Gestern ging wohl einer der größten Fußballer von uns. Diego Armando Maradona wurde nur 60 Jahre alt, als ihn Gott zu sich nahm. Die ganze Fußballwelt nahm Anteil an seinem Tod und auch ich verdrückte die eine oder andere Träne.
Normalerweise habe ich einen gesunden Abstand, wenn Prominente zu denen ich keinen Bezug habe von uns gehen. Doch nach dem Tod von Michael Jackson, musikalischer Held meiner Kindheit, schockierte mich die Nachricht über den Tod meines fußballerischen Idols Diego gestern sehr.
Ich war selber überrascht, dass mir sogar die Tränen deswegen kamen, da mir bis zu diesem Moment nicht bewusst war, wie bedeutend dieser kleine Gaucho für mich eigentlich war und immer noch ist. Maradona war es, weswegen ich als 6-jähriger Bub‘ mit dem Fußballspielen begann.
Erstes Poster von Maradona
Ich erinnere mich gerne an die Zeit, als mein älterer Cousin Mehrdad mir 1990 ein Poster aus dem Kicker-Sonderheft zur WM in Italien der argentinischen Nationalmannschaft schenkte und ich es direkt freudestrahlend über meinem Bett aufhängte. Es war das erste Poster in meinem damaligen Kinderzimmer und es hat mir immer gute Laune bereitet, wenn ich meinen Held morgens erblickte.
Als ich dann in der F-Jugend meines Dorfvereins die Fußballschuhe schnürte und im zweiten Training von meinem Jugendtrainer aufgrund meiner Haarpracht und meiner südländischen Haut mit Maradona verglichen wurde, schossen mir lauter Glücksgefühle durch den Körper, weshalb ich mich heute noch sehr genau daran erinnern kann.
Meine Mutter ist Italienerin und dementsprechend gab es natürlich humorvolle Spannungen, als ihr halbitalienischer Sohn im Halbfinale der WM 1990 zwischen Italien und Argentinien für die Südamerikaner fieberte. Doch es war einfach echte Liebe die über mein Blut hinausging. Mich interessierten damals keine Länder, Ethnien oder Grenzen, für mich zählte nur Diego.
One of my earliest football memories was watching Diego Maradona in the 1990 World Cup final ; I remember wanting Argentina 🇦🇷 to win😢
— James S Thambyrajah (@JThambyrajah) November 25, 2020
A football-genius who is arguably the greatest to have played the game⚽️🇦🇷#RIPMaradonna pic.twitter.com/fnuNrC3oNg
1994 die große Enttäuschung
Argentinien verlor dennoch im Finale gegen Deutschland und ich weinte mit Maradona, wenngleich sich meine Familie im selben Moment für Deutschland freute. Nach diesem großen Turnier kam dann vier Jahre später die große Enttäuschung für mich, an die ich vorher nie gedacht hätte.
Als kleiner Junge hatte ich mitten in den 80ern nichts von Maradonas Drogenproblemen, Verbindungen zur Mafia oder seinem ausschweifenden Nachtleben mit Prostituierten mitbekommen. Für mich war er der strahlende unbefleckte Held.
Doch 1994 sollte sich das zum ersten Mal für mich ändern. Argentiniens Kapitän wurde bei der WM in den USA des Dopings überführt und es enttäuschte mich menschlich sehr. Für mich war diese WM ohne Diego nicht mehr das Selbe.
DID YOU KNOW ?
— EaglesTracker - The home of Nigerian Footballers (@EaglesTrackerNG) November 26, 2020
Diego Maradona’s last international match was against the Super Eagles of Nigeria at the 1994 World Cup.
He assisted the winning goal in the match as Argentina claimed a [1-2] victory.
RIP Legend 🐐 pic.twitter.com/1g4nNpGPbh
Jahre vergingen ich wurde älter und reifer, doch die Eskapaden um den Superstar rissen nicht ab. Auch sein äußerliches Erscheinungsbild schockte mich immer mehr. Maradona wurde fettleibig, war immer wieder auf Drogenentzug in Kliniken, hatte Eheprobleme, da er nicht treu sein konnte.
Ich war desillusioniert
Ich fragte mich immer wieder, wie ich zu so einen Menschen als Kind aufschauen konnte. Spätestens als Maradona eine Pressekonferenz bei der WM 2014 abbrach, weil Thomas Müller, den er nicht kannte, neben ihm Platz nahm, war es dann endgültig vorbei mit dem Verständnis für ihn als Mensch. Ich war endgültig desillusioniert.
Jahre vergingen und ich wurde reifer und verständnisvoller und erkannte, dass dieser Mensch große Probleme hatte. Ich verstand, dass Diego einfach auch unter sich selbst litt und sich aufgrund seiner Sucht immer wieder selbst Schaden zugefügt hatte. Er musste sich und seine Ängste, Süchte und sein destruktives Verhalten ertragen und das musste sehr schwer für ihn gewesen sein.
Allein seine gesundheitlichen Probleme, von denen ich in der Netflix-Dokuserie „Maradona in Mexiko“, mehr erfuhr, machten mich sehr traurig. Der Fußball und die Drogen haben ein körperliches Wrack zurückgelassen, welches vor lauter Schmerzen kaum gehen konnte und das in dem Alter. Mit 59 Jahren bewegte sich Diego wie ein 90-jähriger Greis.
The Diego Maradona doc that celebrated his career is a great watch
— Barry Whyte (@BarryWhyte85) November 25, 2020
But Maradona in Mexico on Netflix, where he manages club side Dorados, is also brilliant. It really showed what type of character he was, so likeable and he just loved football and people. Going to rewatch both pic.twitter.com/2LFnNb0ZB9
Ich verliebte mich neu in Diego
Doch ich verliebte mich zum ersten Mal menschlich in ihn, nach der jahrelangen Enttäuschung über seine Eskapaden. Er behandelte seine Spieler und jeden einzelnen von ihnen wie seine leiblichen Kinder. Er umarmte und küsste jeden vor Trainingsbeginn, er tanzte zusammen mit ihnen, er lachte zusammen mit ihnen und er weinte zusammen mit ihnen.
Dieses starke emotionale Band, welches zwischen den Spielern und ihm herrschten, war selbst am Fernseher eindeutig wahrzunehmen. Jeder seiner Spieler wäre für ihn in den Krieg gezogen und das nicht weil er einen großen Namen hatte, nein, er war wie ein Vater der an sie alle geglaubt hat. Er verpasste mit dem mexikanischen Zweitligist „Dorados“ nur knapp den Aufstieg, obwohl diese vorher gegen den Abstieg kämpften.
La alegría de Diego Maradona en el vestuario de Dorados, cantando y bailando con Gaspar Servio y Javier Báez, actuales jugadores de #Guaraní.@FALG1080am pic.twitter.com/YBAijiHRrj
— Mathias Falcó Rodi (@carlosmathi) November 26, 2020
Maradona war Mensch
Der große sportliche Erfolg blieb dem kleinen Gaucho als Trainer also weiterhin vergönnt, aber die Herzen gewann er trotzdem. Man musste ihn einfach lieben. Diego war in jeder Phase seines Lebens einfach er selbst. Er hat sich niemals verstellt. Er war ein Herzmensch. Er zeigte Emotionen, positive wie auch negative, aber am Ende war er einfach ein wahrhaftiger Mensch.
Ich kann als 37-jähriger Mann heute konstatieren, dass ich diesen Mann als Spieler und als Mensch geliebt habe und sein Verlust zerreißt mir das Herz. Fußball ohne Maradona ist wie Spaghetti ohne Pomodoro. Jedoch bin ich sehr dankbar, dass ich behaupten kann „Ho visto e sentito Maradona!“ („Ich habe Maradona gesehen und gefühlt!“)
Danke Diego für alles! Mögest du in Frieden ruhen und in meinem Herzen und das von Millionen anderen weiter leben…