Eine neue Zeit bricht an. Eine Zeit, wo noch niemand weiß, ob sie aus Leverkusen wieder den Club machen wird, der irgendwo im oberen Mittelfeld der Liga um die Champions-League mitkämpfen wird oder auch weiterhin Bayern-Jäger Nummer eins sein wird. (Bild: IMAGO / Jan Huebner)
Mit dem Abgang von Xabi Alonso ist nun zumindest klar, dass man keine Spieler mehr holen kann mit dem Argument, sie würden dort von einer der größten spanischen Mittelfeldlegenden trainiert werden. Dies wurde auch schnell den Verantwortlichen rund um Fernando Carro klar, nicht umsonst bemühte man sich in Leverkusen bis zum bitteren Ende um die Verpflichtung von Cesc Fabregas, der mit Xabi Alonso gemeinsam Welt- und Europameister wurde. Leider entschied sich Alonsos ehemaliger Teamkollege dann aber gegen einen Wechsel an den Rhein. Stattdessen holte man den Niederländer Erik ten Hag, der bei Ajax Amsterdam einst einen ähnlichen Breakout hatte wie Alonso, dessen Glanz bei Manchester United dann allerdings ein bisschen abflachte.
Welcome to Bayer 04 Leverkusen, Erik ten Hag! 👊⚫️🔴 pic.twitter.com/Nj2ErK6Wsx
— Bayer 04 Leverkusen (@bayer04_en) May 26, 2025
Inwiefern aber wird das alles Auswirkungen auf die Transferstrategie haben, nun wo mit Jeremie Frimpong, Jonathan Tah und Florian Wirtz drei der wichtigsten Spieler der letzten Jahre den Verein verlassen haben? Gibt es überhaupt eine winzige Hoffnung, dass Leverkusen auch in den nächsten Jahren wieder um die Meisterschaft mitspielen kann? Hier wieder mal ein kleiner Blick in die Glaskugel.
Abschied von einer Legende:
Es war der 14. April 2024, als man in Leverkusen das schier unglaubliche erreichte: Die Meisterschale endlich in die BayArena zu bringen. Und das nicht nur irgendwie, sondern ungeschlagen über eine gesamte Saison und an diesem Abend noch final mit einem 5 : 0 gegen Werder Bremen, inklusive 3 Toren von Superstar Florian Wirtz. Doch das sollte erst der Anfang sein: „Wir wollen mehr“, rief ein von 60.000 bejubelter Xabi Alonso damals in die Menschenmenge und alle Fans spürten – jetzt sind wir da, das frühere „Vizekusen“, nun endlich herausgetreten aus dem Schatten - bereit für Jahre mindestens die zweite Fußballmacht in Deutschland zu sein.
Doch dann kam die verflixte zweite Saison und bereits früh entwickelten sich die Dinge anders. Es waren diese Details, wie das 2:2 gegen Kiel und das 1:1 gegen Bochum, wo schon eine fast übersinnliche Macht auf einmal verschwand, die zuvor noch dafür sorgte, dass die Leverkusener am Ende immer noch dieses eine entscheidende Tor mehr schossen, und sei es in der 8. Minute der Nachspielzeit.
Eigentlich spielte die Mannschaft zunächst gar nicht viel schlechter, das Glück war nur einfach nicht mehr auf ihrer Seite. Und mehr und mehr machte sich schließlich eine gewisse Müdigkeit in der Mannschaft bemerkbar.
FULL-TIME: Bayer 04 Leverkusen 2 - 2 Holstein Kiel
— Match Spoots (@matchspoots) October 5, 2024
⚽️ J. Hofmann 8'
⚽️ V. O. Boniface 4'
⚽️ J. Arp 69' (Pen.)
⚽️ M. Geschwill 45'+5#B04KSV pic.twitter.com/8SJMOsorO1
Erst als es dann hieß „Achtelfinale Champions League. Das Duell: FC Bayern gegen Bayer Leverkusen“ wurden alle wieder wach. Denn jetzt hieß es: Bayern oder Leverkusen! Wer ist aktuell die wahre Nummer eins in Deutschland?
Und schließlich waren es die Bayern, die ein paar Monate zuvor noch im DFB-Pokal gegen Leverkusen raus flogen, die die Dinge wieder grade rückten. Mit 5:0 (Hin- und Rückspiel zusammengerechnet) rollte der bajuwarische Express über die Werkself herüber und zum ersten Mal überhaupt hörte man leicht kritische Stimmen über den Trainer, bei dem man vorher noch das Gefühl hatte, er könne mit dieser Mannschaft übers Wasser laufen.
Not our night. Heads up and fight back in the second leg. 👊
— Bayer 04 Leverkusen (@bayer04_en) March 5, 2025
90+6' | 3-0 | #FCBB04 #UCL pic.twitter.com/g5cRpAlTga
In den folgenden Monaten wurde die Unruhe rund um Xabi Alonso dann nochmal größer, da auch Real Madrid in der CL nicht lieferte. Ausgerechnet der Club, wo Xabi Alonso schon als Spieler eine absolute Legende war und wo er selbst einmal sagte, dass es sein größter Traum wäre, diesen größten Club der Welt eines Tages mal selbst zu trainieren. Die Wolken sammelten sich am Horizont.
Um dann auf der Bielefelder Alm im DFB-Pokal-Halbfinale endgültig zu bersten, als man schließlich die einzige fast sichere Titel-Chance, nämlich den DFB-Pokal, im Halbfinale gegen einen Drittligisten auch noch verspielte. Da hatte man ein gesamtes Jahr nur ein einziges Spiel verloren und dann ausgerechnet das. Selbst die Fans waren frustriert, war doch Bielefeld zu allem Überfluss an diesem Abend sogar tatsächlich die spielerisch beste Mannschaft.
Spätestens hier musste sich gefragt werden: Waren die Spieler vielleicht schon lange mit dem Kopf woanders? Waren sie müde, weil sie dachten, dass sie etwas vergleichbares wie in der letzten Saison sowieso nie wieder erreichen konnten? Und sprach Xabi Alonso vielleicht schon seit Monaten mit Real Madrid und die Spieler wussten bereits, dass ihr Idol am Ende der Saison sowieso gehen würde?
Das sind alles Dinge über die wir Journalisten immer viel spekulieren können, die wir aber niemals genau wissen können. Was macht das mit einer Kabine, wenn plötzlich die Angst da ist, die ganze traumhafte Blase, in der man sich nun fast zwei Jahre lang befand, könnte auf einmal komplett platzen?
An diesem „schwarzen Dienstag“ in Bielefeld schien auf einmal das komplette Kartenhaus in den Köpfen vieler Spieler und Fans zusammenzubrechen, während die Hausherren ausBielefeld völlig ungläubig den Traum ihres Lebens feierten. Die Folge: Nur wenige Wochen später kündigte Xabi Alonso offiziell seinen Wechsel zu Real Madrid an, der Abschied der drei wichtigsten Spieler Jonathan Tah, Jeremie Frimpong und Florian Wirtz folgte.
Bis zum Ende der Saison wirkte das Team ermattet, hoffnungslos und – irgendwie traurig. Von dem Gefühl, dass man grade die zweitbeste Saison der Vereinsgeschichte gespielt hat: Keine Spur. Eher schien es wie ein großes Konzert, wo sich alle noch ein letztes Mal auf der Bühne die Hand reichen, um dann im Licht des Horizonts in alle Himmelsrichtungen zu verschwinden. Und noch immer ist nicht sicher, ob nicht sogar weitere Führungsspieler wie Piero Hincapie, Alejandro Grimaldo, Victor Boniface oder Patrik Schick vielleicht auch noch gehen könnten. Aus dem kurzzeitig erfolgreichsten Verein in der Geschichte der Bundesliga wurde in nicht einmal einem Jahr ein Verein, der auf einmal, was sein Personal anging, vor dem Nichts stand.
Doch dann erschien ein neuer Name auf der Bildfläche: Der des ehemaligen Ajax-Trainers und Diamantenauges Erik ten Hag. Der Startschuss für einen Neuanfang?
Neustart unter dem fliegenden Holländer?
Zunächst einmal muss man sich innerhalb des Vereins klar werden, wo man sich die nächsten Jahre sieht. Möchte man die extrem hohen Summen, die man durch den Verkauf von Superstars wie Wirtz und Frimpong einnimmt, dazu nutzen, um mit aller Macht weiterhin der Bayern-Jäger Nr. 1 zu sein oder gibt man sich eine gewisse Karenzzeit, eine Zeit, wo man sich sagt: „Hey, wir bauen hier etwas neues auf. Da ist es okay, eine Saison vielleicht auch einmal auf Platz sieben zu landen“.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Spielstil von Erik ten Hag auf jeden Fall zu Bayer Leverkusen passt. Dies sieht auch die Vereinsführung so. „Unsere Vorstellungen vom Fußball decken sich. Mit technisch anspruchsvollem und dominanten Fußball wollen wir auch künftig im Werkself-Stil agieren und in allen drei Wettbewerben höchste Ziele erreichen“, so Simon Rolfes, der Geschäftsführer Sport der Werkself kurz nach der Verkündung. Nur darf man eines nicht vergessen:
Trotz allen Gemeinsamkeiten mit Xabi Alonso wie zum Beispiel strukturierten Ballbesitzfußball mit klaren Passmustern und blitzschnellen Positionswechseln: Erik ten Hags erfolgreiche Mannschaften waren absolute Pressing-Maschinen (2020/2021 9,02 Passes per defensive actions, 2019/2020 sogar 8.1). Auch stand seine letzte Linie, zumeist in einem 4-2-3-1 oder 4-3-3, zum Teil über 40 Meter vor dem eigenen Strafraum – eine Herangehensweise im Spiel gegen den Ball gegen welches selbst Jürgen Klopp’s Heavy-Metal-Fußball wie Kuschelrock wirkt.
Erik ten Hag on his Football style:
— (fan) 𝗔𝗺𝗼𝗿𝗶𝗺’𝘀 𝗥𝗲𝗱𝘀 ✍🏼🇵🇹 (@AmorimBalll_) February 25, 2025
“It always comes down to the material you’ve got—that determines how attacking you can play and how you can play. My vision stays the same: attacking football, but with the door shut.”
Could you recreate a team like that Ajax one?
“Yeah, I… pic.twitter.com/IoCpocBQV7
Es wird also nicht ausreichen, einfach nur die abgewanderten Stars 1:1 zu ersetzen, eine Aufgabe, die angesichts der Qualitäten von Wirtz & Co. schon schwer genug sein könnte. Für einen gelungenen Umbruch könnte allerdings sprechen, dass Erik ten Hags Arbeit in Sachen Spielerentwicklung, insbesondere in Amsterdam, eine Eins mit Sternchen war. Kobbie Mainoo, Ryan Gravenberch, Alejandro Garnacho, Matijs de Ligt, Jurrien Timber – all dies sind Spieler, die unter Erik ten Hag debütierten. Hinzu war Ten Hag, ebenso wie Alonso, vor seiner Ajax-Station ein komplett unbeschriebenes Blatt auf dem Trainermarkt, schaffte es dann aber innerhalb kürzester Zeit sechs nationale Titel mit dem Club aus der niederländischen Hauptstadt gewinnen.
In diesem Shoppingguide soll es also in erster Linie darum gehen, neue Talente für die Leverkusener zu finden, mit vielleicht dem ein oder anderen Star in der Hinterhand. Welche Transfers aber auch am Ende wirklich getätigt werden, das Wichtigste für alle Leverkusen-Fans wird zuallererst Offenheit sein, Offenheit gegenüber einem neuen Trainer, einem auf vielen Positionen sicherlich komplett neuen Kader, wie auch einer neuen Ära.