Derzeit befindet sich Manchester United wieder auf Platz sechs und damit in Schlagdistanz zu den Champions-League-Plätzen. Doch ist wirklich alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen bei den Red Devils? Zumindest der Trend scheint aktuell wieder in eine positive Richtung zu gehen.
(Bild: IMAGO / Every Second Media)
Nicht mal unter den Einäugigen König
Es
war der 21. Mai 2025, als die Welt auf eines der, rein von den Namen
her, prestigeträchtigsten Europa-League-Finales der letzten 10 Jahre
schauen durfte: Manchester
United gegen Tottenham
Hotspur.
Die
ganz Mutigen, die sich das Spiel dann aber wirklich über 90
Minuten anschauten, mussten dann allerdings schnell erkennen, dass
hier zwei Scheinriesen auf dem Platz standen, wo es fast unmöglich
war, zu sagen, wer an diesem Abend weniger gewillt war für
irgendwelche fußballerischen Glanzlichter zu sorgen.
Dass
die beiden einstigen Schwergewichte des europäischen Fußballs die
heimische Liga am Ende mit Platz 15 und Platz 17 abschlossen,
erschien angesichts
dieser Leistung dann auch
nicht weiter verwunderlich.
Am Ende konnten die Spurs das Finale für sich entscheiden und schafften es somit sogar noch in die Champions League. Für Manchester United, die trotz der bitteren Niederlage weiter an ihrem Trainer Ruben Amorim fest hielten, hieß es dagegen: Nachsitzen, beziehungsweise in die Ecke stellen und schämen.
Denn Platz 15 in der Premier League, Aus im Achtelfinale des FA Cups plus dann auch noch die letzte Chance auf einen Titel ausgerechnet gegen den größten Titel-Choker Tottenham zu verspielen: Dass war so weit von allen Ansprüchen der Manchester-United-Fans, dass man sich schon fragen musste, ob eine solche Horrorsaison (es sei denn mit dem Abstieg in die Champion Ship) überhaupt noch steigerbar wäre.
Blick zurück:
Wie sooft liegen aber auch die Probleme bei Manchester United viel tiefer, beziehungsweise begannen eigentlich schon 2005 mit der Übernahme von Malcolm Glazer, einem amerikanischen Milliardär, der das heutige Investoren-System, mit dessen Hilfe sich Clubs wie Manchester City oder Newcastle United finanzieren, einfach mal umdrehte.
Dieser investierte zwar für den Kauf von Manchester United eine gewisse Summe selbst, den Großteil des Geldes aber mit Hilfe eines sogenannten Leveraged Buyout, eines Millionenkredits, den jedoch nicht er, sondern der Verein Stück für Stück zurück zahlen sollte. Kurz gesagt: Der Verein bezahlte quasi dafür, Glazer und seine Familie als Investor zu haben.
Ähnlich profitorientiert war infolgedessen auch das Arbeiten der Glazers, einerseits immer mit 100 Prozent Fokus, wann immer es um Rendite, sprich um Match-Day-, TV-, Merchandise- oder andere Marketing-Einnahmen ging, was Manchester United kurzzeitig zum umsatzstärksten Verein der Welt machte. Ging es allerdings um sportlichen Erfolg lautete das Motto kurz gesagt, um es mit den Worten der „Toten Hosen“ zu sagen: „Hier Kommt Alex.“: Lass denn Sir Alex mal machen und dann wird das schon.
Dies funktionierte dann auch jahrelang hervorragend, verließ man sich hier mittlerweile komplett auf die sportliche Kompetenz von Sir Alex Ferguson, der in der erfolgreichsten Zeit so etwas wie Scouting-Leiter, Sportdirektor, Trainer und Manager gleichzeitig war.
Hier schaffte es Ferguson sich mit der Zeit ein Team aufzubauen, welches sich (mit Eigengewächsen wie Ryan Giggs, Paul Scholes, Gary Neville aber auch externen Säulen wie Patrice Evra, Rio Ferdinand und nicht zuletzt Rekordtorschütze Wayne Rooney) sanschickte über Jahre das in England zu werden, was heute der FC Bayern München in Deutschland ist. Ganze vier mal stand im Champions-League-Finale und selbst ein Platz zwei in der Premier League galt in der Zeit unter Sir Alex Ferguson schon beinahe als Ausrutscher.
Nur eine Sache bedachte man dabei nicht: Was würde passieren, wenn mit Sir Alex Ferguson der Meister des Erfolges irgendwann doch mal abtreten würde, was im Jahr 2013 dann schließlich geschah.
Das große Trainerchaos:
Zunächst einmal verpflichtete man David Moyes, einen Trainer der alten englischen Schule, der zuvor über zehn Jahre beim FC Everton hervorragende Arbeit geleistet und sogar von Ferguson persönlich ausgewählt wurde. Nur passte sein defensiver Underdog-Spielstil überhaupt nicht zum Manchester-United-Kader, fast alle Stars verloren innerhalb von wenigen Spielen ihren Spaß, so dass Moyes schließlich nach nur 10 Monaten wieder entlassen wurde.
Alles was danach kam war dann schon eine fast Hermann-Hesse-artige Suche nach der Identität, ähnlich wie sie Borussia Dortmund nach dem Abgang von Jürgen Klopp durchlebt hat, wobei man in Dortmund zwischenzeitlich zumindest immer wieder versucht hat, zumindest was den Fußball angeht an die Klopp-Ära anzuknüpfen.
Bei Manchester United hingegen gab es nach Ferguson einfach mal überhaupt kein Konzept mehr. Man verhielt sich vielmehr wie ein Kunststudent, der noch nicht mal weiß, ob er mit Wasserfarben malen, Bildhauerei machen oder vielleicht doch lieber kreatives Fotodesign am Computer machen möchte.
Zunächst versuchte man mit Louis van Gaal einen von Positionswechseln lebenden Ballbesitzfußball zu spielen, dann mit José Mourinho auf defensiven Zerstörerfußball zu setzen, um dann mit Ex-Stürmer Ole Gunnar Solksjaer noch einmal die Karte Vereinsidentifikation und Mentalität auszuspielen, alles ohne Erfolg.
Manchester United can confirm that Ole Gunnar Solskjaer has left his role as Manager.
— Manchester United (@ManUtd) November 21, 2021
Thank you for everything, Ole ❤️#MUFC
Starspieler wie Alexis Sanchez oder Angel die Maria (Zitat: van Gaal war der schlechtester Trainer, den ich hatte) ergriffen nach nur anderthalb Jahren wieder die Flucht, während José Mourinho und Paul Pogba so aneinandergerieten, dass Mourinho ihn sogar als "menschliches Virus" bezeichnete, der laut Mourinho die Kabinenchemie zerstörte.
Und auch in der jüngeren Vergangenheit sah es nicht besser aus, insbesondere nach der völlig wilden Rückholaktion von Cristiano Ronaldo ins Old Trafford. Seine Reaktion auf die Verpflichtung von Ralf Rangnick (der mit agressivem RB-Pressing nochmal einen ganz anderen Stil ausprobierte und ebenso nach nur wenigen Monaten wieder entlassen wurde) „Als er ankam, wusste ich nicht einmal wer der Mann war“, wie auch sein völliges Zerwürfnis mit Rangnicks Nachfolger Erik ten Hag sprechen hier mehr für sich als 1000 Zahlen.
Umbruch in der Führungsetage:
Und wo wir gerade bei Zahlen sind: Man sollte nicht denken, dass die Glazers angesichts der sportlichen Krise ihres Clubs die Zinsen etwas sinken ließen oder dem Verein mit einer zusätzlichen Finanzspritze unter die Arme griffen, so wie es die Scheichs bei Paris St. Germain oder Manchester City regelmäßig tun.
Viel mehr hieß es, um es mit den Worten von Ed Woodward zu sagen (der als Sportchef und Vize-Chairman der Reds so etwas wie die rechte Hand der Glazers zu sagen):
„Die sportliche Leistung hat keinen wirklichen Einfluss darauf, was wir auf der kommerziellen Seite des Geschäfts tun können“
sprich, überspitzt gesagt: „Ob die Mannschaft Titel gewinnt ist uns eigentlich relativ egal, so lange der Verein irgendwie, wie auch immer, Kohle reinbringt.“
Dass das Motto der Fans über die Jahre mehr und mehr hieß „Love United, Hate Glazers“ scheint daher nur all zu verständlich, denn natürlich geht man als Fan am Ende ins Stadion, um seine Mannschaft gewinnen und tollen Fußball spielen zu sehen und nicht mit anschauen zu müssen, wie irgendein Investor seinen Lieblingsverein immer mehr ausbluten lässt.
Not wanted then. Not wanted now.
— FC United of Manchester 🟥⬜⬛ (@FCUnitedMcr) March 9, 2025
20 years of appalling mismanagement and hundreds of millions of pounds asset-stripped from Manchester United by the Glazer family.
Football deserves better.
Manchester deserves better.
The fans deserve better.#GlazersOut pic.twitter.com/FPqd2n21xQ
So kam es dann fast schon einer Erlösung gleich, als schließlich bekannt wurde, dass die Glazers bereit wären, den Club, oder zumindest Anteile daran, zu verkaufen, solange der Preis stimmte.
Der in Manchester geborene Sir Jim Radcliffe war es dann schließlich, der den Fußballriesen im Februar 2024 übernahm, beziehungsweise zumindest ein Viertel der Anteile und damit ein gewisses sportliches Mitspracherecht im damit immernoch bestehenden etwas abgeschwächten Glazer-Imperium.
Er war es dann schließlich auch, der Jason Wilcox als neuen Sportdirektor installierte, der wiederum im Frühjahr 2024 den noch jungen Portugiesen und Ex-Sporting-Lissabon-Trainer Ruben Amorim als neuen Trainer von Manchester United vorstellte.
Beginn einer neuen Ära?
Auf eine solche neue Ära hoffte man zumindest aus Sicht der United-Fans: Ein Trainer, der mit einer Mischung aus ansehnlichem Fußball und südländischer Heißblütigkeit, das Team und den Verein wieder wachrütteln sollte. Bis spätestens 2028 wieder Meister werden und ins Champions League Finale kommen, so lautete das Ziel der Vereinsführung, ob dies realistisch ist, bleibt allerdings weiter fraglich.
Manchester United will reach the UEFA Champions League final in 2028 against an Italian team. United will lift the trophy after extra time. You saw it here first
— Musah Ad- Deen🍂 (@1real_vee) June 3, 2025
Natürlich kann man als Argument nehmen, dass der Stadtrivale und Serienmeister der letzten Jahre Manchester City sich bald mit einem möglichen Rücktritt von ihrem Startrainer Pep Guardiola vor einem ähnlichen Ära-Ende befinden könnte wie einst United nach dem Ferguson-Rücktritt.
Auch darf die Tatsache Hoffnung machen, dass andere Top-Vereine wie Tottenham, Chelsea oder aktuell Liverpool in den letzten Jahren auch immer wieder gerne strauchelten. Ob das allerdings in den nächsten Jahren schon wieder für ganz oben reicht?
Hier scheint die Zielsetzung doch wieder äußerst ambitioniert zu sein und angesichts des zusätzlichen Drucks, den das auf Amorim auslöst, wenig zielführend.
Nach der gescheiterten letzten Saison, aus der auch der mitten in der Saison verpflichtete Amorim, abgesehen von der Finalplatzierung in der Europa League, nicht mehr viel rausholen konnte, hat man ihm aber nun zumindest mal eine ganze Vorbereitung Zeit gegeben und einen Kader zusammen gestellt, der seinen Wünschen entspricht.
Benjamin Sesko, Bryan Mbeumo und Matheus Cunha dürfen hier wohl zu Recht zu den interessantesten Transfers gezählt werden, wobei aus diesem Offensivtrio bislang einzig und allein Mbeumo mehr als 2 Tore nach 15 Spielen erzielen konnte und daher zu Recht als endlich mal wieder guter Transfer der Red Devils bezeichnet werden kann.
Zumindest aber wirkt das Team sicherer, das Mittelfeld aus Casemiro und Bruno Fernandes funktioniert wieder besser und auch Amad Diallo als flügelorientierten Schienenspieler einzusetzen, hat sich bislang gut bewährt.
Auch zuletzt 9 von 10 Spielen ohne Niederlage sprechen dafür, dass es doch allmählich zumindest langsam wieder bergauf geht für die Red Devils.




