Große Unruhen herrschen derzeit um den Verein vom Niederrhein. Nachdem nach dem 3. Spieltag bereits Trainer Gerardo Seoane entlassen wurde ist wenige Wochen später auch Sportdirektor Roland Virkus zurückgetreten. Nur wo liegen die Ursachen für die Krise? Und vor allem - wo liegen die Lösungen? Das sind die Fragen, die sich der neue Sportdirektor Rouven Schröder nun stellen muss.
(Bild: IMAGO / fohlenfoto)
War der BVB am Ende Schuld am Gladbach-Niedergang?
Mit dieser, natürlich mit einem gehörigen Augenzwinkern gemeinten, Frage kann man sich durchaus mal kurz beschäftigen, wenn man auf die Ursachen des schleichenden Verfalls von Borussia Mönchengladbach zurückblickt. Denn im Grunde begann der Niedergang bereits 2021 als plötzlich verkündet wurde, dass der damalige Erfolgstrainer Marco Rose sich nach dem Ende der Saison der anderen Borussia aus Dortmund anschließen würde.
Dies war für die Fohlen aus Gladbach ein schwerer Schlag, da man mit diesem Trainer erst Wochen zuvor noch sensationell das Champions-League-Achtelfinale erreicht hatte. So wie die Nachricht von Roses Abgang zu Dortmund offiziell wurde, verloren die Gladbacher erstmal sieben Spiele hintereinander und flogen zuzüglich auch noch im DFB-Pokal raus - ausgerechnet gegen den BVB.
Auch nahmen die Fans es nur äußerst missbilligend in Kauf, dass man nicht (wie z.B. jüngst im Fall Ole Werner/Werder Bremen) sofort die Reißleine zog ab dem Moment war klar war, dass Rose Ende der Saison zu Dortmund wechseln würde und sich scheinbar doch nicht so mit dem Verein Borussia Mönchengladbach identifizierte, wie zunächst gedacht. Am Ende der Saison verpasste man sogar noch die Conference-League-Qualifizierung und beendete die Saison auf Platz 8. Was allerdings noch keiner voraussehen konnte, ist dass auch die folgenden Jahre ohne europäische Qualifizierungen bleiben sollten. Der Anfang des Verfalls von Borussia Mönchengladbach zur grauen Maus war geschrieben.
Eberls Rücktritt und die Folgen
Das Chaos erreichte dann schließlich im Januar 2022 seinen Höhepunkt als schließlich auch noch der langjährige Sportdirektor Max Eberl aufgrund von Überlastung und mentalen Problemen in einer hoch dramatischen Pressekonferenz zurück trat: Ein schwerer Schlag für einen so großen Traditionsverein, der mit Max Eberl die mit Abstand erfolgreichste Zeit durchlebt hat seit denen goldenen 70er-Jahren , wo man einst drei mal in Folge deutscher Meister wurde.
Der Aufsichtsrat in dem neben Gladbach-Legende Rainer Bonhoff auch Hans Meyer noch eine Rolle spielte stand somit vor einer der größten Herausforderungen der Vereinsgeschichte. Kurz zuvor hatte man noch den ehemaligen Frankfurt-Trainer Adi Hütter (jetzt AS Monaco) verpflichtet, doch bis auf ein völlig überraschendes 5 : 0 gegen die Nagelsmann-Bayern im DFB-Pokal konnte sich auch hier kein langfristiger Erfolg einstellen.
Umso überraschender kam dann die Entscheidung Daniel Farke als Trainernachfolger von Hütter zu installieren. Denn wohingegen Hütter klar für einen RB-orientierten Pressing-Stil stand, ging es Farke ganz klar darum einen nach spielerischen Lösungen suchenden Ballbesitzfußball zu implementieren. Schon hier sah man, dass mit dem Abgang von Max Eberl weit mehr aus dem Verein verschwunden war als nur die Person: Es verschwand die Kontinuität, so wie jede einheitliche Idee, wie man überhaupt Fußball spielen möchte. Folglich wurde auch Daniel Farke nur ein Jahr später wieder entlassen und durch Gerardo Seoane ersetzt.
🤝 Borussia verpflichtet Gerardo #Seoane als neuen Cheftrainer und Nils #Schmadtke für die neu geschaffene Position des Sportdirektors Lizenz.
— Borussia (@borussia) June 6, 2023
Herzlich willkommen und viel Erfolg!
Die Causa Virkus
Und wer sollte eigentlich Max Eberl überhaupt ersetzen? Irgendein anderer erfahrener Bundesligafunktionär der Marke Horst Heldt oder Jörg Schmadtke? Oder hätte man, wenn man die Zeichen bezüglich Max Eberls mentalem Zustand vielleicht eher erkannt, nicht vielleicht sogar noch in das Wettbieten rund um den damaligen Leipzig-Sportdirektor Markus Krösche einsteigen können, der noch im selben Jahr zu Eintracht Frankfurt wechselte. Man mag sich kaum vorstellen, wie die Wege der beiden Klubs die letzten Jahre verlaufen wären, wäre Krösche zu Gladbach statt zu Frankfurt gegangen.
Letztendlich entschied man sich aber für die Nummer-Sicher-Variante und installierte einen neuen Sportdirektor aus dem eigenen Stall: Roland Virkus. Dieser war bereits seit 1990 Jugendtrainer der Borussia, ein absolutes Urgestein, der über Jahrzehnte hinweg die Jugendarbeit der Fohlen vorantrieb und dabei auch Riesentalente wie den heutigen DFB-Torwart Marc-André ter Stegen entdeckte.
Die Entscheidung machte daher auf dem ersten Blick Sinn, zumindest
wenn es darum ging, schnellstmöglich irgendwie wieder Ruhe in den
Verein zu bringen. Auf dem zweiten Blick muss man aber auch
festhalten, dass Virkus zuvor noch keine Erfahrung als Sportdirektor
hatte und von Max Eberl eine Situation hinterlassen bekommen hatte, die zu den
schwierigsten gehörten, die ein Bundesliga-Sportdirektor je
schultern musste.
Auslaufende Verträge
Zunächst einmal waren da eine Unmenge an auslaufenden Verträgen von absoluten Top-Spielern, die wie der heutige Inter-Stürmer Marcus Thuram schon damals im Blickfeld von vielen großen europäischen Topclubs standen. Bei den Bayern gab es mal das eine Gesetz, was (zumindest möglicherweise in Uli Hoeneß' Welt) noch über dem Grundgesetz stand: Kein Spieler durfte die Bayern ablösefrei verlassen, Ende der Diskussion. So wie deren Verträge ins letzte Jahr gingen, mussten diese entweder verlängert werden oder die Spieler müssten (!) gewinnbringend verkauft werden.
Bei Gladbach hatte man im Jahr von Virkus' Einstellung als Sportdirektor gleich 5 Fälle, wo weder das eine noch das andere geschah: Yann Sommer, Ramy Bensebaini, Jonas Hofmann, Alasanne Plea und eben jener bereits erwähnte französische Wunderstürmer, der auch noch der Sohn von Weltmeister Lilian Thuram war. Lediglich die Verträge von Hofmann und Plea gelang es Virkus schließlich nach viel Hin und Her doch nochmal zu verlängern, alle anderen Spieler verließen die Borussia ohne dass es dem Verein einen müden Cent einbrachte.
Marcus Thuram joins Inter Milan on a free transfer despite interest from Arsenal, Man Utd and Chelsea https://t.co/U4QBkfqFoi
— Daily Mail Sport (@MailSport) July 1, 2023
Entsprechend ängstlich agierte man dann auch in den nächsten Jahren, wenn es um Spieler ging, deren Verträge bald ausliefen, wie z.B. im Falle Manu Koné, für den man zwar noch 18 Millionen bekam, dessen eigentlicher Marktwert zwischenzeitlich aber auch schon vor seinem Wechsel mal bei über 30 Millionen stand. So kam es, dass zuzüglich zu den massiven finanziellen Einbrüchen aus der Corona-Krise auch noch die aus den nicht verlängerten Spielerverträgen kamen, Versäumnisse, die man klar auch Max Eberl anlasten muss und für die Virkus am Ende nur bedingt was konnte.
Schwarz Zu Grau
So kam es, dass aus dem schwarz im Borussia-Vereinswappen allmählich ein grau wurde und die erfolgreichsten Gladbach-Spieler heute eben nicht mehr (wie Thuram) zu Top-Clubs wie Inter Mailand wechseln, sondern "nur" noch zu Ajax Amsterdam (Ko Itakura), PSV Eindhoven (Alassane Plea) oder Al-Quadsiah (Julian Weigl). Der Kader wurde einfach sukzessive Jahr für Jahr immer schlechter. Das beweisen auch die Marktwerte. Lag der Kader beispielsweise zu Zeiten von Eberls Abgang 2022 noch bei knapp 240 Millionen Euro, liegt er heute nur noch bei 153,85 Millionen - ein Marktwertverlust von fast 90 (!) Millionen Euro.
Des Weiteren war es aufgrund der vielen Trainerwechsel unmöglich, ein wirklich zielgerichtetes Scouting zu verfolgen. Denn was für Spieler wollte man denn überhaupt haben? Julian Weigl zum Beispiel galt immer als Spieler der für einen feinen Fuß und hohe Spielintelligenz am Ball galt, somit weder zu dem Spielstil von Adi Hütter passte, noch zu dem von Gerardo Seoane. Andere robustere Spieler wie zum Beispiel der von Union Berlin geholte Marvin Friedrich passte wiederum überhaupt nicht zu einem auf Spielaufbau und eigenen Ballbesitz fokussierten Daniel-Farke-Stil. Auch hier muss man sich fragen, inwieweit Roland Virkus da, was seine "eigenen" Transfers angeht, die volle Schuld trifft, wenn die Scouting-Abteilung gar nicht so richtig weiß, wonach sie überhaupt scouten soll.
Die Virkus-Transfers
Allerdings darf man fairerweise natürlich nicht vergessen, dass Virkus als Sportdirektor am Ende natürlich schon derjenige war, der die Verantwortung über die einzelnen Transfers trug. Hier tat er sich, insbesondere was die teureren "Risiko-Tranfers" angeht, dann zum Teil auch wirklich schwer. Insbesondere der Transfer von Thomas Cvancara wiegt hier schwer, da dieser für 10.5 MIllionen Euro geholte tschechische Stürmer nicht nur nicht der irgendwann mal erhoffte "neue Marcus Thuram" war, sondern als kompletter Totalflop irgendwann aussortiert wurde, beziehungsweise nun notgedrungen für eine Leihgebühr von 750.000 nach Antalyaspor in die Türkei verliehen wurde.
Ähnliches gilt für Jonas Omlin, der mal als Nachfolger der Gladbach-Torwart-Ikone Yann Sommer geholt wurde: Wieder ein Schweizer, wieder ein junges Talent, wurde nur leider nichts. Der Grund waren in dem Fall vor allem Verletzungen, die den für 9 Millionen aus Montpellier verpflichteten Goalkeeper allerdings auch schon vorher geplagt hatten. Auch hier hat die Scouting-Abteilung in Verbindung mit der medizinischen Abteilung nicht gut genug aufgepasst. Die Folge war dann auch hier: Omlin wurde als Nr. 1 aussortiert und von Eigengewächs Moritz Nicolas ersetzt.
➡️ Nach @SkySportDE-Infos plant #Borussia Mönchengladbach in der kommenden Saison klar mit Moritz #Nicolas als Nr.1! Der oft vom Verletzungspech verfolgte Jonas #Omlin darf den Verein bei passendem Angebot verlassen oder muss sich vorerst hinter Nicolas einordnen. pic.twitter.com/FmavnFvOs8
— Marlon Irlbacher (@Sky_Marlon89) May 19, 2025
Und schließlich war da noch Nathan Ngoumou, der für 8 Millionen aus Toulouse kam. Auch dieser hatte nun bereits viele Verletzungen, wie zuzüglich auch noch Probleme, sich konstant und immer wieder zu Höchstleistungen zu motivieren, wo man dann schon sagen muss: Natürlich sind für so viele Fehltransfers immer mehr als einer Schuld, hier war Roland Virkus aber schon klar der mit der federführenden Hand.
Was man Virkus allerdings zu Gute halten muss, ist dass er zumindest ein Händchen für kleinere Transfers innerhalb der Bundes hatte, sei es die Verpflichtung von Kevin Stöger (VFL Bochum), Philipp Sander (Holstein Kiel) oder nicht zuletzt Tim Kleindienst (1. FC Heidenheim).
Insbesondere Kleindienst kann hier wohl zu Recht als Virkus' mit Abstand bester Transfer bezeichnet werden: Ein Stürmer, der mit ganzen 16 Toren, die Gladbacher letzte Saison beinahe wieder nach Europa brachte und wo man sich zu Recht fragen darf, ob Virkus nicht vielleicht auch heute sogar noch im Amt wäre, hätte Kleindienst sich nicht ausgerechnet in dieser Krisensaison dann auch noch am Knie verletzt.
Rouven Schröder - der neue starke Mann?
Nun aber ist es wie es ist und die Gladbacher stehen nun endgültig vor einem Total-Umbruch. Noch immer ist unklar, ob man nach den Niederlagen gegen Union Berlin und Eintracht Frankfurt mit Interimstrainer Eugen Polanski weiter machen möchte, beziehungsweise welche Alternativen es überhaupt gäbe (näheres dazu in diesem Artikel).
Auch ob der neue Sportdirektor Rouven Schröder den Bock wieder umstoßen kann, muss man noch abwarten. Für ihn spricht auf jeden Fall, dass seine Transferphilosophie weit mehr in Richtung junge Spieler verpflichten geht als die von Roland Virkus. Während Gladbach die letzten Jahre nämlich vor allem dafür bekannt war, mittelmäßige und zum Teil auch ältere Bundesligaspieler a la Shuto Machino auf ihrem Piek zu holen ohne dabei so wirklich darauf zu achten, ob man diese nochmal gewinnbringend verkaufen könnte, stand Rouven Schröder zu seinen besten Zeiten für genau das: Einnahmen durch Talententwicklung generieren. Abdou Diallo, Jean-Philippe Mateta, Jhon Cordoba - all das waren Spieler, die Rouven Schröder einst für kleines Geld aus der französischen Liga nach Mainz geholt hatte und die später für viel Geld zum Teil zu großen Premier League Clubs verkauft wurden.
Auch bei Schalke 04 waren Schröders Transfers durchaus beachtlich, wenn man an Ko Itakura und Rodrigo Zalazar denkt, die vor ihrem Durchbruch bei Schalke vorher kaum jemand auf dem Zettel hatte.
Gegen Rouven Schröder spricht allerdings zu meinen, dass diese starken Jahre nun auch schon eine Weile her sind. Weder bei Leipzig konnte er mit Transfers wie u.a. dem von Eljif Elmas (vielleicht dem größten Flop-Transfer der jüngeren Bundesliga-Geschichte) wirklich überzeugen, noch bei seiner letzten Station RB Salzburg. Zum anderen gab es in der jüngeren Vergangenheit kaum einen Sportdirektor, der ein so schlechtes Händchen bei Trainerentscheidungen hatte. So scheiterte sein ehemaliger Fürth-Kollege Frank Kramer als Trainer auf Schalke ebenso krachend, wie Achim Beierlorzer bei Mainz 05 und auch über die Verpflichtung von Thomas Letsch als Trainer von RB Salzburg ist man bislang alles andere als glücklich.
Die Ernennung eines möglichen Polanski-Nachfolgers (oder das Festhalten an ihm) wird also bereits der erste Prüfstein für Rouven Schröder sein. Denn nicht zuletzt davon wird entscheidend sein, ob Borussia Mönchengladbach wieder in die Spur findet oder ob mit dem Abstieg in die zweite Liga nicht vielleicht sogar der Supergau droht. Wir von Kickfieber wünschen ihm und einem so großartigen Traditionsverein wie Borussia Mönchengladbach jedenfalls alles Gute.



