„Wir sind bis unter die Haarspitzen motiviert, der Trainer hat uns top vorbereitet, wir haben sehr gut im Training gearbeitet und sind bereit für Lazio!“ Donnarummas Worte ließen jedem Milanista vor dem Spitzenspiel gegen Lazio im heimischen San Siro auf drei Punkte hoffen, doch am Ende lief es ähnlich wie gegen die Roma.
Die Rossoneri machten das Spiel, die Römer schießen die Tore. Doch war alles so schlecht, wie die erste Niederlage nach 30 Jahren gegen die „Biancocelesti“ im San Siro vermuten lässt? Nein, keinesfalls. Es gab einige Lichtblicke zu verzeichnen, denen wir uns nun zuwenden wollen.
Bennacer mit neuem Selbstvertrauen
Jedem Tifoso am Fernseher und auch im Stadion wird die vielversprechende Performance von Ismael Bennacer aufgefallen sein. Denn der algerische Nationalspieler zeigte sich nicht nur zweikampfstark, sondern initiierte zahlreiche Angriffe der Pioli-Truppe, zeigte sich passsicher, handlungsschnell und konnte überdies zwei Großchancen einleiten.
Der beste Spieler des Afrika-Cups muss künftig lediglich darauf achten, nicht zu voreilig seine Position vor der Abwehr zu verlassen, da sonst bei einem verlorenen Zweikampf zu schnell irreparable Lücken entstehen, in die der Gegner tödlich reinstoßen kann. Doch abgesehen davon zeigte er endlich auch im Trikot der Mailänder seine exzellenten Balleroberungsskills, auf die es aufzubauen gilt.
Theo Hernandez wie ein TGV
Ein weiterer Mann, der die Mailänder Herzen höher schlagen ließ, war sicherlich einmal mehr Theo Hernandez. Der pfeilschnelle Linksverteidiger machte, wie in den Wochen davor, dermaßen viel Betrieb über die linke Außenbahn, dass man ihn schon fast mit einem TGV verwechseln konnte. Tolle Physis, stark im Dribbling und antrittsstärker als der schnellste Zug Frankreichs überrannte er teilweise drei Gegenspieler auf einmal. Sollte der französische Nationalspieler noch sein finales Passspiel perfektionieren, könnte er ihn Zukunft seine zahlreichen Flankenläufe nachhaltig mit Scorerpunkten veredeln.
Samu Castillejo war eine weitere Personalie, welche verdeutlichte, dass das Angriffsspiel der „Rossoneri“ unberechenbarer ist, wenn man auch mal die Grundlinie ansteuert oder selbstlos den Ball direkt weiterpasst, statt das Spiel zu verlangsamen. Leider musste der junge Spanier bereits in der ersten Hälfte den Platz unter Tränen und Beifall des Anhangs verletzt verlassen. Rebic konnte den Ausfall des ehemaligen Villareal-Akteurs zu keinem Zeitpunkt nur annähernd auffangen.
Schnörkellos in die Spitze
Zudem erspielten sich die Lombarden im Gegensatz zu Giampaolos Amtszeit zahlreiche Chancen im letzten Drittel. Insgesamt zehn Torchancen konnten am Ende für den siebenfachen Champions-League Sieger verbucht werden, da die Norditaliener schnörkellos und vertikal in die Spitze spielten und dabei das Mittelfeld schnell überbrückten. Doch nicht nur nach vorne zeigt sich Piolis Truppe verbessert.
Gerade das gegen die Roma monierte Zweikampfverhalten war gegen Lazio nicht wiederzuerkennen. Die Mailänder taten den Römern in fast allen Duellen mit einer gesunden Portion Aggressivität weh und hinderten die Hauptstädter bereits bei der Ballannahme daran, sich zu entfalten.
Leao zerstört Pressing des Teams
Daraus resultierend zeigte sowohl das Pressing als auch das Gegenpressing wesentlich mehr Effizienz. Das ganze Team rannte beim Spielaufbau der Gäste geschickt die Passwege zu und schaffte es häufig, auch verlorene Bälle umgehend wieder zu erobern.
Erst mit der Einwechslung Rafael Leaos ging dieser Effekt verloren, da der junge Portugiese die Vorgaben seines Trainers nur sehr halbherzig umsetzte. „Leao muss lernen, dass das Spiel weitergeht, auch wenn er nicht den Ball an seinen Füßen hat“, kritisiert der ehemalige Milan-Coach Fabio Capello die Einstellung des Youngsters.
Klare Entwicklung erkennbar
Doch konstatiert man all diese Punkte, scheint Pioli das Spiel seiner Mannen ohne Zweifel sukzessive weiterzuentwickeln. Darüber hinaus scheut sich der 54-jährige Italiener nicht davor, langjährige Stammkräfte wie Franck Kessié oder Suso bei fehlender Leistung kurzerhand auf die Bank zu verbannen. Somit belebt er gerade auf der linken Außenbahn und dem Box-to-Box-Spot im Mittelfeld den seit Jahren eingeschlafenen Konkurrenzkampf endlich wieder neu.
Mit gezielten Verstärkungen in der Winterpause, vor allem zwei bis drei echten Leadertypen, könnte Milan in der Rückrunde nochmals richtig angreifen, sollte der Abstand zu den internationalen Plätzen bis dahin nicht zu groß geworden sein. Doch bis dahin heißt es beißen, kämpfen und nicht aufgeben liebe Rossoneri.