Die große Achterbahnfahrt des FSV Mainz 05 beginnt von neuem und befindet sich derzeit (mal wieder) auf einem historischen Tiefpunkt. Und das, wo Fans noch vor wenigen Monaten gedacht haben mit Bo Henriksen (Bild: IMAGO / Hartenfelser) nun endlich einen Mann an der Seitenlinie zu haben, der die Mainzer auch langfristig vom Abstiegskampf fernhalten und zumindest mal ein bisschen Sicherheit in den Verein bringen könnte.
Nun soll Ex-Union-Berlin-Trainer Urs Fischer dem Verein aus der Krise helfen, ein Trainer, der die Eisernen nicht nur aus der zweiten Liga in die Champions League führte, sondern dort viele Jahre wie kaum ein anderer Bundesligatrainer für Konstanz wie auch für defensive Stabilität stand.
Von den Breisgaunern verhauen
Gegen den SC Freiburg hagelte es für die Mainzer bereits das zweite Mal ein Gegentor nach dem anderen. Schon gegen den Hamburger SV wurde man mit 0 : 4 aus dem Hamburger Volksparkstadion geschossen, gegen die Freiburger gab es nun die nächste 0 : 4 Auswärtsklatsche.
Auch ansonsten waren die Ergebnisse diese Saison bislang verheerend. 9 Spiele ohne Bundesliga-Sieg, dazu noch das Aus im DFB-Pokal gegen den VFB Stuttgart und selbst in der Conference League, dem einzigen Wettbewerb, wo man zumindest erfolgreich gestartet war, konnte man zuletzt nicht mehr gewinnen.
Dies sorgte schließlich für die Trennung von Bo Henriksen, eine Trennung, die nicht nur den Verein und die Fans schmerzte, sondern auch Sportvorstand Christian Heidel:
"Bo hat sich in einer Art und Weise verabschiedet, wie wohl noch niemand. Er hat 70 Menschen umarmt, es sind viele Tränen geflossen."
(Christian Heidel gegen über NTV).
Dies verwundert nur wenig, sorgte der Däne mit Platz 6 und der Qualifizierung für Europa letzte Saison nicht nur für eine der erfolgreichsten Saisons der Vereinsgeschichte, sondern brachte sich mit seiner Emotionalität, seiner Authentizität und seiner Nähe zur Mainzer Kurve direkt in die Herzen der Fans.
Dennoch gab es bereits im Vorfeld der Saison Skepsis, ob sich der superintensive immer auf Leidenschaft ausgerichtete Trainingsstil nicht irgendwann auch mal abnutzen könnte, siehe Jürgen Klopp in Liverpool oder Steffen Baumgart in Köln, deren Grundattitüde an der Seitenlinie zumindest in eine ähnliche Richtung gingen.
Hinzu musste man sich die Frage stellen, ob der Kader der Mainzer überhaupt ansatzweise bereit für eine Dreifachbelastung war und ob die sehr auf Motivation und positive Energie ausgerichtete Ansprache von Henriksen auch noch funktionieren würde, wenn den Spielern klar wird, dass der Kader dafür eben genau nicht stark genug besetzt ist.
Hier war insbesondere auffällig, dass die Mainzer selbst die positive Energie der zunächst erfolgreichen Conference League Spiele in keinster Weise in die Bundesliga übertragen konnte. Einem 1 : 0 Sieg gegen Omonia Nikosia folgte beispielsweise das bereits erwähnte 0 : 4 gegen Aufsteiger HSV, auf das 1 : 0 gegen Zrijnski Mostar folgte ein 1 : 2 gegen den VFB Stuttgart und auch nach dem 2 : 1 gegen AC Florenz verlor man nur wenige Tage später mit 0 : 1 gegen die aktuell schlechteste Defensivmannschaft Eintracht Frankfurt.
Viele warfen dem Trainer hier zu viel Rotation vor - bei einem Kader, der in der Breite genau dafür einfach nicht gemacht war. Ob es allerdings der Weisheit letzter Schluss gewesen wäre, die Führungsspieler durchzuspielen (Spieler, die größtenteils noch nie englische Wochen gespielt haben) bleibt allerdings auch fraglich. Viel mehr sollte sich hier die Frage stellen, ob Bo Henriksen hier nicht auch ein Stück weit von den Kaderplanern im Stich gelassen wurde.
Eine genaue Analyse zu der Zeit unter Bo Henriksen und den Gründen zu seiner Entlassung findet ihr auf unserem Youtube-Kanal KICKFIEBER - WER TRIFFT HAT RECHT in diesem Video:
Offensive Gefahr nicht existent
Doch Bo Henriksen hin oder her, wie konnte einer Mannschaft, die noch vor wenigen Monaten auf Platz 6 der Tabelle stand, eine solche Niederlagenserie passieren?
Hier muss man neben der defensiven Stabilität und einer rekordverdächtig hohen Anzahl an roten Karten nicht nur von Bundesliga-Dauerrekordhalter Dominik Kohr, sondern auch von anderen Mainzer Spielern wie Paul Nebel, insbesondere die offensive Harmlosigkeit betonen.
Denn schauen wir auf die aktuellen Stats des Mainz-Sturms sehen wir: Benedict Hollerbach, 9 Spiele, 0 Tore, Nelson Weiper, 10 Spiele, 0 Tore, Arnaud Nordin, 10 Spiele, 0 Tore, beziehungsweise William Boeving - der neue Stürmer, den man extra für 3,5 Millionen Euro von Sturm Graz geholt hatte - 3 Spiele, 0 Tore.
Die einzigen Spieler, die für Mainz 05 diese Saison bislang überhaupt mehr als einmal das Tor getroffen haben, sind bislang Nadiem Amiri (3 Tore) und Armindo Sieb (2 Tore),
Das ist für eine Mannschaft, die letztes Jahr noch um die Champions League mitgespielt hat, schlichtweg desaströs. Nicht einmal ansatzweise ist es den Mainzern hier gelungen, den Abgang von Star-Stürmer Jonathan Burkardt, der vergangenen Sommer für 21 Millionen an Eintracht Frankfurt verkauft wurde, auch nur ansatzweise zu kompensieren.
🦅 Jonathan Burkardt ist ein Adlerträger!
— Eintracht Frankfurt (@Eintracht) July 4, 2025
Der deutsche Nationalspieler wechselt mit sofortiger Wirkung nach Frankfurt, wo er einen Vertrag bis zum 30. Juni 2030 unterschrieben hat.#SGE
Denn selbst wenn man sich vielleicht bewusst war, einen solchen Stürmer nicht so einfach ersetzen konnte, scheiterte bislang auch der Versuch diese Aufgabe auf mehrere Schultern zu verteilen vollends, oder um es in Zahlen zu sagen: Aus 18 Toren (dies war es nämlich, die der deutsche Nationalspieler letzte Saison alleine für die Mainzer schoss) wurden sage und schreibe 0 Tore, die seine Nachfolger bislang erzielen konnten.
Doch wie sagte einst Michail Gorbatschow:
Wer zu spät kommt, den bestraft der Nebel
So hieß es zumindest in vielen der vergangenen Saisons, wo man als Abstiegskampf-Konkurrent die Mainzer nach der Hinrunde bereits abgeschrieben hatte, wonach aber mit Spielern wie Paul Nebel dann nach einem Trainerwechsel zumeist eine sensationelle Last-Minute-Aufholjagd in der Rückrunde folgte.
Hier ist Mainz 05 schon seit Jahren eine Ausnahmeerscheinung und hat sich zu Recht seit dem Aufstieg in die Bundesliga 2004/05 wie kaum ein anderer Verein (abgesehen vielleicht noch vom FC Augsburg) so sehr das Prädikat unabsteigbar verdient.
Denn bei anderen Mannschaften wie Fürth, Kiel, Schalke oder Darmstadt hätte wohl jeder nach nur 6 Punkten nach 13 Spieltagen gesagt, dass der Zug in puncto Klassenerhalt eigentlich schon abgefahren ist. Wenn man sich allerdings insbesondere die Debüt-Saison der beiden letzten Mainz-05-Trainer Bo Svensson und Bo Henriksen anschaut sollte man sich hier nicht zu sicher sein.
Hier folgte einem Platz 17 mit 7 Punkten nach 17 Spieltagen z.B. ein Platz 5 mit 32 Punkten in der Rückrunde unter Bo Svensson, während sein Nachfolger und Namensvetter Bo Henriksen aus einem Platz 16 mit 11 Punkten aus der Hinrunde in der Rückrunde nochmal ganze 24 Punkte holen konnte. Wenn also ein Verein in den letzten Jahren das (!) Stehaufmännchen der Liga war, dann waren es ganz sicher die Mainzer.
Und genau eine solche Aufholjagd soll nun ein weiteres Mal unter Ex-Union-Berlin-Trainer Urs Fischer gelingen.
Unser neuer Trainer: Urs Fischer
— 1. FSV Mainz 05 (@1FSVMainz05) December 7, 2025
Der Schweizer hat einen Vertrag bis Sommer 2028 unterschrieben. Mit Urs Fischer wechselt auch sein langjähriger Co-Trainer Markus Hoffmann (53) sowie Videoanalyst Sebastian Podsiadly (34) zu uns.
Herzlich Willkommen, Urs! pic.twitter.com/PIqslSMkt8
Der Retter aus Köpenick
Mit ihm haben die Mainzer nun zumindest eines wieder zurück: Defensive Stabilität. Denn auch wenn bislang vor allem die offensive Durchschlagskraft Sorgen bereitete, war auch die Defensive bislang nicht gut.
Mit 24 Gegentoren gibt es aktuell nur drei Mannschaften, die mehr Gegentore kassiert haben, was sich unter dem Schweizer, der mit seinem Unioner Abwehrbollwerk dem Begriff "Berliner Mauer" nochmal eine ganz neue Bedeutung gab, nun definitiv ändern soll.
Doch auch sonst spricht viel dafür, dass der Spielstil von Urs Fischer gut zu Mainz 05 passen könnte. Gewiss, die Mainzer sollten sich trotz alledem überlegen im Winter gerade in der Offensive noch einmal nachzulegen, grundsätzlich passen aber auch konterstarke Stürmer wie Benedict Hollerbach (der diesen Sommer selbst von Union Berlin gekommen war) in das Beuteschema des Schweizers.
Das Allerwichtigste aber wird aktuell sein, der Mannschaft jegliche Panik vor dem Abstieg zu nehmen und wieder Ruhe und Selbstvertrauen in das Team zu bringen.
Und dies kann Urs Fischer zweifellos mit seiner ruhigen bedächtigen Art wie kein anderer. Des weiteren ist er auch bekannt mit älteren defensiv-orientierten Spielern, die weniger über das Tempo, sondern über gute Positionierung kommen, gut zu können, was ebenfalls sehr gut zum Mainzer Kader passt.
Und wer weiß, vielleicht wird unter Urs Fischer selbst Dominik Kohr nochmal ein Innenverteidiger, der seine Gegenspieler höflich mit einer Verbeugung fragt, ob sie ihm bitte den Ball geben können, ehe er seinen Körper einsetzt.
Nun, auch wenn Urs Fischer mit Mainz 05 viel, wenn nicht sogar alles zuzutrauen ist, hier hat dann selbst meine Fantasie zugegeben ihre Grenzen.
Die Fantasie, dass Mainz 05 allerdings unter ihm (wieder mal) einen einstelligen Tabellenplatz in der Rückrunde und damit den sicheren Klassenerhalt schaffen könnte, sollten Fans aber durchaus haben, dann wenn es für alle anderen Abstiegskonkurrenten wieder mal heißt:
Wer zu spät kommt, den bestraft ..... wenn nicht der Nebel, dann vielleicht zumindest eine in der Rückrunde unter Urs Fischer vielleicht am besten gecoachten Viererketten der Liga.



