Borussia Dortmund galt viele Jahre als das Aushängeschild des deutschen Fußballs nach dem FC Bayern München. International misst man sich sportlich immer noch mit den größten Klubs der Welt, doch national ist der Glanz vergangener Zeiten eher Geschichte. Statt Meisterschaftskampf heißt es nun vermehrt Kampf um die Champions-League-Qualifikation. Die Gründe dafür sind vielschichtig, einer davon ist allerdings ganz sicher die Transferstrategie der letzen Jahre und damit die Arbeit von Zorc-Nachfolger Sebastian Kehl. Schon jetzt steht der BVB-Sportdirektor unter massivem Druck. (Bild: IMAGO / DeFodi Images)
In Dortmund brodelt es, allerdings derzeit kaum in der Gerüchteküche und aus dem Verein dringt derzeit ebenso wenig nach außen. Stattdessen sind es Fans, Experten und externe Analysten, die einmal mehr Sorge um die sportliche Zukunft des Klubs haben. Der Grund liegt auf der Hand, denn einmal mehr scheinen der zugegebenermaßen starke Saisonendspurt und die Qualifikation für die Champions League über die erneut schwache Saison der Borussen getäuscht zu haben. Man bekommt erneut den Eindruck, dass die sportliche Führung sich davon erneut blenden und einmal mehr elementare Analysefähigkeiten sowie Selbstkritik vermissen lässt.
Bereits kurz nach dem geglückten Saisonfinale in der Bundesliga deuteten Kehl und Ricken mehr als nur an, dass man nicht mit einem weiteren großen Umbruch bei den Borussen rechnen solle. „Fünf oder sechs Top-Transfers" schloss Sebastian Kehl kategorisch aus und auch Ricken merkte an, dass man keine dreistellige Millionensumme in die Hand nehmen könne, dafür würde dem BVB ein milliardenschwerer Geldgeber fehlen. Man wollte den Kader stattdessen punktuell verstärken.
Doch die vergangenen zwei Jahre sollten eigentlich gezeigt haben, dass es dringend weiter Veränderungen benötigt. Eine Vielzahl an Spielern hat mittelfristig nicht das gewünschte Niveau und zeigt nun bereits seit geraumer Zeit inkonstante Leistungen. Das in Dortmund gerne aufgemachte Geldthema erscheint jedoch einmal mehr die gerne getätigt Ausrede zu sein und sendet an die Fans lediglich ein Zeichen der Ambitionslosigkeit, die sich scheinbar sogar bereits auf Niko Kovac übertragen hat.
🗣️| Niko Kovač über den Einzug ins CWC-Viertelfinale: „Dadurch, dass wir die Gruppenphase überstanden haben, haben wir bereits überperformt. Nun gegen den größten Verein der Welt zu spielen, ist ein schöner Bonus.“ #BVB
— BVB Newsflash (@bvbnewsflash) July 2, 2025
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Kader braucht erneut deutliche Veränderungen
Die Aussagen der BVB-Verantwortlichen lassen vermuten, dass der Kader größtenteils unverändert bleiben wird. Das wäre allerdings verheerend, denn große Teil des aktuellen Kaders sind entweder überbezahlt, bringen nicht die geforderten Leistungen oder passen sogar in beide Kategorien. Spieler wie Emre Can, Salih Özcan, Marcel Sabitzer, Julian Brandt, Giovanni Reyna, Sébastian Haller und auch der zuletzt verbesserte Niklas Süle sollten mittelfristig keine Perspektive mehr in Dortmund besitzen.
Ein solcher Umbruch würde dann nicht nur große Einsparungen bei Gehältern bringen, sondern Fans ein Gefühl der Veränderung und des Aufbruchs geben. Zurück zu den Basics mit jungen, entwicklungsfähigen und mitreißenden Spielern wäre genau das, wonach sich viele Fans seit Jahren sehnen. Doch dafür braucht es den Mut zur Veränderung und eine wirkliche Transferstrategie, die in den letzen Jahren selten zu erkennen war. Stattdessen lässt man sich, wie eingangs erwähnt, gerne von ein paar starken Wochen blenden.
Dabei haben selbst TV-Experten wie Mario Basler längst erkannt, dass sich etwas tun müsste beim BVB. Ein Armutszeugnis, dass man das wohl im Verein weiterhin verkennt.
🗣️| Mario Basler: „Der Last-Minute-Sprung in die Königsklasse übertüncht wieder vieles. Natürlich haben sie in der Bundesliga die letzten acht Spiele gewonnen – super, toll. Aber was war davor? Katastrophenfußball!
— BVB Newsflash (@bvbnewsflash) July 10, 2025
Da muss auf vielen Positionen was passieren in Dortmund.“ #BVB pic.twitter.com/tYjRrrR9FF
Mangelnde Analysefähigkeiten
In den letzten Jahren wurde zudem immer deutlicher, dass vor allem kritische Analysen in Dortmund ein Fremdwort geworden sind. Man bekommt das Gefühl, dass der „Stallgeruch" dafür gesorgt hat, dass niemand seinem Vereinskollegen klare, unmissverständliche und vor allem kritische Wort an den Kopf werfen möchte. Und wenn es dann doch mal zu kritischen Analysen gekommen ist, wurde nahezu jedes Mal die falsche Entscheidung getroffen. Ein Wahnsinn, wenn man die Gehälter der BVB-Verantwortlichen bedenkt.
Diese Probleme haben sich natürlich längst auf die Transferaktivitäten ausgeweitet. Seit Jahren mangelt es an einer klaren Linie und Strategie, wie der Verein langfristig erfolgreich sein möchte. Das spiegelt sich in den Trainern und der Mannschaft der letzten Jahre eindrucksvoll wieder. Zudem schaffen es die Verantwortliche nahezu jedes Jahr, den akuten Bedarf im Kader nicht zu erkennen und kritische Meinungen gekonnt zu ignorieren.
Jüngstes Beispiel hierfür ist wohl die Diskussion um einen klaren defensiven Mittelfeldspieler. Der BVB braucht einen Denker und Lenker aus der Zentrale heraus, der das Spiel nach vorne ankurbelt, jedoch insbesondere defensiv auf seinem Posten ist. Der letzte Spieler mit diesen Qualitäten war Axel Witsel und weder Emre Can noch Salih Özcan konnten diese Erwartungen erfüllen. Es ist offenkundig, dass diese Position vakant ist und Felix Nmecha seine Stärken eher eine Position weiter vorn hat, dennoch möchte man solche Diskussionen laut Ricken nicht einmal führen. Trotz des expliziten Wunsches von Kovac nach Verstärkung auf dieser Position.
Borussia Dortmund fehlt ein klassischer Sechser – also ein defensiver Mittelfeldspieler, der absichert. Zwar gibt es Mittelfeldspieler im Kader, aber keiner passt wirklich in diese Rolle. Niko #Kovač drängt intern auf eine Verpflichtung eines Sechsers.
— Lafonate (@LafonateBVB) July 11, 2025
Die Bosse sehen hier… pic.twitter.com/Au26OOxhwH
Unvorbereitet in die Transferperiode
Grundsätzlich wird man bei Borussia Dortmund und insbesondere Sebastian Kehl das Gefühl nicht los, als würde man teilweise fast schon unvorbereitet in die Transferphasen gehen und Schwachstellen nicht richtig analysieren. Die letzten Jahre haben immer wieder aufgezeigt, dass Neuzugänge erst spät zum Team gestoßen sind. Für jeden Trainer ist das natürlich eine Katastrophe, wenn man den Kader nicht frühzeitig beisammen hat und sich einspielen kann. Ebenso wurden oftmals offensichtliche Baustellen erst im Wintertransferfenster geschlossen, was erneut für eine eher schwache Einschätzung des eigenen Kaders spricht.
Auch in diesem Jahr bekommt so mancher Fan bereits wieder ein schlechtes Gefühl. Anfang des Jahres war ein Malen-Abgang bereits seit ein paar Wochen absehbar, trotzdem konnte man keinen Ersatz mehr verpflichten und ließ sich von John Textor und Olympique Lyon vorführen. Ein Ersatz für Malen fehlt indes weiterhin. Dann zeichnete sich über Wochen der Abgang von Jamie Gittens ab, Gedanken bezüglich eines Profils für den Nachfolger machte man sich allerdings Berichten nach erst zuletzt. Wirklich konkret soll es derzeit aber wohl nirgends sein, ein Armutszeugnis.
🗣️Der #BVB prüft derzeit verschiedene finanziell realistische Szenarien, wie auf Gittens' Abgang und Duranvilles Verletzung reagiert werden soll. Konkret ist dies derzeit allerdings nirgends.
— Aro10 (@AroooBVB) July 14, 2025
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Verpasste Chancen auf dem Transfermarkt
Diese fehlerhaften oder späten Analysen sowie eine offenbar mangelnde Vorbereitung sorgen dann auf dem Transfermarkt dafür, dass sich offene Türen redensartlich schnell schließen oder geschlossen haben. Ja, bei Rayan Cherki lag die Schuld nicht ausschließlich bei Sebastian Kehl und seinem Team, dennoch dürfte die Cherki-Saga nicht gerade für ein verbessertes Image gesorgt haben. Ebenso scheinen die Verantwortlichen auch bei Johan Bakayoko in die Röhre zu schauen, obwohl der Belgier bestens in die öffentlich geäußerte Transferstrategie gepasst hätte, bezahlbar gewesen wäre und ein Spieler gewesen wäre, auf den sich die Fans jeden Spieltag hätten freuen können.
Die Wahrheit ist schlichtweg, dass Borussia Dortmund bereits seit ein paar Jahren durch mangelnde Analyse vollkommen falsche Prioritäten in der Kaderplanung setzt, Trainer regelmäßig im Regen stehen lässt und andere Vereine den Borussen bereits den Rang abgelaufen haben. Klubs wie Bayer 04 Leverkusen oder Eintracht Frankfurt fischen mittlerweile im gleichen Teich und verfügen darüber hinaus über klare Strategien und mutige Entscheidungsträger. Genau das sucht man beim BVB mittlerweile vergebens.
Der Ruf von Borussia Dortmund als die Top-Adresse für junge Spieler mit großem Potenzial hat mindestens einen Kratzer bekommen und Beobachter des Vereins machen sich auch aufgrund der internen Machtkämpfe und weiterer Probleme absolut berechtigte Sorgen um den Verein.
🚨🚨 EXCL | RB Leipzig are pushing hard for Johan #Bakayoko now!
— Florian Plettenberg (@Plettigoal) July 14, 2025
Understand Leipzig are now in pole position. It’s advanced. As reported, there has not been a full verbal agreement between Leverkusen and Bakayoko so far.@SkySportDE 🇧🇪 pic.twitter.com/AoDNlTywFj