Selten wurde über den FC Augsburg so viel geredet wie in dieser Saison. Der Grund nach wie vor: Sandro Wagner, ein Trainer, der polarisiert, spaltet, dessen taktisches Konzept mittlerweile aber auch zu Recht einige Fragen aufwirft. Die größte Frage von allen, die sich nach der vergangenen 0 : 6 Pleite gegen RB Leipzig auch die Verantwortlichen allmählich stellen müssen: Überfordert Sandro Wagner die Mannschaft mit seinen Ideen? Ist der FC Augsburg, den er sieht und aufbauen will, wirklich der FC Augsburg, den er vor sich hat? Oder passen hier Traineridee und Kader am Ende vielleicht einfach nicht zusammen? (Bild: IMAGO / Sven Simon)
Zitate nach dem Spiel:
Denn
weitaus besorgniserregender als das Spiel an sich sind die Aussagen
von Sandro Wagner nach dem Spiel. Hier einige Auszüge aus der PK:
„Wir waren nicht am Limit, was Detailthemen angeht.“
"Wir wurden für individuelle Fehler bestraft.“
„Es hat sich komisch angefühlt nach dem 0:1-0:2-0:3., denn das hat das Spiel so nicht hergegeben.“
„Ich werde jetzt nicht auf Einzelne draufgehen, weil es junge Kerle sind, und es zum Prozess dazu gehört, dass sie nicht 34 Spiele alles wegverteidigen.“
Insbesondere
letztere Aussage gibt ein wenig zu denken. Denn auch wenn Sandro
Wagner keine Spieler einzeln oder gar namentlich nennt, nimmt er hier ganz klar die
Schuld von sich und tut das, was er (wie er in dem Satz sagt) eigentlich nicht tun möchte, nämlich einzelne Spieler anzuzählen indirekt irgendwo doch.
Auch schiebt er vieles auf das Alter und die Unerfahrenheit der Spieler, was nach einer 0 : 6 Pleite ausgerechnet gegen RB Leipzig schon ein bisschen lustig ist. Denn mit einem Durchschnittsalter von 25,7 hat der FC Augsburg lediglich den zehntjüngsten Kader der Liga, RB Leipzig mit einem Altersschnitt von 24,3 hingegen steht hier auf Platz zwei und alleine der Sturm aus Romulo (22), Yann Diomandé (18) und Assan Ouédraogo (19) hat größtenteils bis vor ein paar Monaten noch kein Spiel in einer Top-Liga gespielt. Auch dieses Argument hinkt also gewaltig.
Und sicherlich hat er ein Stück weit Recht damit, dass Augsburg gut ins Spiel gestartet ist, wenn aber die Fünferkette so dermaßen hoch steht, dass es nur einen Diagonalball von Ouédraogo & Co. brauch und die gesamte Verteidigung wird sofort komplett überspielt, dann hat das nicht nur nichts mehr mit dem alten FC Augsburg zu tun, sondern hat das schlicht und einfach nichts mehr mit einer funktionierenden Spielanlage zu tun.
Hier sonst für alle Leser noch einmal die komplette PK von Sandro Wagner nach der 0:6 Klatsche gegen RB Leipzig:
Individuelle Fehler?
Auch schob Sandro Wagner nach dem Spiel vieles auf individuelle Fehler, was bei genauer Spielbetrachtung nur Teil der Wahrheit ist. Natürlich gab es Aussetzer, insbesondere von Verteidiger Kristijan Jakic und auch Torwart Finn Dahmen, das eigentliche Problem war aber klar die fehlende Restverteidigung in Verbindung mit Konterabsicherung.
Ein derart offensives Pressing gegen den Ball ist sicherlich für viele Gegner ein gutes Mittel und könnte eventuell auch im anstehenden Pokalspiel gegen den VFL Bochum wieder gut funktionieren, dieses Mittel aber gegen einen Verein auszuprobieren, der die (RB)-Pressing-Schule mehr oder weniger erfunden hat und Jahr für Jahr genau die Spieler dafür scouted (mit zugegeben noch mal anderen finanziellen Mitteln und damit auch logischerweise anderer Qualität an Spielern): da muss man sich dann als Verantwortlicher schon fragen, ob hier die Gegneranalyse des Trainerteams so wirklich gegriffen hat.
Löchrige Defensive:
Das wirkliche Problem beim FC Augsburg ist jedoch mittlerweile ganz klar die Defensive, das, was den Verein über Jahre so stark gemacht hat, dass es schon fast zur Marke wurde: Augsburg, die, die dreckig verteidigen und grade zu Hause dieser unangenehme Gegner sind gegen die du selbst als FC Bayern nach einer stressigen Champions-League-Woche nicht unbedingt spielen möchtest.
Hierzu nur mal zum Vergleich eine Statistik: Unter Wagners Vorgänger Jess Thorup stand der FC Augsburg vergangene Saison in Sachen Expected Points auf Platz 13, in Expected Goals auf Platz 18 und Expected Goals Against auf Platz 10.
Unter Sandro Wagner steht der FC Augsburg aktuell in Expected Points auf Platz 17, in Éxpected Goals auf Platz 18 und in Expected Goals Against ebenfalls auf Platz 16.
Das heißt in allen relevanten Statistiken, die das Thema Glück, Effizienz und Qualität im Abschluss ausschließen, stehen die Fuggerstädter derzeit auf einem Abstiegsplatz. Nicht zuletzt defensiv ist der Saisonstart mit insgesamt 20 Gegentoren in 8 Spielen (2,5 Gegentoren im Schnitt) hinzu der mit Abstand schlechteste Start der Vereinsgeschichte.
Fehlendes In-Game-Coaching:
Des Weiteren wurden Sandro Wagner auf der PK nach dem Spiel gegen Leipzig berechtigterweise auch einige Fragen gestellt, warum er denn das Spielsystem nicht schon in der 22. Minute nach dem 0 : 3 oder spätestens nach der Halbzeit angepasst hat.
Hier war die Reaktion des Trainers nur, dass er wollte, dass grade die jungen Spieler daraus lernen und die Erfahrung mitnehmen, sich trotz des 0 : 4 nach der Halbzeit nicht aufzugeben.
Dass dies nur bedingt funktioniert hat, zeigt das Endergebnis (0 : 6). Hier muss sich die Frage auch stellen, ob man grade junge Spieler so nicht sogar auch ein Stück weit verbrennt, grade als FC Augsburg, der wie viele andere Vereine auch immer auf Verkäufe durch Spielerentwicklung angewiesen sein ist.
Nicht zuletzt verlangten auch die Augsburg-Ultras nach der Mannschaft direkt nach dem Spiel, was bei so einem Ergebnis verständlich ist. Sandro Wagners Versprechen vor einigen Wochen, sich in solchen Situationen immer selber vor die Fankurve zu stellen, um seine Mannschaft zu schützen, verschwand damit auch wie eine Sternschnuppe im dichten Nebel, wodurch auch die Kritik im Netz nun immer lauter wird:
Ist Sandro Wagner doch ein Scheinriese? Und wird wie Effenberg am Ende eher im Dopa sitzen?
— Murtaza Akbar (@Akbar_offiziell) October 25, 2025
Hätte ich so nicht erwartet. Wie viele haben Augsburg gegen Leipzig überhaupt gesehen … #Bundesliga pic.twitter.com/X6FL2pPz1O
Spielidee vers. Kader
Denn eins ist klar: Man kann die beste Spielidee der Welt haben, man muss aber auch die Spieler dafür haben. Und vielleicht wäre das Spiel mit Sandro Wagner an der Seitenlinie als Trainer von RB Leipzig sogar auch 6 : 0 für ihn ausgegangen, beziehungsweise hätte seine Spielidee mit diesem Kader vielleicht sogar perfekt funktioniert.
Die Stärke von einem richtig guten Trainer ist jedoch (und dass Sandro Wagner eines der größten Trainertalente auf dem deutschen Markt ist, bleibt für mich weiter unbestritten), dass er sich und seine Spielidee auch an das jeweilige Team und die jeweilige Aufgabe anpassen kann.
Im Idealfall sollte er sogar immer mehrere Ideen parat haben, je nach dem, was er an Spielermaterial zur Verfügung hat und vor allem je nach Gegner. Man kann gegen RB Leipzig nicht genauso spielen, wie gegen Union Berlin, genauso wenig wie man gegen den VFL Bochum genauso spielen kann wie gegen den FC Bayern. Hier muss man also Stand jetzt auch klar ein Stück weit von einer gewissen Sturheit sprechen.
Programm wird nicht leichter:
Auch gegen eine baldige Kehrtwende unter Sandro Wagner spricht, dass das Spielprogramm bislang eher leicht war. Mit dem FC Bayern am zweiten Spieltag hatte man bislang nur einen einzigen Gegner aus dem oberen Tabellendrittel, alle anderen Gegner (Köln, Wolfsburg, Mainz, Heidenheim, St. Pauli) waren entweder Aufsteiger oder Teams, die grade selber in der Krise stehen.
Auf der anderen Seite warten auf Sandro Wagner nun Gegner wie Stuttgart, Leverkusen, Hoffenheim und Frankfurt, wo es in der aktuellen Form der Mannschaft nicht ausgeschlossen ist, dass man hier im schlimmsten Fall sogar mit 0 Punkten aus 4 Spielen herausgeht.




