Die mittlerweile jährliche sportliche Krise bei Borussia Dortmund hat nun mit der Freistellung von Nuri Şahin als Cheftrainer der Borussen geendet. Rein sportlich betrachtet die folgerichtige Entscheidung, doch letztlich ist Şahin lediglich ein weiteres Bauernopfer der schwachen Führungsriege. Der Verein krankt an allen Ecken und Enden, doch anstatt der angebrachten Wurzelbehandlung versucht man sich lediglich in einer Behandlung der Symptome. (Bild: IMAGO / Ulmer/Teamfoto)
Nuri Şahin wurde im Januar 2024 als Co-Trainer von Edin Terzic installiert und hatte in der Folge direkt maßgeblichen Anteil am Aufwärtstrend in der Rückrunde der letzten Spielzeit. Dank ihm wurde das Spiel mit Ball deutlich verbessert und man konnte am Ende das Finale der Champions League erreichen. Es folgte zur neuen Saison hin die Beförderung zum Cheftrainer, was eine Art Aufbruchstimmung erzeugte. Insbesondere das Aufbauspiel wurde weiter verbessert und um neue Varianten ergänzt, ein deutlicher Fortschritt zu seinem Vorgänger und ein Schritt in Richtung Moderne.
Doch die Ergebnisse blieben auch in phasenweise guten Spielen teils aus, der letzte Punch fehlte. In diesem Kalenderjahr wurden die Mängel im Spiel des BVB schließlich mehr und die Mannschaft verlor endgültig ihre Leichtigkeit. Die Entlassung von Şahin ist daher sportlich betrachtet folgerichtig, allerdings stellt sie lediglich eine Bekämpfung des Symptoms da und die tatsächlichen Ursachen der Problemen liegen tiefer. Eines der Probleme deutete Şahin selbst bereits mehr als an.
🎙️ Nuri #Sahin : „In diesem Verein muss endlich wieder Ruhe einkehren. Wir können hier keine Nebenschauplätze dulden. Ich trage eine sportliche Verantwortung. Mir ist wichtig, dass der BVB erfolgreich ist.“#BVB
— Aro10 (@AroooBVB) January 22, 2025
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Sportdirektor: Sebastian Kehl
Einen großen Anteil an der sportlichen Talfahrt von Borussia Dortmund hat sicherlich auch Sebastian Kehl. Teils für seine Transfers gelobt, steht der Sportdirektor des BVB bereits seit längerem unter genauer Beobachtung. Bereits in der vergangenen Saison wirkte der Kader unausgeglichen und musste im Winter mit Transfers von Ian Maatsen und Jadon Sancho verstärkt werden, um die großen Ziele des Vereins erreichen zu können.
In der laufenden Spielzeit ergibt sich ein nahezu unverändertes Bild. Bereits im Sommer war vielen Anhängern und Analysten klar, dass der Kader für einen Verein mit solcher Belastung zu klein ist. Dennoch ging man beispielsweise mit lediglich einem erfahrenen Linksverteidiger in die Saison. Nun sollten dringend Verstärkungen im Winter folgen und auf den Abgang von Donyell Malen präsentierte man sich nach außen vorbereitet, doch bis heute passierte auf der Zugangsseite nichts. Die gehandelten Namen sprechen zudem nicht dafür, dass man wirkliche Probleme des Kaders erkannt hat oder nach einem bestimmten Profil bei Neuzugängen sucht.
Stattdessen wurde die eigene Vertragsverlängerung unter Dach und Fach gebracht. Ein verheerendes Zeichen, wirkliche Unterstützung für den Trainer sieht anders aus.
Der Abgang von #Malen stand intern nun ein halbes Jahr quasi fest und man ist nullkommanull vorbereitet. Der Spielplan ist derart dicht, dass da bereits am 01. Januar 2-3 Neuzugänge mit der Mannschaft trainieren müssten. Stattdessen erstmal entspannt ins neue Jahr... (2/2)
— Tuppi (@Tuppi1909) January 13, 2025
Kaderplaner: Sven Mislintat
Im Mai letzten Jahres kehrte mit Sven Mislintat ein alter Bekannter nach Dortmund zurück. Einer mit „Stallgeruch", wie man in Dortmund mittlerweile zu sagen pflegt. Bei einigen Transfers wie unter anderem dem von Serhou Guirassy soll er eine durchaus entscheidende Rolle gespielt haben, doch ist Mislintat die damals erwartete große Hilfe?
Bis jetzt muss man leider konsternieren, dass er das zumindest von außen betrachtet nicht ist. Bereits im vergangenen Sommer soll es Grenzüberschreitungen in seiner klaren Rolle als Kaderplaner gegeben haben, indem er eigenständig Kontakt zu Spielerberatern und Vereinen herstellte sowie Verhandlungen führte. Mislintat scheint interne Machtkämpfe auszutragen, um selbst in die Position von Sebastian Kehl als Sportdirektor rutschen zu können. Beide sollten zugunsten des Vereins eigentlich eng und vertraulich zusammenarbeiten, doch das scheint nicht möglich zu sein.
Im Gegenteil, stattdessen soll sich Mislintat intern bei Mitarbeitern des Vereins sowie extern bei Beratern sogar negativ über Kehl und Şahin ausgelassen haben. Auch Seitenhiebe gegen Lars Ricken als Geschäftsführer Sport soll es gegeben haben. Ein Verhalten, welches ein Verein wie Borussia Dortmund nicht durchgehen lassen darf.
Kaderplaner will Job des Sportdirektors. Der wollte Sport-Geschäftsführer werden. Berater zerlegt Team und mittelbar auch Trainer im TV. Jeder beäugt den anderen misstrauisch. Wer glaubt, dass ein Trainerwechsel alles heilt, klebt auch ein Pflaster auf einen Kreuzbandriss. #BVB
— Sebastian Weßling (@fluestertweets) January 22, 2025
Berater des Managements: Matthias Sammer
Eines der größten Probleme bei Borussia Dortmund ist allerdings recht deutlich Matthias Sammer. Seit April 2018 ist er als Berater im Verein und soll den Entscheidungsträgern in strategischen Fragen beratend zur Seite stehen. Doch was hat sich seitdem durch Sammer tatsächlich zum Positiven entwickelt?
Borussia Dortmund scheint vergessen zu haben, wofür es all die Jahre zuvor stand. Es lässt sich keinerlei Strategie oder Vision mehr im Verein erkennen. Das sieht man bei den Trainer-Verpflichtungen der letzten Jahre, bei den aktuell gehandelten Kandidaten und auch bei den getätigten Transfers oder den aktuell bestehenden Gerüchten. Keinerlei Handschrift, keinerlei Kreativität. Doch sind das nicht die Themen, bei denen Sammer unter anderem analytisch zur Seite stehen und beraten sollte?
Grundsätzlich bestehen ohnehin Zweifel an Sammers Analysefähigkeiten, wenn man sich jene Analysen in Interviews anschaut. Diese sind für einen Berater des Managements eines eigentlich ambitionierten Vereins oftmals unterirdisch und gehen an den tatsächlichen Problemen des Vereins meistens vorbei, wenn man seine teils wirren Aussagen überhaupt nachvollziehen kann. Nicht selten wirken seine Analysen, als würde sich Sammer noch im Fußball von vor 20 Jahren befinden. Auch mit öffentlicher Kritik an anderen Entscheidungsträgern im Verein hält er nicht zurück und bespricht Dinge eben nicht intern, wie man es eigentlich erwarten dürfte.
Je mehr Macht Matthias #Sammer beim BVB erhalten wird, desto gefährlicher ist es für die Entwicklung.
— Fann (@Stefan_1909) January 22, 2025
Wer weiterhin meint, dass dieser Kader in erster Linie ein Mentalitäts- anstatt eines Qualitätsproblem hat, wird die negative Entwicklung nur noch verstärken. #BVB https://t.co/lVb4FZY5ro
Vorsitzender Geschäftsführung: Hans-Joachim Watzke
Das größte Problem von Borussia Dortmund ist die bereits angesprochene strategische Ausrichtung. Was ist die Vision des Vereins? Wie möchte man spielen lassen? Wie möchte man sich personell nachhaltig aufstellen? Nach welchen Kriterien stellt man folglich den Trainer ein und den Kader zusammen? An der Beantwortung all dieser Fragen hatte Hans-Joachim Watzke in der Vergangenheit maßgeblichen Anteil, doch aktuell ist absolut nichts dergleichen in Dortmund zu erkennen.
Die Strategie des „Stallgeruchs", welche ich in einem früheren Artikel bereits als eines der größten Probleme des Vereins angeführt habe, ist krachend gescheitert. Jene geht auf Watzke und dessen Berater Sammer zurück, welche dem Klub damit nachhaltig geschadet haben. Neue Impulse von außen sind dringend notwendig, ebenso eine Neuausrichtung des Vereins. Dafür benötigt es auch Kapital für Transfers, bei welchem sich Watzke als regelrecht kniepig präsentiert.
Natürlich hat er die Geschichte von Borussia Dortmund mit der nur knapp verhinderten Insolvenz im Hinterkopf, doch der Verein muss für seine ambitionierten Ziele auch handlungsfähig bleiben und mit der Zeit gehen. Trotz tendenziell steigender Umsätze verhält man sich auf dem Transfermarkt ähnlich wie vor zehn Jahren und man bekommt das Gefühl, dass der Verein sich regelrecht „kaputtspart".
Fazit: Ein kompletter Neuanfang ist unumgänglich.
In Dortmund brennt Anfang 2025 nicht nur der sprichwörtliche Baum, sondern das gesamte Haus. Ein kompletter Neuanfang auf nahezu allen Positionen des Vereins sowie strategischer Natur ist nötig, um den Verein wieder auf Kurs zu bringen. Vor allem aber sollten Watzke und Sammer bei dieser Neuausrichtung keinerlei Mitspracherecht mehr besitzen und Borussia Dortmund besser alsbald verlassen. Einst finanziell gerettet und aus dem Tabellenmittelfeld in die internationale Spitze geführt, reißt Watzke sein Vermächtnis kurz vor seinem Abtritt wieder ein und hat den Verein wieder zurück ins Mittelmaß geführt. Aktuelle Umfragen sehen ihn und Sammer als Hauptschuldige an der aktuellen Situation.
Das Ergebnis der Abstimmung ist eindeutig:#Watzke und #Sammer haben eurer Meinung nach den größten Anteil an unserer sportlichen Situation. Danke fürs Mitmachen!#BVB https://t.co/qWKbk17MPb pic.twitter.com/koOpwbGE7p
— schwarzundgelb (@schwarzundgelb1) January 16, 2025
Es wäre also an der Zeit, dass Lars Ricken als immer noch recht neuer Geschäftsführer Sport endlich durchgreift, ein Machtwort spricht und personelle Konsequenzen im Verein herbeiführt. Identifikation mit dem Verein ist bei Borussia Dortmund zweifelsfrei wichtig, aber sollte definitiv nicht alles sein. Es bedarf dringend Expertise von außen und eines klaren, rationalen Blickes auf die aktuellen Verhältnisse. Doch wir alle kennen Borussia Dortmund und die „schonungslosen Analysen" und so wird es vermutlich mit neuem Trainer für alle Beteiligten so lange weitergehen, bis der Verein endgültig an die Wand gefahren wurde.