Ich weiß gar nicht was schlimmer ist, dass Juventus gegen Lyon ausgeschieden ist, oder dass man es bereits seit Wochen erahnen konnte. Sicherlich spielte auch ein fragwürdiger Strafstoß und das Fehlen von Paulo Dybala, welcher für mich mit seiner Magie der einzige wahre „Gamechanger“ in Juves Offensive ist, eine Rolle. Trotz Ronaldos atemberaubenden Auftritt, war „la veccchia Signora“ Olympique Lyon nicht wirklich überlegen. Sei es mit Ball, oder ohne.
Es handelte sich um dasselbe alte Problem, das man in der abgelaufenen Saison immer wieder gesehen hatte. Die Ballgeschwindigkeit war gering, das vertikale Passspiel, welches Sarris Neapel vor Jahren in Perfektion demonstrierte, so gut wie nicht vorhanden. Gelegentlich positionierten sich Adrien Rabiot und Rodrigo Bentancur etwas höher, aber im Allgemeinen gab es, als Miralem Pjanic in Ballbesitz war, fast keine Möglichkeit vertikal zu kombinieren.
Lyon taktisch klüger eingestellt
Auch gegen den Ball war der amtierende italienische Meister nicht in der Lage, Druck auszuüben, wenn die Franzosen sich hinten rauskombinieren wollten, da es ihnen einfach an dynamischen Spielern fehlt, die erforderlich sind, um schnell Distanzen zurückzulegen. Wenn Sarris Truppe gegen die drei Innenverteidiger von Lyon presste, ließ sich einfach Sechser Bruno Guimaraes etwas fallen, um eine Überzahlsituation zu kreieren und als weitere Anspielstation zu dienen.
Wurde der junge Brasilianer von Juventus zugestellt, wichen die Franzosen auf die beiden Flügel Cornet und Dubois aus, da diese meist nicht hoch genug von Juan Cuadrado und Alex Sandro angerannt wurden. Den Raum, den die alten Dame Max Cornet und Leo Dubois auf den Flügeln zur Verfügung stellte, trug entscheidend dazu bei, dass Lyon wichtige Ballbesitzzeiten generieren konnte.
Juve spielerisch limitiert
Der erwartete 5-3-2-Block der Garcia-Truppe, erwies sich wie bereits im Hinspiel als sehr effektiv. Der ehemalige Roma-Coach wusste, dass die Turiner Giganten am liebsten durch das Zentrum angreifen würden, so dass sie kompakt blieben und den Ball mit Absicht den tief positionierten Außenverteidigern von Juve überließen. Abgesehen von Ronaldos Traumtor und wenigen individuellen Lichtblicken wie Bernardeschis Grundlinien-Dribbling, war dieses Juventus spielerisch extrem limitiert, und das ist eine Eigenart, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat und sich diese Saison noch mehr herauskristallisierte.
Sarri zu eindimensional?
Herrn Sarri mangelt es deutlich an taktischer Flexibilität, und das wurde beim CL-Aus gegen Lyon nochmal eindeutig hervorgehoben. Wenn Plan A ins Stocken gerät, verdient ein Trainer sein Gehalt, indem er von der Seitenlinie aus Änderungen vornimmt und flexibel bleibt. Fußball ist gleichermaßen ein taktisches Duell der Trainer - der sture Sarri scheint in dieser Hinsicht zu eindimensional zu arbeiten.
Möchte er sich als Coach weiterentwickeln, muss er unausweichlich genau daraus lernen, denn ein guter Trainer hat auf jede Umstellung eine Antwort parat. Ex-Juve-Coach Massimiliano Allegri zählte dieses taktische Reaktionsvermögen zu seinem Fähigkeiten-Profil. Juve scheint in dieser Hinsicht mit der Verpflichtung Sarris einen Schritt zurück gemacht zu haben.
Zieht er die richtigen Schlüsse?
Ob Neu-Coach & Sarri-Bewunderer Andrea Pirlo bessere Antworten parat hat, als sein Vorgänger wird sich zeigen, jedoch ließ er bei seiner Präsentation schon durchblicken, dass er sich als flexibler Coach interpretiert. Nun muss er seinen verheißungsvollen Worten Taten folgen lassen…
Sarri dagegen wird sich, nachdem er weder bei Chelsea, noch bei Juventus seinen „Sarriball“ vollends durchsetzen konnte, ernsthaft hinterfragen müssen. Woran lag es, dass er bei diesen beiden europäischen Giganten seine Idee nicht implementieren konnte?
Möchte er in die Riege der Toptrainer Europas aufsteigen, dann muss er genau jetzt mit etwas Ruhe und Abstand genau diese Fragen für sich klären...