Nach dem bitteren 3:3 gegen Leeds United hat Clublegende Mohamed Salah im anschließenden Interview deutliche Kritik an der Clubführung und Trainer Arne Slot geäußert. Der „Egyptian King“ sagte hier unter anderem, er fühle sich nicht wertgeschätzt, hätte kein (!) Verhältnis mehr zu seinem Trainer und deutet dabei sogar einen Abschied im Winter an. Könnte es jetzt also sogar zu einem vorzeitigen Ende des Superstars bei den Reds kommen? (Bild: IMAGO / Xinhua)
Die Galacticos des Nordens
Der unerklärliche Absturz des amtierenden Premier League Meisters FC Liverpool darf wohl zu Recht als eine der größten Überraschungen dieser Saison im europäischen Fußball gezählt werden. Nicht wenige sahen vor der Saison eher einen FC Liverpool, der wenigstens einmal Top-Favorit auf den erneuten Meistertitel in der Premier League war, wenn nicht sogar einer der Mitfavoriten auf den Henkelpott.
Zu glanzvoll sahen die Neuzugänge aus, bei denen die Reds sämtliche wirtschaftlichen Rekorde brachen und in einem Sommer u.a. Florian Wirtz (125 Millionen), Jeremie Frimpong (40 Millionen), Milos Kerkez (45 MIllionen), Hugo Ekitike (95 Millionen) und Alexander Isak (145 Millionen) an die Mercyside holten.
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— RDC🔰 (@wefollowunited) September 3, 2025
Des Weiteren hatte man bis auf Luis Diaz und Trent Alexander-Arnold und nicht zuletzt den durch einen Autounfall verstorbenen portugiesischen Flügelstürmer Diogo Jota keinen nennenswerten Abgang zu verschmerzen.
Dennoch stand man nach dem 14. Spieltag sogar lediglich nur auf Platz 11 in der Premier-League-Tabelle, hinzu kamen peinliche Niederlagen gegen Nottingham Forest (0 : 3) in der Liga, wie auch PSV Eindhoven (1 : 4) in der Champions League.
Kurz gesagt: Es machte sich schlussendlich das bemerkbar, was in den ersten Wochen die (meist knappen und glücklichen) Ergebnisse noch kaschieren konnten – diese Mannschaft bestand zwar aus vielen großen Namen, trat aber nicht wie das auf, was der Name suggerieren sollte: Eine Mannschaft. Und hierbei kommt man leider auch an ihm nicht vorbei: Mohamed Salah, Liverpools Rekordschütze und vielleicht der beste und talentierteste Stürmer, der jemals für diesen Verein auflief.
Legende aus dem Pyramidenland
Über das, was Mo Salah in seiner Gesamtlaufbahn für den FC Liverpool geleistet hat, gibt es sicherlich keine zwei Meinungen. Kein Interview der Welt, selbst ein komplettes Zerwürfnis mit dem Verein, könnte diese Legacy zerstören, die Mo Salah sich hier über Jahre hinweg aufgebaut hat: 2 Meisterschaften, 1 Champions-League-Titel, 4 Top-10-Nominierungen für den Ballon D’or, 6 mal Englands wie auch Afrikas Fußballer des Jahres, wie auch vierfacher Torschützenkönig in der wahrscheinlich besten Liga der Welt.
𝐇𝐢𝐬𝐭𝐨𝐫𝐲 for Mohamed Salah 👏
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He becomes the first player to score 20+ goals in all competitions in seven successive seasons for Liverpool 🔥#UEL pic.twitter.com/gQKYVjZCQm
Auch was seine Form angeht, hatte es den Anschein als könne diese Jahr für Jahr nur noch besser und besser werden. Mit 29 Toren und 18 Assists zeigte er zudem grade letzte Saison eine extrem hohe Ausgeglichenheit zwischen Toren und Vorlagen, was immer ein Zeichen dafür ist, dass ein Stürmer nicht nur unglaublich gut und treffsicher ist, sondern auch Spieler um sich herum hat mit denen er gerne und hervorragend harmoniert.
Warum der plötzliche Downfall?
Wie also kann es sein, dass davon auf einmal gefühlt nichts mehr übrig ist? Denn trotz sehr hoher Forderungen schaffte Salah es nämlich auch finanziell diesen Sommer am Ende seinen neuen Vertrag durchzusetzen, der auf etwa 20,8 Millionen Pfund Gehalt im Jahr geschätzt wird.
Trotzdem steht er nach nun 15 Spielen grade mal bei 4 Scorern (2 Tore und 2 Vorlagen) und wird zudem scharf dafür kritisiert, neuen Mitspielern wie Florian Wirtz oder Hugo Ekitiké in torentscheidenden Situationen nicht zuzuspielen, sein Ego in den Vordergrund zu stellen und sich dabei immer mehr von der Mannschaft abzuschotten.
Die Folge: Arne Slot setzte ihn ab einem bestimmten Punkt auf die Bank, ihn die Vereinslegende - etwas, was einst Erik ten Hag bei Manchester United schon mit einem alternden Cristiano Ronaldo tat - mit ähnlichen Folgen (siehe Ronaldos Interview vor seinem United-Abgang):
Nun sprechen wir über Mo Salah's Interview nach jenem 3 : 3 gegen Leeds United gegenüber Sky.Sports. Parallelen zu Cristiano Ronaldos Manchester-United-Abrechnungs-Interview mit Piers Morgan im Jahr 2022 gibt es hier nämlich definitiv, was die Schärfe im Tonfall angeht und auch die Tatsache, dass hier ein Spieler klar aufzeigt, größer als der Verein und insbesondere der Trainer zu sein.
Hier einige originale Zitate aus seinem Interview und unsere Einschätzung dieser Aussagen nach dem 3 : 3 gegen Leeds:
„Ich verstehe nicht, warum ich auf der Bank sitze. Ich habe viel für den Club getan. Es fühlt sich so an, als würde der Club mich unter den Bus werfen.“
Hier ist schon klar der erste Fehler in der Selbsteinschätzung von Mo Salah. Denn im Gegensatz zu Robert Lewandowski oder auch Cristiano Ronaldo gibt es im Fall Salah keinen anderen wirklich großen europäischen Verein, wo er ähnlich viel Ruhm und Aufmerksamkeit erhielt. Der Erfolg des FC Liverpools ist daher natürlich klar mit Namen wie Trent Alexander-Arnold, Virgil van Dijk und natürlich auch Mo Salah verbunden, umso mehr aber ist der Erfolg von Salah völlig klar und nahezu einzig und allein mit dem FC Liverpool verbunden.
Die Dankbarkeit sollte daher auf beiden Seiten gegeben sein. Hinzu ist jeder Spieler über 30 auch irgendwann mal an dem Punkt, wo auch die körperliche Verfassung nachlässt.
„Ich sehe nicht mich als das Problem. Ich hätte es verdient zu spielen.“
Hier könnte man noch am ehesten mit Salah mitgehen. Denn ganz sicher ist er nicht der einzige Schuldige an der Liverpool-Krise.
Auch Spieler wie Isak und Wirtz spielten lange komplett unter ihren Erwartungen und neben dem Trainer und den Spielern sollte man hier auch klar die Vereinsführung in Frage stellen, deren Transferausgaben sich bislang in keiner Weise rentiert haben, sondern u.a. durch die Verpflichtung von zwei Starspielern auf der selben Position wie Ekitiké und Isak das Team eher verschlechterten. Dennoch muss ein Trainer natürlich auch immer nach der aktuellen Form der Spieler gehen.
„Die Beziehung zu Slot ist quasi nicht vorhanden, wir haben keinen Kontakt.“
Diese Aussage ist die von allen Kontroverseste und macht auch nicht wirklich Sinn. Denn an wem liegt fehlende Kommunikation am Ende? Natürlich auch an Arne Slot, aber doch vor allem erst mal an Mo Salah. Oder schreibt er, überspitzt gesagt, Slot drei mal täglich irgendwelche WhatsApps a la „Können wir mal unter vier Augen reden?“ und der arrogante Holländer mit der Glatze antwortet ihm einfach nicht?
Das dies so nicht geschehen ist, hat Slot selbst bereits bestätigt. Viel mehr war es, laut Slot, Mo Salah, der vor seinem Interview in keiner Weise das Gespräch mit ihm gesucht oder versucht hat, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Was ebenso für Stirnrunzeln sorgte, ist dass das Interview von Salah sehr ruhig und abgeklärt wirkt, nicht so, als wäre er grade in Rage, sondern eher so, als hätte er sich das, was er dort sagte, gut überlegt, auch mit dem Wissen, dass er nach dem nächsten Spiel sowieso weg wäre, um im diesjährigen Afrika-Cup für sein Heimatland Ägypten aufzulaufen.
In diese Richtung gingen zuletzt auch Aussagen von englischen TV-Experten wie Jamie Carragher, die ihm indirekt vorwarfen, seine Position im Verein zu nutzen, um einen schnellen Rauswurf von Trainer Arne Slot zu forcieren.
Folgen und Zukunft:
Ob es nun Kalkül oder tatsächlicher Frust um seine Situation war: Eines hat Salah damit auf jeden Fall geschafft, nämlich das Chaos rund um den FC Liverpool noch mehr zu verstärken. Dieses Interview hatte nun sogar zur Folge, dass man ihn aus dem Kader der Champions League ganz raus warf.
Dennoch darf man nie vergessen, dass die Identifikation mit seinem Job und seinem Verein immer auch eine gewisse Emotionalität hinterlässt. Wenn man nach einer 48-Scorer-Saison nur aufgrund von wenigen Spielen vom Trainer ausgemustert wird, hinterlässt das bei jedem Star auf diesem Level Spuren und nur die Wenigsten haben die Größe, ihren Unmut über die plötzliche Ausmusterung nicht auch in der Öffentlichkeit kund zu tun (man erinnere an die ersten Thomas-Müller-Aussagen nach seiner plötzlichen Nicht-Vertragsverlängerung bei den Bayern.)
Thomas Müller wird seine Karriere nicht beenden, die Entscheidung ist gefallen. In den kommenden 7-10 Tagen wird es offiziell kommuniziert bzw. der Vertrag fixiert. Er wird seine Karriere in der MLS fortsetzen. 2 Klubs sind in der Endverlosung, einer davon ist LAFC. [@SkySportDE] pic.twitter.com/i57j3yJ3iW
— FC Bayern News (@iMiaSanMia_GER) July 22, 2025
Allerdings hat sich Salah mit seinen Aussagen nun vor allem selbst das Leben schwer gemacht. Denn so widersprüchlich das klingen mag: Ab dem Moment, wo er zum Afrika-Cub reist, gilt nun zuallererst: Je erfolgreicher die Phase ohne ihn für den FC Liverpool läuft, desto mehr ist Salah der Verlierer, je weniger erfolgreich es hingegen läuft, desto mehr ist Salah der Gewinner.
Ob das eine Grundlage für eine erneute Zusammenarbeit in der Rückrunde ist, selbst unabhängig vom Trainer, darf also sehr in Frage gestellt werden.
Winterwechsel nachvollziehbar?
Des Weiteren hat nun das Thema Saudi Arabien in den letzten Wochen mehr denn je die Runde gemacht, wo sowohl Al-Nassr, Al-Ahli als auch Al-Hilal bereit wären, für die Dienste des Superstars noch einmal mehr Summen in astronomischer Höhe zu bezahlen.
Hier muss man allerdings bedenken, dass Saudi Arabien für Salah auch noch mal eine andere Bedeutung haben könnte als für Spieler, denen man nachsagt, wirklich nur aufgrund des Geldes in die Saudi Pro League zu wechseln.
Als indirektes Nachbarland seines Heimatlands Ägypten (nur eine kleine Meerenge trennen die beiden Länder) würde er in ein Land wechseln, über welches man in Sachen Menschenrechte natürlich durchaus streiten kann, welches aber auch aufgrund der Religion viele Parallelen zu seinem Heimatland aufweist, in dem er mittlerweile ein Volksheld ist und vielleicht der größte Fußballer, den das Land Ägypten je hervorgebracht hat.
And that’s why we call @MoSalah the Egyptian King 🇪🇬👑: leadership and sportsmanship. A model for us all.
— Louis Dumas (@Louis_Dumas9) January 31, 2022
Mabrouk ya Masr! 🇪🇬 📸🤩#AFCON2021 | #CAN2021 pic.twitter.com/Eogg3IG7sB
Daher scheint es auch nicht verwunderlich, dass eine Rückkehr von Salah in den nahen Osten gerade in seiner Heimat gefeiert wird und man in Ägypten nur wenig Verständnis für das Verhalten des FC Liverpool und insbesondere des Trainers hat.
Dieser Aspekt - dass hier quasi ein verlorener Sohn aus der Heimat in den nahen Osten zurückkehrt, würde diesem Saudi-Arabien-Transfer daher, was den arabischen Raum angeht, nochmal eine andere Dimension geben, als der von Karim Benzema, Ronaldo oder Neymar.
Die absolute Traumvorstellung für jeden Ägypter wäre natürlich eine Rückkehr von Salah zu seinem Heimat- und Ausbildungsclub Al-Mokawloon al-Arab in Nasr City, Kairo.
Hier hat sich das Fußballgeschäft nur leider in eben diese Richtung entwickelt, dass das wohl ebenso unrealistisch ist wie eine Rückkehr Cristiano Ronaldos als Spieler zu seinem Heimatclub Sporting Lissabon.
Es bleibt also spannend zu beobachten, wie Salahs Karriere weiter geht. Schön wäre es, wenn sich (wie im Falle Thomas Müller) Spieler und Verein am Ende doch so einigen können, dass man harmonisch auseinander geht.
Dies plus ein würdiges Abschiedsspiel, inklusive entsprechender Choreo, wäre sowohl Salah, als auch dem Verein, am allermeisten aber den Liverpool-Fans zu wünschen.



