Die Serie A war nie eine Liga für Chorknaben. Von den rauen 60er Jahren bis heute hat Italien immer wieder Spieler hervorgebracht, die nicht nur mit Klasse, sondern vor allem mit Härte, Provokation und einem Hang zum Chaos auffielen. Sie waren die Männer, vor denen Schiedsrichter zitterten, Gegner nachts Albträume hatten und Fans sie trotzdem liebten – oder eben hassten. Hier sind die größten „Bad Boys“, die italienische Fußballgeschichte geschrieben haben. (Bild: IMAGO / Gribaudi/ImagePhoto)
1. Claudio Gentile – Der Schlächter von 1982
Spitzname: „Il Macellaio“ (der Metzger) - Höhepunkt: WM 1982, Viertelfinale gegen Maradona und Brasilien
Gentile war der Inbegriff des Catenaccio-Verteidigers. Im WM-Viertelfinale gegen Argentinien (und später Brasilien) bekam er den Auftrag, Diego Maradona „auszuschalten“. Er tat es – mit einer Brutalität, die heute sofort Rot + Sperre bedeutet hätte. Maradona bekam in 90 Minuten keinen einzigen freien Ballkontakt. Gentile foulte, zog am Trikot, trat, verteilte Ellbogenchecks – und grinste danach in die Kameras: „Fußball ist kein Sport für Ballerinas.“
In der Serie A war er bei Juventus der Mann, der selbst van Basten oder Platini das Leben zur Hölle machte. Legendär sein Spruch: „Ich habe Maradona nicht gefoult. Ich habe ihn nur daran erinnert, dass er in Italien ist.“ Umso ironischer, dass sein Nachname ins Deutsche übersetzt "nett, freundlich" heißt. Privat vielleicht ja, aber auf dem Platz war der Spitzname der "Schlächter" eher zutreffend.
Claudio Gentile, a true champion 🤩#Azzurri #VivoAzzurro pic.twitter.com/oMlk8fuOn0
— Italy ⭐️⭐️⭐️⭐️ (@Azzurri_En) July 31, 2025
2. Giuseppe „Beppe“ Signori – Der Spielmanipulator
3× Torschützenkönig (1993, 1994, 1996) – und später wegen Spielmanipulation verurteilt
Auf dem Platz ein eiskalter Torjäger, neben dem Platz ein Mann mit Connections ins dunkle Milieu. Signori war der Typ Stürmer, der dir lachend in die Wade trat - aus dieser Situation noch den Elfer provozierte und selbst verwandelte. Seine Lazio-Zeit war geprägt von Ellbogenchecks und ständigen Nickeligkeiten. 2011 flog dann alles auf:
Signori wurde im Zuge des "Calcioscommesse-Skandals" verurteilt – er hatte Spiele seiner eigenen Mannschaft verkauft. Der nette Junge aus Bologna entpuppte sich als einer der größten Betrüger der Serie-A-Geschichte. "Beppe" wurde ursprünglich wegen eines Wettskandals für fünf Jahre gesperrt, eine Strafe, die im Jahr 2012 vom Schiedsgericht des italienischen Olympia-Komitees (CONI) bestätigt wurde.
Three-time capocannoniere, Giuseppe Signori 🩵 pic.twitter.com/duzmvLIkmT
— Lega Serie A (@SerieA_EN) February 17, 2025
3. Marco Materazzi – „Matrix“, Zidanes Lieblingsspieler
Weltmeister 2006, aber berühmt-berüchtigt für das WM-Finale
Materazzi war der Inbegriff des modernen Bad Boys: groß, laut, provokant. In der Serie A (vor allem bei Perugia und Inter) sammelte er Rote Karten wie andere Menschen Briefmarken. Sein Markenzeichen: Trash-Talk auf Straßen-Niveau. Im WM-Finale 2006 provozierte er Zidane mit einem Spruch über dessen Schwester – und kassierte den berühmtesten Kopfstoß der Fußballgeschichte. Materazzi danach trocken: „Ich habe schlimmeres von meiner Oma gehört.“ In Italien liebten sie ihn dafür.
Das mit Abstand brutalste und berüchtigtste Foul von Marco Materazzi in der Serie A war das gegen Juan Pablo Sorín am 27. August 2006 (Inter – Fiorentina 3:2). In der 73. Minute läuft Sorín mit dem Ball am linken Flügel. Materazzi kommt von hinten mit gestrecktem Bein, voller Sohle und aus ca. 2–3 Metern Anlauf direkt auf das Standbein von Sorín. Er trifft ihn mit voller Wucht seitlich aufs Knie. Sorín fliegt meterweit durch die Luft, bleibt regungslos liegen und musste verletzt raus.
Materazzi selbst kommentierte es Jahre später typisch: „Ich wollte den Ball spielen. Leider war da noch ein Bein dazwischen.“ Das Foul gilt unter den Tifosi als das härteste ungestrafte Foul (nur Gelb, erst nachträglich rot plus 3 Spiele Sperre) der 2000er-Jahre in der Serie A. Selbst hartgesottene Interisti nannten es damals „da morire“ (zum Sterben).
🇮🇹 Marco Materazzi with inter in Serie A 06/07:
— Nerazzurri Society (@nerazzurriSoci_) March 10, 2024
• 28 Matches 🏟️
• 10 Goals ⚽
𝐌𝐀𝐓𝐑𝐈𝐗! pic.twitter.com/vbQnO751YS
4. Gennaro Gattuso – „Ringhio“ (dt. Knurrer), Milans Pitbull
Weltmeister 2006, AC Milan-Legende
Gattuso war kein klassischer Schläger, sondern ein Mann, der mit 100 % Einsatz und 200 Prozent Aggression spielte. Wer gegen ihn antrat, wusste: Der beißt, der tritt, der brüllt dir ins Gesicht. Berühmt sein Duell mit Joe Jordan (Tottenham) 2011, als er dem Schotten an die Gurgel ging.
Gattuso war der Typ Spieler, den du in deiner Mannschaft haben wolltest – und gegen den du niemals antreten wolltest. Sein Trainer Ancelotti sagte einmal: „Rino ist wie ein Hund. Wenn er dich mag, leckt er dir die Hand. Wenn nicht, beißt er sie ab.“ Dieses "Abbeißen" mussten einige allen voran Francesco Totti erfahren.
Im Rahmen der Coppa Italia traf die Roma auf die Rossoneri. Francesco Totti stand an der Mittellinie, der Ball war schon weg – Gattuso flog mit beiden Beinen voraus horizontal in Tottis Knie. Totti rollte sich schreiend am Boden, Gattuso sah direkt Rot. Die Roma-Legende war danach wochenlang verletzt. Gattuso meinte später nur dazu: „Ich habe ihn nicht getroffen… ich habe ihn nur umarmt.“
#OnThisDay Gattuso against Tottenham 💪🏼 pic.twitter.com/xQhYfBy5bm
— Milan Posts (@MilanPosts) February 15, 2019
5. Zlatan Ibrahimović – Der König der Provokation
„Löwen vergleichen sich nicht mit Menschen“
Zlatan war zwar nur phasenweise in der Serie A (Juventus, Inter, Milan), aber wenn er da war, war er für jede Konfrontation zu haben. Ellbogen-Checks, Kung-Fu-Tritte (gegen Bari 2012), verbale Zerstörung von Gegnern und Schiedsrichtern. Sein Spruch nach einem Derby-Sieg: „Milano hat jetzt nur noch einen König – und der bin ich.“ Er bekam mehr Rote Karten fürs Nachtreten als manche Spieler in ihrer ganzen Karriere.
In seinem Buch gab der Schwede zu, dass das schwere Foul an Marco Materazzi eine Revanche war, da dieser in Jahre zuvor verletzt hatte. Zlatan kommentierte es klassisch arrogant: „Ich habe den Ball gespielt. Dass da ein Kopf war, ist nicht mein Problem.“ Materazzi (der selten Opfer war) war stinksauer und sagte nach dem Spiel: „Der wollte mich umbringen. Aber typisch Zlatan – er tritt immer nach oben, nie nach unten.“
Das Foul wurde sofort Kult: In Schweden als „Kung-Fu-Zlatan“ gefeiert, in Mailand als Beweis, dass selbst Materazzi mal den Kürzeren ziehen kann. Bis heute eines der meistgezeigten Zlatan-Highlights in Italien – und gleichzeitig ein Beweis, dass Zlatan der einzige war, der Materazzi wirklich mal richtig erwischte.
🇸🇪 Zlatan:
— Curiosidades Europa (@CuriosidadesEU) August 27, 2025
“No meu 1° Derby no Milan, estávamos vencendo por 1-0 e Materazzi não parava de me provocar. Apliquei um golpe de taekwondo e o mandei pro hospital. Stankovic me perguntou: ‘Por que fez isso?’ Eu disse: ‘Esperei por esse momento por 4 anos’”pic.twitter.com/aiESgTGWIR



