespielt hatte und mit seinem Verein ganze 118 Tage ungeschlagen blieb, war an diesem Abend absolut nicht zu halten.

Als neue überragende Spieler dieses Turniers konnten zuzüglich Torwart Thibaut Courtois (heute Stammtorhüter bei Real Madrid) und Abwehrchef Vincent Kompany (heute Trainer beim FC Bayern) auf sich aufmerksam machen. Hinzu stand bei diesem Turnier zum ersten Mal die Innenverteidigung rund um Thomas Vermalen und Jan Vertonghen absolut sattelfest und kassierte (abgesehen von der 0:2 Pleite gegen Italien im Auftaktspiel bis zum Viertelfinale kein einziges Tor. Der Sieg gegen Wales im Viertelfinale schien daher nur noch eine Formsache.

Doch dann kam alles anders. Ausgerechnet dem bis dato noch völlig unbekannte Trainer Chris Coleman gelang es die Belgier in diesem Spiel völlig auszucoachen. Dies tat er in dem er zum einen Kevin de Bruyne durch Aaron Ramsey manndecken ließ, zum anderen mit einer 5er-, man könnte fast sagen 7er-Kette dem Sturm, dem sich inzwischen auch noch Nacer Chadli (Tottenham) und Mitchy Batshuayi (Eintracht Frankfurt, Ex-Dortmund) gesellt hatten, jede Spritzigkeit nahm. Damit brachte er die roten Teufel von null auf hundert komplett aus dem Konzept, zumal man mit einem Gareth Bale, zu dem Zeitpunkt der wichtigste Spieler neben Cristiano Ronaldo im Real-Madrid-Sturm, auch noch einen absoluten Superstar im Sturm hatte, der die zunehmende Nervosität der immer noch jungen Belgier gnadenlos ausnutzte. Die Folge: Die goldene Generation schied abermals im Viertelfinale aus, ausgerechnet gegen den größten Underdog des Turniers.

Die Folge war eine Spielerrevolte der Mannschaft gegen ihren Trainer Marc Wilmots, welche es in der Geschichte großer Turniere wenn überhaupt nur noch 2010 bei Frankreich (damals gegen ihren Trainer Raymond Domenech) gab. Der Jackson-5-Traum wurde damit zum Death-Metal und beendete damit schließlich die Trainerkarriere von Marc Wilmots in der belgischen Nationalmannschaft. Auch für Vorzeige-Rockn-Roller Radja Nainggolan war es der letzte Auftritt für die Belgier im Rahmen eines großen Turniers.

2018: Der Höhepunkt: Kontrolliertes Feuerwerk

Nun aber schien es endlich so weit: Die Augen der ganzen Welt waren nun auf dieses Team gerichtet, auf diese nun gereiften „Geheimfavoriten“ oder (wie Béla Rethy damals sagte) „die von der Mentalität südamerikanischste Nationalmannschaft Europas aller Zeiten“. Endlich schien es so weit und die Balance zwischen Defensive und Offensive hatte sich unter Roberto Martinez nun wirklich und endlich gefunden. Ganze 43 Tore erzielten sie bereits in der Qualifikation, wobei sich schon hier zeigte, dass sich das Offensivfeuerwerk rund um Lukaku nun noch einmal erweitert hatte: Denn auch Stürmer und SSC-Neapel-Legende Dries Mertens, wie auch der durch seine Offensivkraft völlig unberechenbare Außenverteidiger Thomas Meunier füllten mittlerweile die Reihen der sowieso schon (neben Frankreich) besten Offensive dieses Turniers.

Zudem veränderte Roberto Martinez die Taktik der roten Teufel auch grundlegend. Vorbei war die Zeit von brotloser Kunst vor dem Tor, stattdessen lockte man den Gegner aus dem defensiven Mittelfeld heraus, um diesen dann mit blitzschnellen fast Jürgen-Klopp-artigen Kontern völlig zu überrumpeln. Auch ernannte man Axel Witsel zum neuen Chef im defensiven Mittelfeld, was seinen kongenialen Partner de Bruyne nochmals mehr Freiheiten im Einleiten von Torchancen gab.

Als eines der taktisch historischsten Spiele dieser goldenen Generation wird bis heute das Achtelfinale gegen Japan sein, wo die Belgier in der Nachspielzeit ein 0:2 Rückstand gegen Japan noch mit 3:2 zu drehten. Das 3:2 Tor von Nacer Chadli nach Eckstoß der Japaner und anschließendem Konter gilt dabei als eines der am schönsten herausgespielten Kontertore der WM-Geschichte, ein Paradebeispiel für perfekt ausgespielten modernen Umschaltfußball.

Der Star dieses Turniers war aber ganz klar: Eden Hazard. Vielleicht lag es daran, dass er bei diesem Turnier in einigen Spielen zum ersten Mal gemeinsam mit seinem Bruder Thorgan Hazard auf dem Platz stand, denn selten hatte man den Chelsea-Star so losgelöst erlebt. Ganze neun Tore schossen die Belgier in der Gruppenphase und besiegten damit alle Gegner (Panama, Tunesien, wie auch England) problemlos.

Im Viertelfinale traf man dann schließlich in der Tat auf Brasilien und diesmal war es Schlussmann Thibaut Courtois, der der Offensive um Neymar & Co. wie kein anderer trotzte. Die Entscheidung brachte schließlich Kevin der Bruyne. Denn zwar schaffte Brasilien noch den Anschlusstreffer, es blieb allerdings beim 2:1. Nachdem man dann zudem im schon erwähnten 3:2 nach 0:2 Rückstand gegen Japan auch noch Nervenstärke bewies, fragte sich wohl jeder, wer diese Belgier in diesem Turnier eigentlich noch aufhalten sollte. Denn auch die Brasiliener rund um ihren Superstar Neymar zeigten im Viertelfinale, dass sie die 7:1 Klatsche gegen Deutschland im eigenen Land immer noch nicht verdaut hatten. So verlor Brasilien hier gegen Belgien zwar nur mit 1:2, war im gesamten Spiel aber eigentlich nie wirklich auf Augenhöhe mit den roten Teufeln.

Schließlich kam der große Moment: das Milliardenspiel zweier der teuersten Kader der Geschichte, Kevin de Bruyne gegen Paul Pogba, Romelu Lukaku gegen Olivier Giroud und nicht zuletzt das Duell der Sprinter und Dribbler Eden Hazard gegen Kylian Mbappé.

Grade was letztere beiden Spieler angeht, sind jedem nochmal die Highlights dieses Halbfinales ans Herz gelegt, denn wenn es in der jüngeren WM-Geschichte auch nur ein vergleichbares Duell zweier überragender Einzelkönner gab, dann war es höchstens das zwischen Kylian Mbappé und Lionel Messi im WM-Finale 2022.

Letztendlich scheiterte man knapp mit 0:1 (nach einem Kopfball nach Ecke von Samuel Umtiti) aber eben an dem späteren Weltmeister Frankreich und so langsam kam die Angst hoch, ob diese goldene Generation, so golden sie auch war, dann am Ende doch für immer titellos bleiben sollte.

Und für alle FC-Bayern-Fans, die sich fragen, ob ihr aktueller Trainer Vincent Kompany auch mit Rückschlägen umgehen kann: Nur ein Spieler stand an diesem Abend nicht auf dem Platz und das war der für das Verteidigen solcher Ecken zuständige belgische Abwehrchef, der aufgrund einer gelb-roten Karte in diesem Halbfinale gesperrt war und (ähnlich wie Ballack im WM-Finale 2002) von der Bank aus zusehen musste, wie diese damit vielleicht für immer unvollendete Generation so haarscharf am Titel vorbeirauschte. Da konnte auch die Tatsache, dass das Finale Frankreich gegen Kroatien (4:2) in diesem Turnier eines der einseitigsten in der WM-Geschichte war, nicht drüber hinwegtrösten, sondern machte das Ausscheiden eher noch bitterer.

2021: Zum ersten Mal: Welker Duft statt Welpenschutz?

Noch einmal stand Roberto Martinez am Spielfeldrand, auch mit dem Wissen, dass spätestens jetzt Belgien jeder auf dem Schirm hatte und dass es neue taktische Mittel brauchte, um bei einem Turnier erfolgreich zu sein, vielleicht sogar Mittel, mit denen ein gewisser Gareth Southgate mit der englischen Nationalmannschaft zweimal das Finale erreichte: Pragmatismus und Fokus auf die Defensive.

Nur irgendwie wirkte dieser neue Stil der Belgier schnell verkopft und unauthentisch. Die Gruppenspiele gewann man gegen Finnland, Dänemark und Russland zwar noch souverän, doch schon im Achtelfinale hatte gegen den Titelverteidiger Portugal schon so seine Probleme. Diesmal war es der jüngere der beiden Hazard-Brüder Thorgan Hazard, der Belgien aber noch den knappen 1:0-Sieg rettete.

Im Viertelfinale sah man historisch betrachtet vertauschte Rollen: Ausgerechnet die Erfinder des Catenaccio-Mauerfußballs Italien ließen sich von der neuen Defensivausrichtung der Belgier nicht im mindesten beeindrucken, sondern schlugen diese mit unbekümmerten und wenig Risiko scheuenden Offensivfußball am Ende problemlos mit 2:1.

Und nicht nur das, als eine Mannschaft, die bei der WM 2018 nicht einmal qualifiziert war und auf einmal mit einer völlig neuen jungen Mannschaft, schafften sie schließlich Belgien genau dort die Show zu stehlen, wo es ihnen am meisten weh tat, als ein junger wilder Geheimfavorit, der am Ende sogar den EM-Titel gewann.

2022: Die WM in Katar: Das Ende der goldenen Generation

Bei diesem ohnehin schon umstrittenen Turnier zeigte sich dann endgültig, dass diese einst so unbekümmerten Wilden nicht nur in die Jahre gekommen waren, sondern auch zerstritten wirkten. Im ersten Spiel gewann man zwar noch 1:0 gegen Kanada, das allerdings als die deutlich schlechtere und chancenärmere Mannschaft, das 0:2 gegen Marokko war dann aber der Tiefpunkt der jüngeren Geschichte der Belgier. Völlig blutleer und uninspiriert präsentierte man sich hier gegen wacker kämpfende Nordafrikaner und flog damit (nach einem 0:0 gegen Kroatien im dritten Spiel) komplett zurecht in der Vorrunde rauf. Auch für Trainer Roberto Martinez war es das Ende seiner Trainerkarriere bei den roten Teufeln.

Somit verblasste der Stern der Belgier langsam am Horizont, was auch mit der Formschwäche der ehemaligen Stars lag. Eden Hazard wurde nach seinem Wechsel zu Real Madrid nie wieder der Alte, sodass auch aufgrund seiner vielen Verletzungen sein Vertrag bei den Königlichen im Jahr 2023 sogar vorzeitig aufgelöst wurde. Hazard beendete daraufhin seine Karriere und auch für Kevin de Bruyne, der derzeit mit Manchester City eine absolute Horrorsaison hat, läuft es derzeit nicht viel besser. Einzig und allein Romelu Lukaku erlebt aktuell mit dem SCC Neapel seinen zweiten Frühling, nachdem er mehrere Male von Chelsea und Inter Mailand hin und her transferiert wurde, sich aber (abgesehen von der Inter-Saison 2021/22) in beiden Clubs immer wieder schwer tat. Hinzu kamen noch persönliche Streitigkeiten zwischen Torwart Thibaut Courtois und Roberto Martinez’ Nachfolgetrainer Domenico Tedesco, welcher dafür sorgte, dass der ehemalige Welttorhüter bei der EM 2024 (Aus im Achtelfinale) nicht einmal in den Kader berufen wurde.

Die interessanteste Geschichte schreibt derzeit sicherlichVincent Kompany als Trainer des FC Bayern, dessen Bandbreite zwischen kompakten, wenn auch extrem hoch stehenden Abwehrketten, schönem Offensivfußball und Flexibilität bereits in seinem ersten Jahr in München beeindruckt. Sein Meisterstück waren hier zweifellos seine beiden Achtelfinalspiele im Februar 2025 gegen Bayer Leverkusen, wo man sich mit 3:0 im Hinspiel (2:0 im Rückspiel) locker durchsetzte.

2025 und danach: Wo liegt die Zukunft?

Derzeit liegt die Zukunft der roten Teufel tatsächlich eher in den Sternen, sieht man mal von Sturmtalenten wie Lois Openda (RB Leipzig) und Jeremy Doku (Manchester City) ab. Dennoch sind es insbesondere solche jungen Spieler, die – wie auch Arsenal-Mittelfeldspieler Leandro Trossard (Arsenal) - Hoffnung auf neue goldene Zeiten machen. Was allerdings alle diese Spieler eint: Ihre Formschwankungen sind nach wie vor zu groß, um wirklich in die Fußstapfen von de Bruyne und Lukaku treten zu können. Dazu spielte man unter Ex-Schalke-Trainer Domenico Tedesco wieder einen eher biederen Defensivfußball und konnte somit weder bei der abgelaufenen EM 2024, noch bei der anschließenden Nations League erfolgreich sein.

Am 24.01.2025 hat allerdings der Franzose Rudi Garcia die Mannschaft übernommen, der mit Olympique Marseille 2018 zumindest das Endspiel der Europa League erreichte. Ob Belgien aber – trotz vieler neuer interessanter Talente wie Wout Faes (Leicester City), Mika Godts (Ajax Amsterdam) Julien Duranville (Borussia Dortmund), Zeno Debast (Sporting Lissabon), Malick Fofana (OSC Lille) und Arthur Theate (Eintracht Frankfurt) – in naher Zukunft noch einmal das Niveau der 10er-Jahre erreichen wird, bleibt fraglich.

Dank ihrer hervorragenden Jugendarbeit wird Belgien sicherlich immer ein Land bleiben, was ähnlich wie die Niederlande das Potenzial hat, bei großen Turnieren oben mitzuspielen, für ein Land von knapp einem Achtel so vielen Einwohnern wie Deutschland wird es dennoch immer schwer bleiben, einen Titel zu gewinnen.

Teile den Post
Leon

1. FSV Mainz 05 – das sind die Gründe für die Top-Saison der 05er

Der 1.FSV Mainz 05 spielt aktuell die beste Saison seiner Vereinsgeschichte und steht nach Spieltag 25 auf dem dritten Tabellenplatz. Entsprechend herrscht angesichts der letzten Ergebnisse, der Spielweise und der Ausgangslage im Saisonendspurt derzeit Ausnahmestimmung bei den 05ern. Doch wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen? Was sind die Gründe für den Erfolg oder besser gesagt wer ist es? (Bild: IMAGO / Kirchner-Media)

Was gibt es schöneres als an einem verregnet-grauen Wintersonntag Bundesliga zu schauen. Das möchte man als großer Bundesliga-Fan meinen – zumindest bis dann zuweilen der Blick auf die Spielpaarungen fällt und der Himmel gefühlt gleich noch ein bisschen grauer wird: Hoffenheim gegen Heidenheim, Leipzig gegen Augsburg, Kiel gegen Mainz: Da fragt man sich doch hin und wieder, ob nicht die dreihundertdrölfzigste Politiksendung über das Scheitern der Ampel-Koalition oder eine Dokumentation auf ARTE über die Fortpflanzung von Zwergeidechsen nicht manchmal doch kurzweiliger sein könnte.

Denn ja – auch Mainz 05 wird in den Augen vieler Fußballfans, insbesondere Traditionalisten, immer wieder gerne mal in die Schublade eben dieser Mannschaften gezählt, wo man beim Fußballgucken mit seinen Kumpels eher mit halbem Auge hinschaut und stattdessen von den guten alten Zeiten träumt, wo noch Schalke 04, der HSV, Hertha BSC, der FC Kaiserslautern oder 1860 München auf dem Bundesligaprogramm standen.

Dennoch gibt es vielleicht kein Team, was bei seinen Fans in den letzten Jahren alleine sportlich eine derartige Achterbahnfahrt an Emotionen ausgelöst hat, von einer Hinrunde mit grade mal 11 Punkten in der Saison 2023/24, welche zu den schlechtesten Hinrunden der Bundesligageschichte zählte, bis zu einem im Jahr 2025 herausragenden 4. Platz, der den erstmaligen Einzug in die Champions League für den Verein bedeuten würde. Selten hat ein Verein innerhalb von einem Jahr so einen Sprung hingelegt.

Und wie schon in der Vergangenheit, wo ähnlich charismatische Trainer wie Jürgen Klopp und Thomas Tuchel bei den Rheinhessen am Spielfeldrand standen, steht auch diesmal wieder ganz klar der Trainer im Fokus dieses überragenden Erfolges.

Bo Henriksen, der Dänische Kloppo?

Viele Mainz-05-Fans werden sich noch an das Abschiedsvideo seines dänischen Vorgängertrainers und Namensvetters Bo Svensson erinnern. „Meine Kinder sind hier aufgewachsen, alles, was ich über Fußball gelernt habe, habe ich hier gelernt. Jeder Tag in diesem Verein hat mich geprägt und wird mich noch ein ganzes Leben lang prägen“, so die Worte des Dänen, der nach einer Hinrunde zum Vergessen im November 2023 freiwillig zurücktrat. Da der Wunsch nach Trainerkontinuität schon immer Teil der Mainzer DNA war (siehe Jürgen Klopp, der ganze sieben Jahre lang im Amt war), war man daher erst einmal skeptisch, als plötzlich dieser wilde Langhaarige an der Seitenlinie stand, der gefühlt nach jeder Balleroberung in Richtung Kurve rannte, um die Fans anzuheizen. Doch bald schon sollte den Mainz-Fans klar werden, dass mit Bo Henriksen weitaus mehr als nur ein Motivator gefunden wurde „Mein Motto ist es, den Spielern jede Angst zu nehmen und den größtmöglichen Mut zu geben“, so der 49Jährige, ein Motto, was sich noch bezahlt machen sollte.

Keine Angst“, „absolute Offenheit“ und „Freiheit für die Spieler“, das waren von Anfang die Kernpunkte seiner Trainerphilosophie, was sogar so weit ging, dass er die Spieler selbst auswählen ließ, wann das Training stattfinden sollte oder wer wann auf welcher Position spielen möchte. Den rustikalen Mittelfeldspieler Dominik Kohr, der vorher vor allem durch seine harte und oft unfaire Spielweise auffiel als durch wirklich viel Spielverständnis, schulte er zum Beispiel einfach zum Abwehrspieler um, wo er mittlerweile sowohl als rechter, als linker wie auch als mittlerer Innenverteidiger fungiert.

Ich sage den Spielern immer, dass ich ihnen nur helfen kann, wenn ich von ihnen immer die absolute Wahrheit höre, denn wie soll ich ihnen sonst helfen? Wenn man nicht ausspricht, wenn was nicht stimmt, ist ein Team zum Scheitern verurteilt“, so ein weiteres Zitat des Dänen, was maßgeblich für seinen innovativen Führungsstil steht, der so gar nicht zu einer eher autoritären Herangehensweise passt, wie viele andere Mannschaften nach wie vor trainiert werden.

Dabei war Bo Henriksen sogar durchaus mal ein Taktiknerd. Laut eigener Aussage hat er einst jedes seiner Systeme auswendig gelernt, bis zu zwölf Stunden an der Taktiktafel verbracht und jede Menge wissenschaftliche Aufsätze alleine über die Arbeit gegen den Ball geschrieben, nicht selten mal über 100 Seiten lang. Doch grade dies brachte ihn zu der Erkenntnis, dass trotz aller Taktikanalysen im realen Leben und auf dem Platz nichts wichtiger ist als der Mensch und diesen mit so viel Mut und Selbstbewusstsein auszustatten wie nur irgendwie möglich.

Der Spielstil

Grundsätzlich steht vor allem die Defensive im Fokus der 05er. Die Startaufstellung ist in der Regel ein 5-4-1 mit dem Fokus auf Intensität und Disziplin. Grundsätzlich überlässt man dem Gegner den Ball, beziehungsweise spielt ihn nach schnellem Ballgewinn direkt ins Zentrum, wo neben dem dribbelstarken Paul Nebel (einem der Shooting-Stars der Saison) vor allem der Ex-Leverkusener Nadiem Amiri Lenker und der Denker der Mainzer ist. Vorne sind es dann der durchaus kopfballstarke Jae-sung Lee und allen voran Jonathan Burkardt. die die Umschaltmomente und die nicht selten genialen Steckpässe von Amiri vollenden. Der 24-jährige Jonathan Burkardt, der bereits in der letzten Länderspielpause von Julian Nagelsmann eingeladen wurde, gilt dabei als eine der größten Hoffnungen im Sturmzentrum in der deutschen Nationalmannschaft.

Und selbst wenn man in diesen Umschaltmomenten mal den Ball verlieren sollte, was aufgrund der Risikofreudigkeit schon mal passieren kann, sind es stets die blitzschnellen Außenverteidiger Anthony Caci und Philipp Mwene, die im Falle eines Ballverlustes nach innen schieben und die Situation klären. Dabei ist Trainer Henriksen am wichtigsten, dass, egal ob mit dem Ball oder gegen den Ball, alle Spieler permanent aktiv sind und früh stören. Dadurch gehören die Mainzer auch in der Eroberung von zweiten Bällen zu den stärksten Teams der Liga.

Der Mainzer Kader, reif für die Champions-League?

Dass sich diese Frage Mainz 05 als Drittplatzierter knapp neun Spieltage vor Saisonende mal stellen würde, damit hätte wohl vor der Saison niemand gerechnet.

Denn ähnlich wie der 1. FC Union Berlin und der VFB Stuttgart, den beiden sicherlich größten Überraschungen der vergangenen Saisons, hatten auch Mainz 05 zahlreiche schmerzvolle Abgänge zu verzeichnen: Ludovic Ajorque, Jessic Ngankam, Josua Guilavogui, Tom Krauss und Leandro Barreiro – alle diese Spieler waren in der Vorsaison wichtig für die starke Rückrunde und den Klassenerhalt, wobei der härteste Abgang sicherlich der von Flügelstürmer Brajan Gruda war, der im Sommer 2024 für 32 Millionen Euro zu Brighton & Hove Albion wechselte. Seinen größten „Rising Star“ so schnell wieder zu verlieren, war für viele Fans daher ein herber Schlag, auch da zu dem Zeitpunkt noch völlig in den Sternen stand, ob der leider verletzungsanfällige Jonathan Burkardt überhaupt einmalmal eine ganze Saison durchspielen konnte.

Hier aber kommen wir zur letzten und vielleicht sogar entscheidendsten Stärke der Rheinhessen: die Jugendarbeit. Diese machte sich zum Beispiel in der vergangenen Europa Youth League bezahlt, als die Mainzer U17 sensationell ins Viertelfinale einzog. Brajan Gruda, Jonathan Burkardt, Paul Nebel, Finn Dahmen (aktuell Augsburg), wie auch Leandro Barreiro (aktuell Benfica) sind hinzu alles Spieler, die erst kürzlich aus der Mainzer Jugend hochgezogen wurden und sich innerhalb kürzester Zeit alle zu etablierten Bundesligaspielern entwickeln konnten. Hinzu käme noch Nelson Weiper, ein weiterer hochtalentierter 19-jähriger deutscher Stürmer, der sich jetzt schon anschickt, für die Mainzer so etwas wie der nächste Johnny Burkardt zu werden.

Bis auf den SC Freiburg gab es somit in den letzten Jahren nur ganz wenige Mannschaften in der Bundesliga mit so einer hohen Durchlässigkeit der eigenen Jugendspieler und die Lorbeeren dafür können die Mainzer nun endgültig ernten. Dass man neben den vielen jungen Talenten zusätzlich mit Robin Zentner noch einen erfahrenen Torhüter hat, der zudem derzeit zu den formstärksten Keepern der Liga gehört, rundet das Bild ab.

Teile den Post
Leon

Goldene Generationen: Bayer Leverkusen 2002

Bayer 04 Leverkusen hat es 2024 geschafft, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte deutscher Meister zu werden. Doch nicht nur das, man legte damit auch endgültig den allseits bekannten Ruf und Namen „Vizekusen" ab. Doch was hat es damit genau auf sich? Ein Blick zurück in die Geschichte von Bayer 04 Leverkusen und das Jahr 2002. (Bild: IMAGO / WEREK)

„Vizekusen“ – Trauma oder Marke?

So ziemlich jeder wird dieses Gefühl schon einmal erlebt haben: Sei es das Gefühl sich für seinen Traumjob durch lange Bewerbungsrunden gequält zu haben, im allerletzten Moment den Job dann aber doch nicht zu bekommen oder das Gefühl in einer Schachpartie dem Gegner Dame und Turm abgetrotzt zu haben, um dann am Ende nur wegen einem kurzen Blackout die Partie doch noch zu verlieren.

Alle Fans von Borussia Dortmund werden sich an das Finale der Meisterschaft 2022/2023 erinnern, wo der Borsigplatz schon reserviert war, sämtliche Planungen für die anstehende Meisterfeier schon so gut wie abgeschlossen waren, um dann mit anzusehen, wie in den letzten Minuten ein gewisser Jamal Musiala im Parallelspiel das eine Tor schießt, wo es dann doch wieder hieß: Herzlichen Glückwunsch zur 11. Meisterschaft in Folge, Bayern München.

Auch Fans von Schalke 04 haben dieses Trauma im Jahr 2001 erlebt, im letzten Moment doch nur zum „Meister der Herzen“ gekürt wurden zu sein. Und dennoch hat den Fluch des ewigen Zweiten keine andere Mannschaft so hart erlebt, wie Bayer 04 Leverkusen im Jahr 2002. Denn jeweils nur ein einziges Spiel trennte das Team von Trainer Klaus Toppmöller in diesem Jahr davon, nicht nur die Meisterschaft zu gewinnen, sondern gleich alle drei bedeutenden Titel: Meisterschaft, DFB Pokal und sogar die Champions League.

Dieses sogenannte Triple aus Champions-League, nationalem Pokal und Meisterschaft war zuvor nur vier Mannschaften gelungen: Celtic Glasgow (1967), Ajax Amsterdam (1972), PSV Eindhoven (1988) und Manchester United (1999) und dennoch mussten sich die Leverkusener am Ende mit einer titellosen Saison abfinden.

Meisterkampf und DFB-Pokal

In der Bundesliga lieferte man sich zunächst einmal einen spannenden 5er-Kampf mit Borussia Dortmund, Bayern München, dem 1.FC Kaiserslautern und Werder Bremen. Nur sechs Punkte trennten die Mannschaften in der Hinrundentabelle, welche Bayer Leverkusen knapp mit 39 Punkten anführte. Erst zu Beginn der Rückrunde ließ man zum ersten Mal Federn. So verlor man hier gleich gleich drei von vier Spielen gegen Wolfsburg, Bayern, so wie auch gegen Schalke 04. Eine Serie von zehn ungeschlagenen Spielen brachte Leverkusen jedoch wieder in die Pole-Position um den Kampf um die Meisterschale, zumal zu diesem Zeitpunkt mit Dortmund und Bayern eigentlich nur noch zwei ernsthafte Konkurrenten übrig waren.

Doch dann kam der 20. April 2002, das Heimspiel gegen Werder Bremen, in welchem man trotz Führung von Zé Roberto plötzlich Panik bekam und das Spiel mit 1:2 zu verlor. Sollte der große Traum, die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte, doch noch in Gefahr geraten? Beim Auswärtsspiel gegen Nürnberg (0:1) vergab man die Führung dann endgültig, weswegen es für den letzten Spieltag dann hieß: Nur noch ein Sieg sowie ein Unentschieden von Borussia Dortmund im Parallelspiel konnte die Meisterschaft noch retten. Den Sieg schaffte man dann zwar dank zweier Tore von Michael Ballack (2:1 gegen Werder Bremen), da aber Borussia Dortmund im Parallelspiel ebenfalls gewann, wurde man schließlich mit nur einem Punkt Abstand Zweiter.

Doch es sollte noch bitterer kommen: Denn nur eine Woche später verlor man das Endspiel im DFB-Pokal ebenfalls. Immerhin: Der ein Jahr zuvor ebenfalls im letzten Moment gescheiterte „Meister der Herzen“, Schalke 04, konnte schließlich mit 4:2 den Pokal gewinnen und wurde somit für die bitterste Niederlage in ihrer Vereinsgeschichte zumindest ein bisschen entschädigt. Was Leverkusen anging, waren nun aber natürlich alle Augen auf das Champions-League-Finale gerichtet. Hier wartete dann allerdings ausgerechnet Real Madrid.

Der Traum vom Henkelpott

Das größte Wunder, was Klaus Toppmöller mit Leverkusen vollbrachte, war sicherlich dieser völlig überraschende Einzug ins Champions-League-Finale. Denn nur zur Erinnerung für alle Jüngeren unter uns: Wir reden hier von einer Zeit, wo die Beinahe-Galacticos Real Madrid (mit Zinedine Zidane, Luis Figo, Raul und dem Brasilianer Ronaldo in ihrer absoluten Prime) alles dominierten.

Zudem war da noch ein FC Barcelona, der sich, mit dem damals grade mal 18-jährigen Andres Iniesta, wie auch Rivaldo und Patrick Kluivert im Sturm, schon damals anschickte, über Jahre hinweg den besten Sturm der Welt zu haben, ein Manchester United unter Sir Alex Ferguson, was mit dem heutigen Manchester United ungefähr so viel zu tun hatte wie das Kulturgut von Matze Knop mit furchteinflößendem Gangsterrap – und nicht zuletzt der Titelverteidiger FC Bayern.

Niemand hätte vor dieser Saison auf Bayer Leverkusen gewettet. Dennoch ging man, abgesehen von einer 0:4 Klatsche gegen Juventus Turin ungeschlagen und als Erstplatzierter aus der Gruppenphase. Im Viertelfinale unterlag man dann zunächst dem FC Liverpool mit 0:1, kehrte dieses Ergebnis dann allerdings im Rückspiel mit 4:2 um, wobei vor allem der brasilianische Verteidiger und spätere Bayern-Star Lucio aufblühte. Im Halbfinale schaffte man es dann wenn auch knapp mit zwei Unentschieden und dank der Auswärtstorregel gegen Manchester United schlussendlich ins große Finale von Glasgow.

Im Finale gegen Real Madrid war es dann schließlich Raul, der die Werkself gleich in der 8. Minute schockte. Allerdings dauerte es nur drei Minuten und wieder war es Lucio, der den Ausgleichstreffer hinlegte. Mit einem sehenswerten historischen Volley entschied dann schließlich Zinedine Zidane in der 45. Minute das Spiel für die Königlichen und der letzte Traum von einem Titel zerplatzte in Leverkusen in den weiteren 45 Minuten wie eine Seifenblase.

War es hier möglicherweise auch schon der Frust über die beiden anderen verlorenen Titel, insbesondere der Meisterschaft, weswegen hier am Ende die letzten Körner fehlten? Viele Experten sagen heute, dass für Leverkusen mit einem anderen Mindset in dieser zweiten Halbzeit sogar mehr gegangen wäre. So aber sollte es einfach nicht sein und der Verein musste ganze 22 Jahre warten bis ausgerechnet Real-Madrid-Ikone Xabi Alonso den „Vizekusen“-Fluch brach.

Der Kader:

Dennoch bleibt die Frage: War der Kader von 2002 nicht möglicherweise sogar noch besser als der aktuelle Leverkusen-Kader? Bereits erwähnte Superstars wie Michael Ballack, Zé Roberto und Lucio könnten das durchaus glauben machen. Hinzu waren neben Ballack gleich fünf weitere deutsche Nationalspieler im Kader der Leverkusener, die im selben Jahr bei der WM natürlich nur eins werden konnten: Vize-Weltmeister.

Auch der FC Bayern, allen voran Uli Hoeneß, schien gewarnt zu sein, dass hier neben Borussia Dortmund ein weiterer dauerhafter Bundesliga-Konkurrent heranzuwachsen drohte. So kaufte man – in bester Bayern-Manier – dem ungeliebten Kontrahenten mit Zé Roberto und Michael Ballack gleich mal zwei seiner drei besten Spieler ab.

Für Michael Ballack war die „Vizekusen“-Saison auch gleichzeitig seine Durchbruchssaison. Als entscheidender Motor im Mittelfeld glänzte er nicht nur als Regisseur und Antreiber, sondern war hinzu noch extrem torgefährlich. Günter Netzer bezeichnete ihn in dieser Zeit sogar als den „kopfballstärksten Spieler der Welt.“ Ballack brachte es in dieser Saison bei 50 Pflichtspielen auf insgesamt 23 Tore und 13 Vorlagen. Damit war er Leverkusens Topscorer und belegte mit 17 Bundesliga-Treffern hinter Martin Max und Marcio Amoroso (beide 18 Tore) den dritten Platz der Torschützenliste und wurde zuzüglich zu „Deutschlands Fußballer des Jahres 2002“ ausgezeichnet.

Eine Menge Nostalgie werden Bundesligafans der älteren Semester sicherlich auch noch mit dem Namen Lucio verbinden. Der brasilianische Verteidiger, der in der Bundesliga sowohl für Leverkusen als auch für den FC Bayern auflief, gilt als herausragender Kopfballspieler und trug damit neben seinen beeindruckenden Fähigkeiten gegen den Ball mit wichtigen Toren, insbesondere in der Champions League, um Erfolg der Werkself bei. Auch er wechselte, allerdings erst 2004, zum FC Bayern München.

Im Sturm hingegen war es Ulf Kirsten, der zu diesem Zeitpunkt wohl so etwas war wie der Thomas Müller von Leverkusen. Ganze zwölf Jahre spielte er bereits für den Verein in dem er auch ein Jahr später seine Karriere beendete. Mit 181 Bundesligatreffern war er zudem zu dem Zeitpunkt bereits der fünftbeste Torschütze der Bundesligageschichte. Auch seine Mentalität und sein Kampfgeist, den er Spiel für Spiel hinlegte, machte den einst von Ede Geyer trainierten DDR-Nationalspieler aus Sachsen für die Elf aus dem Niederrhein unersetzlich.

Und sollte es auf der anderen Seite des Platzes mal gefährlich werden, war jedem Gegner klar, dass mit Kapitän und Libero Jens Nowotny im Zweifelsfall eher nicht gut Kirschen essen ist. Mit insgesamt acht Platzverweisen (fünf rote + drei gelb-rote Karten) ist er bis heute neben dem Brasilianer Luiz Gustavo der Spieler, der in der Bundesliga am häufigsten des Platzes verwiesen wurde. Doch auch sonst war Nowotny neben Ballack der wichtigste Motor in dieser Mannschaft.

Das machte es dann umso bitterer, dass ausgerechnet er sich im Halbfinale der Champions-League am Kreuzband verletzte und somit in allen drei verlorenen Finalspielen fehlte. Auch hier bleibt bis heute die Frage, wie die Leverkusen-Saison ohne diese Verletzung ausgegangen wäre. Zum Vergleich stelle man sich zum Beispiel vor, wie die Leverkusener Meisterschaftsaison 2023/24 ausgegangen wäre, hätte sich ein Granit Xhaka oder ein Florian Wirtz früh am Kreuzband verletzt.

Ähnliches gilt für Torwart Hans-Jörg Butt, wobei dieser Gott sei Dank unverletzt blieb. Der erfahrene Schlussmann, der von 2001 bis 2007 für Leverkusen spielte, war eine Schlüsselfigur in der Defensive. Mit seinen ausgezeichneten Reflexen und seiner Spielübersicht stellte er sich oft als sichere Bank heraus und half, das Team in kritischen Situationen zu stabilisieren.

Hinzu hatte Leverkusen mit dem (neben Hristo Stoichkov) wahrscheinlich bedeutendsten bulgarischen Fußballspieler aller Zeiten Dimitar Berbatov noch ein weiteres großartiges Talent in ihren Reihen. Damals erst 20 Jahre alt, entwickelte er sich in der Saison 2001/2002 immer mehr zum Führungsspieler und brachte Bayer Leverkusen im DFB-Pokal-Finale gegen Schalke 04 sogar zunächst in Führung.

Neben Lucio bewies auch Mittelfeldspieler Zé Roberto, warum Bayer Leverkusen noch viele weitere Jahre als „der Magnet in Deutschland für talentierte Brasilianer“ bekannt war, auch wenn dieser neben der brasilianischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft hatte. Hierbei mag es umso lustiger erscheinen, dass er in seiner Zeit bei der Werkself so auf Fußball fokussiert war, dass er es trotz deutschem Trainer verpasste auch nur ein einziges Wort deutsch zu lernen. Dies ging schließlich soweit, dass sein späterer Bayern-Mitspieler und Landsmann Giovane Elber damit drohte, in der Kabine nie wieder ein Wort portugiesisch mit ihm zu sprechen, wenn er nicht endlich die deutsche Sprache lernte.

Der Trainer, eine Inspiration für Guardiola?

Der Name Klaus Toppmöller mag vor allem Frankfurt-Fans ein Begriff sein. Nicht nur, dass er sowohl als Spieler als auch als Trainer dort zu den größten Vereinslegenden zählt, ausgerechnet sein Sohn Dino Toppmöller ist es, der sich als Drittplatzierter in der Bundesliga derzeit anschickt, die erste direkte Champions-League-Qualifikation in der Vereinsgeschichte zu schaffen. Interessant ist zudem, dass der gelernte Ingenieur für Versorgungstechnik einer der ersten war, der in Deutschland den bedingungslosen One-Touch-Fußball wieder etablierte, mit dem nur wenige Jahre später ein gewisser Pep Guardiola beim FC Barcelona durchstarten sollte.

Hinzu war Toppmöller extrem inspiriert vom Fußball der brasilianischen Nationalmannschaften und Verschiebungen der 5er-Kette. Auch die Aufgabe des Liberos interpretierte er insofern neu, als dass er diesem (in dem Fall Jens Nowotny) mehr und mehr Aufgaben gegen den Ball gab, was wiederum Mittelfeldspielern wie Michael Ballack weitaus mehr Freiräume in der Offensive gab.

Teile den Post