Ein genauer Blick auf die zwei womöglich größten Gewinner des italienischen Transferfensters: Torino und Pisa. Beide Klubs haben nicht nur den Trainer gewechselt, sondern auch einige spannende Spieler verpflichtet. Ein detaillierter Blick auf die beiden Vereine und eine Einschätzung, ob sie in der kommenden Saison realistisch für Überraschungen sorgen könnten. (Bild: IMAGO / Sports Press Photo)
Der FC Turin
Der neue Trainer: Marco Baroni
Nachdem Torino im Sommer letzten Jahres Paolo Vanoli als Cheftrainer verpflichtete, erlebte der Klub einen hervorragenden Saisonstart: Nach dem fünften Spieltag stand man mit elf Punkten an der Tabellenspitze und eine echte Überraschungssaison schien möglich. Doch dieser vielversprechende Verlauf blieb aus. Topstürmer Duván Zapata zog sich eine schwere Verletzung zu und eine deutliche Offensivschwäche sowie mangelnde Kreativität machten sich bemerkbar. Am Ende belegte Torino erneut einen Platz im Tabellenmittelfeld – Rang elf –, wie bereits in den letzten vier Spielzeiten, in denen man zwischen Platz neun und elf rangierte.
Nun trennte sich der Verein von Vanoli und gelangte mit der Verpflichtung von Marco Baroni zu einem echten Coup. Baroni stand in der vergangenen Saison bei Lazio Rom unter Vertrag und führte die Mannschaft zu einem siebten Platz, nur fünf Punkte hinter Rang vier und der Champions-League-Qualifikation. Dennoch verpassten die Biancocelesti das europäische Geschäft, was zur Trennung vom Trainer führte – trotz seiner guten Arbeit, mit der er die Mannschaft weiterentwickelte, neue Spieler integrierte und ein klares Spielkonzept etablierte. Baroni ist bekannt für seine flexible und dynamische Spielweise, bei der seine Spieler mehrere Positionen während des Spiels übernehmen müssen und ein hohes technisches Verständnis gefragt ist, um sein Konzept erfolgreich umzusetzen.
Zuvor war der 61-Jährige bei Hellas Verona, Lecce, Reggina, Cremonese, Frosinone und Benevento tätig. Nach seiner Station bei Lazio übernimmt Baroni nun seinen zweiten großen Klub in Italien. Der siebenfache italienische Meister hofft, mit ihm wieder eine Rolle im Kampf um die europäischen Plätze spielen zu können.
Benvenuto, Mister Baroni 🐂 pic.twitter.com/Rr4LdfcczX
— Torino Football Club (@TorinoFC_1906) June 5, 2025
Die Transfers
Mit Samuele Ricci, der für 23 Millionen Euro zum AC Milan wechselte und Vanja Milinković-Savić, der sich Napoli per Leihe mit Kaufpflicht anschloss – Turin erhält für den Torhüter zunächst 15 Millionen Euro und im kommenden Sommer eine weitere Summe von 5 bis 6,5 Millionen Euro – hat der Klub zwar zwei absolute Leistungsträger und Schlüsselspieler verloren, jedoch auch beträchtliche Einnahmen erzielt. Verteidiger Sebastian Walukiewicz verließ den Verein ebenfalls, allerdings auf Leihbasis mit Kaufoption in Richtung Sassuolo. Insgesamt nahm Torino in diesem Transferfenster 39 Millionen Euro ein, von denen bereits ein Teil wieder in den Kader reinvestiert wurde.
So verpflichtete man Zakaria Aboukhlal für acht Millionen Euro für Rechtsaußen. Der 25-jährige kam von Toulouse und erzielte in der letzten Ligue-1-Saison elf Scorerpunkte – ein starkes Geschäft, zumal der Marokkaner einen Marktwert von 12 Millionen Euro besitzt. Für fünf Millionen Euro holte man zudem den Milinković-Savić-Ersatz Franco Israel von Sporting Lissabon, der mit hoher Wahrscheinlichkeit die neue Nummer eins bei den Turinern werden wird. Offensiv wurde ebenfalls kräftig nachgelegt: Cyril Ngonge kommt für eine Saison per Leihe, mit einer Kaufoption von 16 bis 17 Millionen Euro. Giovanni Simeone wurde als Mittelstürmer ebenfalls für eine Saison ausgeliehen, bei bestimmten Bedingungen greift eine Kaufpflicht von etwa sieben Millionen Euro. Beide Spieler kamen von Napoli. Darüber hinaus bediente sich Torino bei Absteiger Empoli und sicherte sich zwei der besten Spieler der vergangenen Saison: Innenverteidiger Ardian Ismajli ablösefrei sowie das Mittelfeldtalent Tino Anjorin auf Leihbasis mit einer Kaufpflicht unter bestimmten Bedingungen in Höhe von fünf Millionen Euro. Top-Deals, die deutlich machen, dass der Klub hohe Ansprüche für die neue Saison hat. Man holte Spieler, die die individuelle Qualität im Kader direkt steigern und sich am Leistungspeak befinden oder diesen bald erreichen dürften.
Was ist drin für Torino 25/26?
Die Kombination aus Trainer und Kader wirkt äußerst vielversprechend – der Klub besitzt definitiv das Potenzial, sich für den europäischen Wettbewerb zu qualifizieren und einen Platz unter den ersten sechs zu erreichen. Dennoch wird das eine große Herausforderung, wenn man die Konkurrenz betrachtet, die ebenfalls nahezu ausnahmslos mit neuen Trainern an der Seitenlinie antritt und auf dem Transfermarkt aktiv war. Torino wird sich, sollte man um die vorderen Plätze mitspielen, vermutlich mit Bologna, Lazio und Atalanta messen müssen – allesamt Kandidaten für die Plätze fünf bis acht. Ein Finish unter den ersten sechs wäre in jedem Fall ein großer Erfolg und eine Überraschung, bedenkt man, dass es der Klub zuletzt 1992 geschafft hat, sich unter den ersten sechs zu platzieren.
Pisa Sporting Club
Der neue Trainer: Alberto Gilardino
Alberto Gilardino heißt der neue Mann an der Seitenlinie in Pisa. Der 43-jährige kehrt damit nach knapp einem Jahr zurück in die Serie A – eine vielversprechende Personalie.
Nach einem hervorragenden Punkteschnitt von 2,69 bei der U19 des CFC Genua beförderte der Klub den 57-fachen italienischen Nationalspieler im Dezember 2022 zum Cheftrainer der ersten Mannschaft, als man Tabellenfünfter in der Serie B, der zweiten Liga Italiens, war. Gilardino führte den Verein auf Platz zwei und sicherte damit den direkten Wiederaufstieg. Auch in der darauffolgenden Saison hielt die Erfolgsserie an: In seiner ersten Serie-A-Saison belegte Gilardino mit dem Aufsteiger einen starken elften Platz. Im November letzten Jahres trennte man sich jedoch von ihm, nachdem man nach zwölf Spielen mit zehn Punkten Rang 17 belegte und damit einen enttäuschenden Saisonstart erlebte.
Trotzdem gilt die Verpflichtung Gilardinos als großer Hoffnungsträger für die Pisa-Fans – nicht zuletzt wegen seiner exzellenten Arbeit zwischen 2022 und 2023 bei Genua. Vor allem zeigte er, wie man mit einem Aufsteiger erfolgreich den Klassenerhalt meistern kann. Doch für welchen Fußball steht Gilardino?
In der erfolgreichen Saison 2023/24, nach dem Aufstieg in die Serie A, zeichnete sich Genua unter Gilardino vor allem durch defensive Stabilität aus. Die Offensive war hingegen Schwachpunkt: Nur Salernitana erzielte einen geringeren xG-Wert als Genua, die mit 35,7 erwarteten Toren statistisch nicht einmal ein Tor pro Spiel schafften. Diesen Wert übertrafen sie jedoch um fast zehn Tore – vor allem dank der individuellen Qualität von Albert Gudmundsson, der maßgeblich zu insgesamt 45 erzielten Treffern beitrug. Ein weiterer zentraler Aspekt bei Genua 2023/24: Kein Team der Liga verzeichnete im Durchschnitt weniger progressivere Läufe eines Spielers pro Spiel, was zeigt, dass Gilardino nicht nur die defensive Grundordnung priorisierte, sondern auch auf direktes Kurzpassspiel setzte. Zudem verstand es Genua hervorragend, sich im letzten Drittel den Gegner zurechtzulegen und mit einer Kombination aus Spielintelligenz und hoher individueller Offensivqualität Tore zu erzielen – obwohl sie selten Abschlüsse wagten. Nur sechs Teams hatten in dieser Saison eine höhere Torquote pro Schuss, und lediglich fünf Teams schossen im Durchschnitt aus kürzerer Distanz. Dazu kam eine gut organisierte Defensive: In der Tabelle der kassierten Gegentore belegte Genua Platz sieben – vor Vereinen wie Milan, Napoli, Florenz und der Roma. Nicht zu vergessen die Standardstärke: Ein Drittel aller Genua-Tore resultierte aus Elfmetern, Freistößen oder Kopfballtreffern.
Mister Alberto Gilardino si presenta! 🎤https://t.co/mEXJTRAgXL pic.twitter.com/L7iRZUsPki
— Pisa Sporting Club (@PisaSC) July 12, 2025
Die Transfers
Passt das Spielsystem zum Pisa-Kader und welche Transfers wurden bisher getätigt?
Knapp elf Millionen Euro hat der Klub bislang investiert, dabei aber noch keinen einzigen Cent durch Spielerverkäufe eingenommen. Die Neuzugänge sehen jedoch sehr vielversprechend aus: Isak Vural (19) kam für 4,5 Millionen Euro von Frosinone für das zentrale Mittelfeld, Henrik Meister (21) wechselte als neuer Stürmer für vier Millionen Euro von Stade Rennes nach Italien. Außerdem holte man Innenverteidiger-Talent Mateus Lusuardi (21) für 500.000 Euro in den Kader und verpflichtete Simone Scuffet (29) als mutmaßlich neue Nummer eins im Tor für 900.000 Euro von Cagliari. Ebenezer Akinsanmiro (20) stieß per Leihe von Inter Mailand zum Team, wobei Pisa sich offenbar eine Kaufoption sicherte.
Doch drei Toptransfers stechen besonders hervor: Mittelstürmer M’Bala Nzola (28) kam für eine Leihe von einer Million Euro von Florenz – nach Saisonende kann Pisa den Angolaner für 6,5 Millionen Euro fest verpflichten. In der Saison 2022/23 erzielte Nzola 13 Tore in der Serie A für Spezia – ein hervorragender Wert, den die Verantwortlichen in Pisa ihn sicherlich gerne wiederholen sehen würden. Michel Aebischer (28) wechselte ebenfalls zum Aufsteiger. Der 32-fache Schweizer Nationalspieler wurde bei Bologna aussortiert und kommt zunächst per Leihe, mit anschließender Verpflichtung im Sommer, sofern Pisa den Klassenerhalt schafft. Ein echter Toptransfer und zugleich der wertvollste Spieler im Kader. Zudem gelang es Pisa, Serie-A-Ikone Juan Cuadrado (37) zu verpflichten, der nun bei seinem siebten Serie-A-Klub anheuert. Der Rechtsverteidiger absolvierte in der vergangenen Saison 32 Spiele für Atalanta und verbuchte dabei vier Assists. Cuadrado, einst ein echter Topspieler mit internationalem Format bei Juventus, bringt mit knapp 400 Serie-A- sowie 67 Champions-League-Einsätzen enorm viel Erfahrung mit und wird sportlich sicher einen Mehrwert bieten.
Diese Transfers passen sehr gut zu Gilardinos Spielsystem. Derzeit deutet alles darauf hin, dass Pisa ein 3-4-2-1-System implementieren wird, das besonders für Nzola, Aebischer und Cuadrado wie geschaffen scheint. Auffällig ist jedoch, dass der Pisa-Kader aktuell zu groß ist. Einige Abgänge und Einnahmen werden daher nötig sein, was wohl die Anzahl weiterer großer Neuzugänge begrenzen dürfte.
Was ist drin für Pisa 25/26?
Für Pisa ist der Klassenerhalt drin. Weder Trainer noch Transfers geben Grund zur Sorge – im Gegenteil: Das Transferfenster wirkt rund und vielversprechend, weckt Vorfreude auf die kommende Saison und nährt die Hoffnung, die Klasse in Italiens höchster Spielklasse zu halten. Das wäre ein großer Erfolg, schließlich hat Pisa seit 1991 nicht mehr in der Serie A gespielt.