Dass ausgerechnet Routinier und DFB-Pokal-Sieger Dieter Hecking der erste Trainer sein wird, der in der zweiten Bundesliga entlassen wird, damit hätte wohl niemand gerechnet. Eben so wenig, dass sich der Verein, der vor ein paar Monaten noch Bundesligist war, nach vier Pleiten in Serie, auf einmal auf einem Abstiegsplatz in die 3. Liga befindet. Doch wo liegen die wirkliche Probleme beim VFL, die sich zuzüglich zu ihrem Trainer auch noch von ihrem Sportdirektor Dirk Dufner getrennt haben? (Bild: IMAGO / Christian Schroedter)
Keine Erfolgserlebnisse mehr
„Am Ende sind es immer Erfolgserlebnisse, mit denen du den Umschwung schaffst. Die haben wir aktuell nicht – dementsprechend hocken wir in der Scheiße“.
Es waren harte und ehrliche Worte, die Sportdirektor Dirk Dufner für den Saisonstart des VFLs wählte, nachdem man in fünf Spielen nur ein einziges Spiel gegen die SV Elversberg gewinnen konnte. Und dennoch muss man sie leider als sehr treffend bezeichnen. Es fehlen komplett die Erfolgserlebnisse, die Stand jetzt darauf schließen lassen, der VFL Bochum könne diese Saison noch irgendetwas mit dem (Wieder-)Aufstieg in die Bundesliga zu tun haben.
Dass der Vorstand rund um Ex-Augsburg- und Bochum-Torwart Andreas Luthe hier daher bereits früh auf die wahrscheinlich krasseste Art und Weise die Reißleine ziehen musste, scheint daher nur folgerichtig, auch wenn es sicherlich nicht ohne Risiko ist, sich bereits so früh von seinem Trainer und (!) seinem Sportdirektor zu trennen.
Die Frage bleibt allerdings, ob die Probleme nicht sogar noch tiefer gehen, beziehungsweise hier auch ganz eklatant bei der Kaderzusammenstellung geschlafen wurde. Denn selbst nach der Entlassung von Hecking und Dufner und unter Interimstrainer David Siebers ließ bislang nicht drauf schließen, dass sich irgendetwas verbesserte. Ausgerechnet gegen den 1. FC Nürnberg unter Miroslav Klose, dem zuvor noch Tabellenschlusslicht, verlor man nun auch noch das fünfte Spiel in dieser Saison - und das wieder einmal mit einem absolut enttäuschenden Auftritt, dem jegliche Geschwindigkeit oder Kreativität im Spielaufbau fehlte.
Der VfL Bochum torkelt beim 1:2 in Nürnberg in der Defensive und bringt offensiv nichts zustande. Nur zwei Spieler überzeugen. Die Einzelkritik.https://t.co/9KDVNWZJ0L
— Funke Sport (@FunkeSport) September 21, 2025
Die Realität zeigt also: Im Gegensatz zu anderen aktuell wackelnden Problem-Vereinen der zweiten Liga wie Nürnberg, Düsseldorf oder Hertha sind die Auftritte der Bochumer bislang leider nur eins, nämlich konstant mies.
Eine etwas bessere Leistung zeigte die Mannschaft von Dieter Hecking nur in der zweiten Halbzeit gegen die SV Elversberg – dank einer roten Kader für die Elversberger nach etwa 10 Minuten. Ansonsten offenbarten sich weit aus mehr Mängel als Stärken, so dass sich die Frage immer mehr stellt: Wie eigentlich - um es mit den Worten von Dufner zu sagen - wieder rauskommen aus der Scheiße?
Kader muss nochmal verbessert werden
Die ersten primären Fehler wurden hier bereits diesen Sommer auf dem Transfermarkt gemacht. Hier wurden insbesondere Abgänge, wie die von Lukas Daschner und insbesondere Moritz Broschinski nicht adäquat ersetzt. Hinzu kommen mit Bernardo, Tim Oermann und Ex-Kapitän Anthony Losilla drei absolut wichtige Leistungsträger in der Defensive, die ganz entscheidend für den Erfolg der Bochumer in den letzten Jahren standen.
Auch den Abgang von Kevin Stöger, der bereits einen Sommer zuvor zu Borussia Mönchengladbach wechselte, hat man nie adäquat ersetzen können, ein Abgang, der dem VFL möglicherweise mehr weh als alle anderen Abgänge tat.
Nicht nur, dass er in seiner Bochum Zeit in den (europaweiten!) Top 5 für Mittelfeldspieler mit den meisten schusserzeugenden Aktionen war, zuzüglich war er auch noch der Held in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf, wo man nach einer 0 : 3 Niederlage im Hinspiel im Rückspiel (3 : 0 / 5 : 4 nach Elfmeterschießen) am Ende doch noch sensationell die Klasse hielt.
Generell fehlt es dem aktuellen Kader an Tempo, an Pässen in die Tiefe, an Flanken und Standards auf hinnehmbarem Zweitliga-Niveau, wie auch an Kreativität und Torgefahr im Gesamten.
Hinzu fehlen erfahrene Spieler im perfekten Fußballer-Alter. Ein Großteil des Kaders (Philipp Hoffmann, Maximilian Wittek, Gerrit Holtmann etc.) sind entweder zu alt, um eben noch diese paar Prozent an mehr Geschwindigkeit geben zu können, oder wie im Falle der Dortmund- bzw. Leverkusen-Leihspieler Kjell Wätjen, Francis Onyeka und Faris Alfa-Ruprecht schlichtweg noch zu jung und unerfahren. Beziehungsweise um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Deren sicherlich großes Talent und Potenzial möchte hier absolut niemand in Abrede stellen, aber als abstiegsbedrohter Zweitligist mit einem Mittelfeld aus einem 18- und einem 19-jährigen zu starten und hier nicht vielleicht doch noch einmal mindestens einen weiteren erfahreneren Spielmacher a la Kevin Stöger zu verpflichten ist in jedem Fall - freundlich gesagt - mutig.
Nackte Zahlen
Was für die Möglichkeit einer Verbesserung im Winter allerdings sprechen könnte: Zum großen Erstaunen vieler Experten war der VFL Bochum mit nur 550.000 Euro (Quelle: Transfermarkt.de) in diesem Jahr der Zweitligist mit den wenigsten Ausgaben im Transfersommer 2025. Das ist insofern erstaunlich, weil man eigentlich meinen könnte, ein Verein, der drei Jahre lang Bundesliga gespielt hat, müsse eigentlich im Vergleich zur Konkurrenz mit dem Geld nur um sich werfen können.
Allerdings - und das spricht dann nochmal umso mehr gegen die Arbeit von Dirk Dufner als Sportdirektor: Als einer von nur fünf Zweitligavereinen hat man es auch nicht geschafft, auch nur einen Spieler für mehr als 2 Millionen Euro loszuwerden. Einzig und allein der Verkauf von Tim Oermann zu Bayer Leverkusen hat zumindest noch 1.9 Millionen Euro eingebracht.
Hier gibt's mehr zu unserem Neuzugang Tim Oermann:
— Bayer 04 Leverkusen (@bayer04fussball) May 29, 2025
🎙️ Interview: https://t.co/FHyhrHHwOV
👤 Porträt: https://t.co/Ul1bf2kdqw#Bayer04 | #Werkself https://t.co/rYx4jUYdNc
Aber um es mit den Worten von Herbert Grönemeyer zu sagen:
Zeit, Dass Sich Was Dreht
Denn aus Sicht der Bochum-Fans bringt es nichts, den Kopf in den Stand zu stecken und den eigenen Verein, inklusive die Mannschaft mit "Schnauze voll" Sprechchören im Stadion als Loser-Gummitruppe zu verteufeln.
Denn klar ist auch, dass in diesem Kader definitiv viel Talent vorhanden ist, es muss nur richtig eingesetzt werden. Es wird also einen erfahrenen und sehr sozialkompetenten Trainer brauchen, einen, der möglicherweise für einen solchen Umschwung beim VFL sorgen und das Team im Verlaufe der Saison doch wieder in die Erfolgsspur bringen könnte.
Den Einstand hierfür hat Interimstrainer David Siebers bereits gegeben, wie man aber nach der Niederlage gegen Nürnberg auch sagen muss, leider bislang erfolglos. Es wird also höchstwahrscheinlich zeitnah einen neuen Trainer brauchen, der zumindest erstmal das schlimmste - nämlich die akute Angst in Liga drei abzurutschen, abwendet.
Hinzu müsste es ein Trainer sein, der der Mannschaft wieder Selbstvertrauen gibt und einen Spielstil implementiert, wo die Abläufe klar sind und wieder mehr auf One-Touch-Fußball gesetzt wird. Etwas, was auch Offensivspieler Gerrit Holtmann kürzlichst in einem Interview klar angeprangert hat:
"Unser Problem aktuell ist, dass wir nicht wie eine Mannschaft spielen, die 'zu gut' für den Abstiegskampf sind. In Momenten, wo wir eigentlich nur einen Ballkontakt brauchen sollten, brauchen wir derzeit eher drei, wenn nicht sogar vier oder mehr Kontakte."
Hier einige Kandidaten, die hier möglicherweise für den VFL Bochum in Frage kommen könnten:
1. Markus Anfang (ehem. FC Kaiserslautern / Dynamo Dresden)
Zunächst einmal wäre da Markus Anfang - 51 Jahre alt, in Köln geboren - und ein Trainer, der in der Vergangenheit durchaus auch über den Fußball hinaus zu polarisieren wusste.
Ob man ihm, wie es zeitweise medial der Fall war, gleich seine Trainertauglichkeit absprechen muss, nur weil er einst auch ohne eine COVID-19-Impfung Fußballtrainer sein wollte und dabei auf etwas unorthodoxere Mittel zurückgriff, muss jeder selbst wissen.
Mittlerweile ist er glücklicherweise wieder eine feste Größe im deutschen Trainergeschäft, wenn auch sein letztes Engagement beim 1. FC Kaiserslautern vergangene Saison vorzeitig endete. Aber auch hier muss man dazu sagen: Die roten Teufel vom Betzenberg haben sich nach seinem Abgang nicht verbessert, im Gegenteil: Seit ihrem Aufstieg aus Liga 3 waren sie bislang mit keinem anderen Trainer so nah am Bundesliga-Aufstieg dran gewesen, wie mit Markus Anfang.
Hinzu steht er auf strukturierten offensiven Ballbesitzfußball mit Köpfchen und kann hinzu noch auf eine Menge Erfahrung zurückgreifen, u.a. bei Kiel, Köln, Darmstadt, Bremen, Dresden und zuletzt Kaiserslautern. Einzig und allein seine Ansprachen in der Kabine kamen in der Vergangenheit nicht immer so gut an, insbesondere bei Nationalspieler Niclas Füllkrug mit dem es, während seiner Bremen-Zeit in der Kabine den ein oder anderen Eklat gab.
In jedem Fall ist Anfang ein Trainer mit eigenem Kopf, sowohl was Selbstbestimmung über seinen Körper angeht, als auch was Prinzipien angeht, die vielleicht nicht bei jedem Menschen immer gleich gut ankommen. Vielleicht auch deswegen waren seine zahlreichen Trainerstationen auch meistens - intensiv, oft erfolgreich, in der Regel aber eher kurz.
2. Robert Klauß (ehem. 1. FC Nürnberg)
Viel gegenteiliger könnte mein zweiter Kandidat kaum sein: 40 Jahre alt, einst Cheftrainer beim 1. FC Nürnberg, wie auch ehemaliger Co-Trainer von Trainergrößen wie Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann bei RB Leipzig.
Klauß ist ein ganz klarer Verfechter der Generation Laptop-Trainer, einige seine Interviews über abkippende Sechser in asymmetrischen Fünferketten gingen zeitweise sogar auf TikTok viral, denn er ist definitiv ein Trainer, der die reine Taktiktheorie liebt und sich da auch gern mal drin verfangen kann. Allerdings galt er bereits bei RB Leipzig als großer Jugendförderer, was für die Bochumer extrem gut wäre, um die jungen Top-Talente, wie Kjell Wätjen oder Francis Onyeka weiter zu entwickeln. Denn dafür, wie auch für einen klaren RB-Pressing-Stil, steht Robert Klauß zu hundert Prozent.
Und - kleine Randnotiz - sein ehemaliger Vorgesetzter, der ihn einst als Sportdirektor in Nürnberg rauswarf, wäre dann genau der Mann, den er nun in Bochum ersetzen würde, niemand anderes als Dieter Hecking.
3. Uwe Rösler (ehem. Fortuna Düsseldorf)
Oder man wählt einen völlig anderen Ansatz und versucht es mal mit Globetrotter Uwe Rösler. Dieser war vor allem als Spieler einer der vielleicht unterschätztesten deutschen Profis. Bei Manchester City ist er sogar in der "Hall Of Fame" ausgestellt und als Spieler als absolute Clublegende bekannt.
Seine letzte Bundesliga-Station war dann allerdings weniger von Erfolg gekrönt. Als Nachfolger von Feuerwehrmann-Legende Friedhelm Funkel bei Fortuna Düsseldorf konnte er zwar zunächst an seine Erfolge anknüpfen, schaffte jedoch am letzten Spieltag ganz knapp den Klassenerhalt nicht.
Seine sonstigen Trainerstationen lesen sich ansonsten wie die perfekte Bagpacker-Sommerreise durch Nordeuropa: Erst in Norwegen die Clubs Lillestrom SK, Viking Staganvar und FK Molde trainiert, ging es anschließend über England (Brentford und Leeds u.a.) zum FC Malmö nach Schweden und schließlich nach Dänemark zu Aarhus GF. Hier wird also die Frage vor allem die sein, ob der ehemalige DDR-Nationalspieler überhaupt Lust hat, in einem so aufgeheizten Umfeld wie aktuell in Bochum die Trainerrolle zu übernehmen.
Fachlich wäre der 56jährige, der am liebsten mutigen Fußball im 3-5-2 spielt und aktuell auch ohne Verein da steht, aber sicherlich über alle Zweifel erhaben.
4. Tim Walter (ehem. Hamburger SV / Hull City)
Und zum Abschluss noch ein Kandidat, der von allen Trainern sicherlich die größte Frischzellenkur für den Bochumer wäre, ein Trainer, dessen kompromissloser Ballbesitzfußball sogar schon zur Marke erklärt wurde (Stichwort: Walter-Ball).
Auch hier handelt es sich um einen Trainer, der durchaus mit der ein oder anderen Aussage durchaus schon zu polarisieren wusste. Dennoch wurde er insbesondere bei den HSV-Fans, gerade in Zusammenspiel mit Manager Jonas Boldt (der im übrigen auch ein sehr spannender Kandidat für den neuen Sportdirektor des VFL Bochum wäre) sehr geschätzt. Was Walter vor allem wie kaum ein anderer beherrscht ist die Fähigkeit mit seiner Ausstrahlung Begeisterung grade auch unter den Fans zu entfachen.
Hinzu hat er nicht nur in der Jugend von Bayern München trainiert, sondern neben Stuttgart, Kiel, dem HSV auch den Champion Ship Club Hull City trainiert. Auch seine Spielidee ist klar und simpel zu vermitteln: Hohes Pressing im 4-3-3-System, was sicherlich ein paar Wochen Zeit brauchen wird, final aber möglicherweise der aktuell komplett eingeschlafenen Offensive der Bochumer endlich wieder Schwung verleihen könnte.
Und falls nicht, nun dann muss vielleicht am Ende doch der ballferne asymmetrische Zehner im Dreieck zum abkippenden Sechser der inversen flügelfernen Raute helfen. :)
In diesem Sinne: Hier zum Abschluss noch einmal das legendäre Interview von Robert Klauß im herrlichsten trainerfachchinesisch: