5 Siege in Folge – nur 1
Gegentor in den letzten 5 Spielen, dazu noch mit insgesamt 5
Saison-Gegentreffern die mit Abstand beste Defensive der Liga: Was
muss das aktuell für ein Gefühl sein Schalke-Fan zu sein und dabei die
aktuelle Momentaufnahme in der Nordkurve der Veltins-Arena einfach zu
genießen?
(Bild: IMAGO / pepphoto)
Wohl kaum einer hätte wohl auch
nur im Traum damit gerechnet, dass die Königsblauen nach 10
Spieltagen auf Platz eins stehen würden. Und doch war es vielleicht
genau diese Ausgangssituation, die das Team aktuell so stark macht:
Keine hohen Ziele vor der Saison, keine wilden Transfers, sondern von Anfang an einfach nur Verein, Team und Fans als eine Einheit.
Eine nicht zuletzt durch
Trainer Miron Muslic entstandene Wagenburg, wo jeder Experte Woche
für Woche voraussagt: „Passt auf, Jetzt werden sie fallen, an
diesem (!) Gegner werden sie zerbrechen, Bielefeld, Hannover,
Darmstadt“, jetzt irgendwann wird es passieren.
Doch das Team von Schalke 04 zerbrach auch an diesen Gegnern nicht, sondern im Gegenteil: Wo zu anfangs noch defensiver Anti-Fußball mit gefühlt sieben Bussen vor dem Tor gespielt wurde (ein Fußball, auf welchen man selbst Union-Berlin-Fans hätte neidisch machen können) überzeugt die Mannschaft mittlerweile sogar spielerisch. Mit jedem Sieg kommt mehr Selbstbewusstsein in das Team, welches zwar im Sommer verstärkt wurde, aber dennoch immer noch viele Spieler enthält, die vergangene Saison die schlechteste Saison der gesamten Vereinsgeschichte gespielt haben. Doch schauen wir auf die einzelnen Bausteine dieses für viele so überraschend guten Starts:
Erwartung vor der Saison:
Einfach nur seine Ruhe haben, das war die Erwartung der Fans vor der Saison. Einfach endlich mal wieder eine Saison zu erleben, wo nicht nach drei Spieltagen schon über den Trainer diskutiert wird, gefühlt täglich 10 Bild-Reporter, 10 Sport1-Reporter und noch 8 vom Kicker nach neuen Skandalen suchen (und sei es, dass der Torhüter in der Kabine heimlich eine Torte verputzt). Das Wort mit A wurde dabei diesmal nicht nur aus diplomatischen Gründen vermieden, man dachte nicht einmal daran - nicht nach diesen beiden letzten Saisons, wo zum Teil der Zweitliga-Klassenerhalt und damit die weitere Existenz dieses immer noch drittmitgliederstärksten Vereins in ganz Europa auf dem Spiel stand.
Eine ruhige Saison im Tabellenmittelfeld zu spielen, darum ging es. Und dabei natürlich mit Miron Muslic, den man diesen Sommer vom Champion-Ship-Absteiger Plyrmouth Argyle als neuen Cheftrainer geholt hatte, endlich wieder Konstanz in den Verein zu bringen. Hierbei setzte man auf einen Kader, wo die Spieler keine Highlight-Spieler sein mussten, aber eben bereit sind, sich für den Verein aufzureiben, sich in jeden Zweikampf reinzuwerfen und für das Team alles zu geben.
#Muslic: Meine Geschichte fühlt sich sehr ähnlich an wie viele Geschichten hier aus Gelsenkirchen. Keine einfache Zeit, ständig gegen Widerstände ankämpfen müssen, sich alles hart zu erarbeiten, unbeugsam bleiben. Ich denke daher, dass ich sehr gut hierher passe, auch als Mensch. pic.twitter.com/x962Dsi3xa
— FC Schalke 04 (@s04) June 20, 2025
Und wenn man sich vor der Saison auf Social Media herumtrieb – nicht einmal die eigenen Fans glaubten an diese ruhige Saison. Irgendetwas würde sowieso wieder passieren, was Medien und Umfeld zeitgleich schocken und für neue Schlagzeilen sorgen würde. Nun in letzterem sollten sie (siehe dieser Artikel) Stand jetzt ja sogar Recht gehabt haben.:)
Der perfekte Einstieg:
Dass ausgerechnet der von vielen als Top-Aufstiegs-Favorit Nr. 1 gehandelte ehemalige Big-City-Club Hertha BSC (der Verein dessen Gesamtkadermarktwert rund 10 Millionen über allen anderen Vereinen der 2. Liga steht) als erster Gegner in die Veltins-Arena kam, kam der Einstellung der Schalker vor der Saison grade Recht. Denn den Top-Favoriten bei sich zu Gast zu haben bedeutete erst mal, dass selbst ein Unentschieden erstmal alle Fans zufrieden stellen würde.
Am
Ende gewann man das Spiel mit 2 : 1 und schon hier zeigte sich die
erstaunliche Qualität der Neuzugänge. Dass 0 : 1 gegen den 1. FC
Kaiserslautern verlor man dann zwar aufgrund eines strittigen
Elfmeters, zeigte aber auch hier noch einmal mehr ein klares
Spielkonzept, das, woran es Schalke 04 den letzten Jahren so sehr
gefehlt hatte: Man zeigte ein weiteres Mal, dass man in dieser Saison die Mannschaft sein wollte, wo es für jede andere Mannschaft so maximal unangenehm wie möglich ist, aus dem Spiel ein Tor
zu schießen.
Ganz nach dem Motto: „Hier
habt ihr den Ball. Viel Spaß damit.“
Und an diesem Konzept hielt man unter Miron Muslic gnadenlos fest. Dem 2 : 1 gegen Bundesliga-Absteiger VFL Bochum folgte ein weiterer dreckiger 1 : 0 Auswärtssieg gegen Drittliga-Aufsteiger Dynamo Dresden, einem der wenigen Zweitligamannschaften, die zu Recht von sich behaupten zu können, zu Hause einen ähnlichen Hexenkessel entfachen zu können wie auf Schalke.
Doch das Team von
Muslic ließ sich von der Dresdener Auswärtswucht nicht beirren, ebenso wenig von einer
unglücklichen 0 : 1 Niederlage gegen Holstein Kiel. Mund abputzen,
weitermachen, lautete das Motto: 2 : 0 gegen Magdeburg, 2 : 1 gegen
Bielefeld, 1 : 0 gegen Fürth bis dann schließlich die beiden Teams der Stunde hintereinander kamen: Hannover 69 und
Darmstadt 98, zwei der zu diesem Zeitpunkt stärksten Teams der Liga.
Doch weil die Mannschaft von S04 ihre Stärken mittlerweile genau kannte, hatte sie keine Angst mehr und schaffte es ein weiteres Mal, defensiv maximal stabil zu stehen und zuzüglich noch im Spiel gegen Hannover mit einem frühen Doppelpack von Moussa Sylla der gesamten zweiten Liga zu zeigen: Wenn wir Bock haben, können wir es auch offensiv. Endstand 3 : 0. Und gegen Darmstadt? Wieder gleiches Spiel, wieder Moussa Sylla in der 9. Minute, wieder dem Gegner danach gesagt: "Hier ist euer Ball, viel Spaß beim Passstafetten üben, aber an uns kommt ihr nicht vorbei". Ergebnis 1 : 0, inklusive Tabellenführung.
Aufstellung und Taktik:
3-4-2-1 und irgendetwas anderes? Nö! Bis auf den 1 : 0 Sieg gegen Fürth, wo man mal kurzzeitig mit einer Doppelspitze aus Sylla und Gomis spielte, hielt Miron Muslic konsequent an seinem Spielsystem fest. Bereits in den ersten Spielen setzte er hier auf eine Fünferkette aus den drei Neuzugängen Nikola Katic, Timo Becker und Hasan Kurucay, gemeinsam mit Vitalie Becker und Adrian Gandenbein auf den Außenverteidigerpositionen. Deren Aufgabe: So klar wie ein Vokabeltest. Den Gegner von innen nach außen pressen und so aus dem eigenen Drittel fernzuhalten.
Dies beweist auch die hohe Diskrepanz zwischen Schalkes Ballbesitzwerten und den Field-Tilt-Werten, eine Statistik, die belegt, wo der Ballbesitz einer jeweiligen Mannschaft stattgefunden hat. So stehen Schalke hier als Mannschaft in Sachen Ballbesitz mit 44 Prozent lediglich auf Platz 17 der Tabelle, wenn man sich jedoch die Field-Tilt-Werte anschaut, wird klar, dass Mannschaften, die gegen Schalke spielen, zwar meistens mehr den Ball haben, jedoch fast nie in den gefährlichen Zonen.
Mentalität und Einstellung:
Des Weiteren ist Schalke das mit Abstand zweikampf- und laufstärkste Team der zweiten Liga: Platz 1 in Sachen Laufdistanz, Platz 1 in Sachen Sprints, Platz 1 in Kopfballduellen, wie auch Platz 2 in gewonnenen Zweikämpfen. Hier sticht eine weitere Stärke von Miron Muslic hervor, die lustigerweise einige Parallelen zu Niko Kovac, dem aktuellen Trainer vom Erzrivalen Borussia Dortmund hervorruft: Er hat die Mannschaft fit gemacht und jedem Spieler eingetrichtert, dass maximaler Kampfwillen und Hingabe für den Verein die Grundvoraussetzung dafür ist unter ihm zu spielen.
Wen kümmert es da, dass man in Sachen Passquote z.B. nur auf Platz 18 ist, solange diese Symbiose stimmt. Eine Mannschaft, die sich für die Fans maximal aufreibt, die es der Mannschaft wiederum mit frenetischem Applaus bei jedem gewonnenen Zweikampf danken.
Der Blick von außen:
Auch ein Punkt, der bei den Königsblauen lange überfällig war: Ein neuer starker Mann, der nicht mit großen Parolen um sich wirft oder mit irgendeinem Schalke-Legende-Eurofighter-Glanz punktet - ein fähiger Sportvorstand, der die Situation auf Schalke mit kühlem und analytischem Blick betrachtet. Dieser trägt seit Sommer 2025 nun den Namen Frank Baumann. Und ob es die Trennung von Ben Manga war, das (trotz zunächst extremer Kritik aufgrund des unbekannten Namen) Festhalten an der Einstellung von Miron Muslic als neuen Cheftrainer – aktuell kann man nur sagen, dass der Mann, der jahrelang für das Wohl von Werder Bremen verantwortlich war, bislang alles richtig gemacht hat.
Des Weiteren ist auch seine Wirkung nach Außen möglicherweise das, was der Verein unbedingt gebraucht hat: Jemand, der mit seiner kühlen norddeutschen Art die Dinge regelt, sich von äußeren medialen Unruhen überhaupt nicht beeinflussen lässt und nebenbei dann auch noch Transfers wie Sofiane El-Faouzi eintütet.
Der Spieler, den man für schlappe 200.000 Euro von Alemannia Aachen geholt hatte, war schon in seiner Drittligasaison der laufstärkste Spieler im deutschen Profifußball, entwickelte sich dann auf Schalke innerhalb kürzester Zeit nochmal so extrem weiter, dass man ihn mittlerweile neben Stürmer Moussa Sylla und Kapitän Kenan Karaman klar zu den wichtigsten Spielern der aktuellen Schalke-Mannschaft zählen muss..
So ein Macher!
— Buyo (@Buyo1904) August 8, 2025
Übernimmt den Verein im Vollbrand und löscht das Feuer mit nichts als Ruhe.
Ohne Panik-Transfers, ohne negative Schlagzeilen, ohne Skandale durch die Vorbereitung? Hätte ich nie geglaubt.
Frank Baumann - Sportdirektor, Feuerwehrmann und Messias.#S04 #Schalke pic.twitter.com/pAiHbBUkqI
Weitere Top-Transfers:
Hinzu ist auch fast die gesamte diese Saison brillierende Defensive Ergebnis des diesjährigen Sommertransferfensters: Nikola Katic, für 450.000 vom FC Zürich geholt, bewies bereits im ersten Spiel mit seinem 2 : 0 Treffer gegen die Hertha, dass er nicht nur ein Terrier der (für Gegner) unangenehmsten Sorte sein kann, sondern zuzüglich auch noch torgefährlich ist, während sein Innenverteidigerkollege Hasan Kurucay (ablösefrei aus Belgien gekommen) ihm in Sachen Zweikämpfen in nur wenig nachsteht, ebensowenig wie der ebenfalls ablösefrei gekommene Ex-Kiel-Kapitän Timo Becker.
Auch mit Christian Gomis hat man vom FC Winterthur einen weiteren Stürmer geholt, der zwar noch nicht ganz an das Niveau von Moussa Sylla herankommt, der aber ähnlich wie Kenan Karaman extrem gut darin ist, die Räume um ihn herum zu belaufen und Gegner zu binden.
Das Comeback der Knappenschmiede?
Dazu kommen noch zahlreiche Spieler aus der Knappenschmiede, Schalkes Nachwuchsakademie, die mit Spielern wie Manuel Neuer, Benedikt Höwedes und Leroy Sané zu Recht mal als die Beste des Landes galt, trotz der herausragenden Arbeit von Norbert Elgert aber die letzten Jahre ein bisschen an Glanz verloren hatte. Das sieht dieses Jahr mit Spielern wie Mertcan Ayhan, wie auch Außenverteidiger Vitalie Becker und Stürmer Peter Remmert schon wieder ganz anders aus. Alle drei Spieler könnten sich, sollten sie nicht von zu vielen Verletzungen geplagt werden, zu absoluten Schlüsselspielern der Schalker Mannschaft entwickeln, etwas, was es so in der Ballung auch schon lange nicht mehr gab.




