In
unserer Serie "Das Kickfieber-Interview – Heute mit ..." wollen wir
Euch in jeder Ausgabe ein spannendes Interview mit einem Protagonisten
aus der Fußballszene präsentieren. Dabei erwarten Euch interessante
Einblicke hinter die Kulissen der Welt des Fußballs, die mit Sicherheit
den einen oder anderen von Euch zum Nachdenken bringen werden.
In der heutigen Ausgabe ist dieser Protagonist Babak Keyhanfar, Co-Trainer beim 1.FSV Mainz 05.
Salam Babak jan, ihr habt zuletzt in der Bundesliga 7 von 15 Punkten geholt und, seid dazu DFB-Pokal-Achtelfinale gegen die Bayern ausgeschieden. Wie bewertest Du den Auftakt ins neue Jahr?
Für die Vereine war das jetzt eine neue Situation mit der langen WM-Pause und damit einhergehend eine andere Art der Vorbereitung. Deshalb war es nicht einfach einzuschätzen, wo man steht. Leistungstechnisch sind wir mit den letzten Spielen sehr zufrieden und wir haben es geschafft, dass durch die Pause keine Delle entstanden ist und wir gut im Saft sind. Das ist grundsätzlich schon eine gute Punktausbeute für uns. Auch die Leistung stimmt uns sehr zufrieden, insbesondere das letzte Spiel gegen Augsburg (3:1 für Mainz 05) war sehr wichtig und von der Performance her das vielleicht beste Spiel in dieser Saison. Die Niederlagen gegen die Spitzenteams Union Berlin und Borussia Dortmund (beide Spiele mit 1:2 verloren) waren sehr knapp und wir hätten sicherlich mehr verdient gehabt.
Was ist euer Saisonziel? Was habt ihr euch vorgenommen? Woran habt ihr in der Winterpause euren Fokus gelegt? Zum 7. Platz, der möglicherweise für das internationale Geschäft reicht, habt ihr nur 4 Punkte Rückstand.
Für uns ist es erstmal wichtig, dass wir uns inhaltliche Ziele setzen. Wir hatten uns vorgenommen, dass wir stabiler werden als noch in der Hinrunde und die Verteidigung der gesamten Mannschaft zu verbessern. Genau das hat uns die zwei Jahre zuvor ausgemacht, allerdings hatten wir viele verletzungsbedingte Wechsel zur neuen Saison und mussten uns auch wegen den Abgängen in der Abwehr von Moussa Niakhaté und Jeremiah St. Juste, die eine wichtige Rolle gespielt hatten, erstmal finden und die Abwehrzentrale umbauen. Wir möchten wieder zurück zu den Basics und sind auf einem guten Weg. Als Mainz 05 ist es wichtig, sich auch kurzfristige Ziele zu setzen und auf die Punktausbeute zu schauen, aber im Vordergrund steht die Weiterentwicklung der Mannschaft als langfristiges Ziel und deshalb beschäftigen wir uns nicht damit, wo wir am 34. Spieltag stehen werden.
Jetzt spielt ihr am Sonntag gegen Bayer 04 Leverkusen, euren direkten Tabellennachbarn und einen eigentlichen Europapokal-Teilnehmer. Inwieweit verspürt ihr nach der 0:3 Heimniederlage im Hinspiel eine extra Motivation euch zu revanchieren?
Ich denke nicht, dass das Hinspiel bei uns in den Köpfen steckt, sondern wir fokussieren uns darauf, an die starken Leistungen der letzten Spiele, insbesondere gegen Augsburg, nahtlos anzuknüpfen und denselben Mut und die Gier an den Tag zu legen. Leverkusen ist ein starker Gegner und hat eine unglaubliche Qualität im Kader, auch wenn sie zu Beginn der Saison Schwierigkeiten hatten und aktuell nur im Tabellenmittelfeld stehen. Es wird eine große Aufgabe, aber wenn wir alles raushauen, mutig sind und unseren Fußball spielen, können wir dort mit Sicherheit etwas mitnehmen.
In deiner aktiven Spielerkarriere hast Du unter anderem bei Basara Mainz und dem SV Gonsenheim in der Oberliga gespielt, was auch die höchste Spielklasse für dich war. Später hast Du dann beim SV Gonsenheim in den Saisons 2016/17 und 2017/18 auch als Cheftrainer gearbeitet. Inwieweit beeinträchtigt dich deine fehlende Erfahrung im Profifußball im Umgang mit gestandenen Bundesligaspielern? Was für ein Trainertyp bist Du?
Das wichtigste ist, dass man mit Spielern wie mit "ganz normalen" Menschen umgeht, authentisch bleibt und keine Rolle spielt. Ich versuche offen und ehrlich mit den Jungs umzugehen, ihnen klar sagen, was man von ihnen erwartet und dadurch ein gutes Verhältnis aufzubauen. Die Art und Weite, wie man den Spielern begegnet, bekommt man von ihnen auch zurück.
Natürlich stimmt es, dass ich keine aktive Profikarriere hatte, war aber sehr lange im gehobenen Amateurfußball unterwegs und viele Abläufe sind identisch zu den Profis. Klar gibt es einiges, was neu dazugekommen ist und das ich gelernt habe. Im Endeffekt ist es wichtig, dass man selbst jeden Tag voll abruft, wenn man auf dem Platz steht, professionell auftritt und das vorlebt, was man von den Spielern auch erwartet. Dann spielt es keine Rolle, ob man mit Spielern aus der 3. Liga arbeitet oder mit Spielern, die an einer WM teilgenommen haben.
Das ist ja auch ein Trend der letzten Jahre, dass man nicht mehr zwingend selbst eine Profikarriere als aktiver Spieler gehabt haben muss, um im Profifußball erfolgreich als Trainer zu arbeiten. Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco sind da die besten Beispiele in der Bundesliga.
Letztendlich muss man einfach der Typ dafür sein. Cheftrainer zu sein, ist eine große Aufgabe, weshalb man stets fokussiert sein muss und auch die Persönlichkeit mitbringen muss, um diesen Aufgaben gewachsen sein zu können. Klar ist Erfahrung dabei auch sehr wichtig und hilfreich, wenn man im Staff auch einige Trainer hat, die Profierfahrung haben, weil man gewisse Dinge besser nachvollziehen kann. Genau das macht ja auch ein Trainerteam aus.
Du hast Bo Svensson bereits bei der U19 des FSV Mainz und danach auch beim FC Liefering in Österreich als Co-Trainer assistiert. Nun arbeitet ihr auch zusammen beim 1.FSV FSV Mainz 05. Wie ist das Verhältnis mit Bo? Und wie kam es zu dem Kontakt zwischen euch?
Als ich bei SV Gonsenheim Cheftrainer war, trainierte Bo die U19 von Mainz und war auf der Suche nach einem Co-Trainer und hat mich dann angesprochen. Wir haben uns mehrfach getroffen und uns unterhalten und gemerkt, dass es zwischen uns passen könnte. Deshalb habe ich das Angebot dann auch angenommen und mit ihm die U19 trainiert. Weil wir gut miteinander ausgekommen sind, sind wir zusammen nach Salzburg zum FC Liefering und haben unsere Zusammenarbeit fortgesetzt. Dort haben wir sehr viel Zeit verbracht, da wir ohne unsere Familien dorthin sind und deshalb auch oft gemeinsam gependelt sind. Daraus ist dann eine Freundschaft geworden und das ist auch einer der Gründe, wieso wir harmonieren und gemeinsam ein gutes Trainerteam bilden.
Kommen wir mal zu einem anderen Thema, was weniger mit Fußball zu tun, dich allerdings persönlich betrifft: Seit über fünf Monaten findet im Iran, deiner zweiten Heimat, eine von Frauen angeführte Revolution statt. Die Menschen im Iran kämpfen um Freiheit und riskieren dabei ihr Leben, weil das Regime mit Brutalität antwortet. Über 20.000 Verhaftungen und über 500 Tote gibt es mittlerweile. Du hast selbst gemeinsam mit dem 1.FSV Mainz 05 vor einiger Zeit ein Video veröffentlicht, wo Du deine Solidarität zum iranischen Volk erklärt hast. In der Folge hast Du auch einige Interviews mit iranischen Nachrichtensendern sowie Aktivisten gegeben. Inwieweit beschäftigt dich das Thema heute? Und wie geht es Deiner Familie im Iran?
Meine Familie wohnt größtenteils in Deutschland, sodass ich wenige Verwandte im Iran habe und bin etwas beruhigter, dass ich mir zumindest über meine Familie keine großen Sorgen machen muss. Allerdings ist diese (Frauen-)Revolution etwas einzigartiges und besonderes, auch wenn es in den letzten Jahren immer wieder kleinere Proteste gab. Natürlich hat mich das vor allem in der Anfangszeit sehr beschäftigt und geht nach wie vor nicht spurlos an mir vorbei. Ich bin zwar hier aufgewachsen, habe aber durch meine Familie viele Berührungspunkte mit meinen Wurzeln gehabt, insbesondere die persische Kultur und Geschichte. Wenn man sieht, dass die Rechte und Freiheiten, die wir hier genießen und als selbstverständlich erachten, im Iran mit den Füßen getreten werden und die Menschen mit letzter Kraft um ihre Freiheit kämpfen, ist das sehr beeindruckend und ich zolle den Frauen, Männern und Kindern meinen allergrößten Respekt. Deshalb versuche ich dort wo ich kann zu helfen und die Menschen im Iran weiterhin zu unterstützen.
In Deutschland spielt mit Sardar Azmoun ein Iraner in der Bundesliga bei Bayer 04 Leverkusen und mit Mehdi Mahdavikia oder Vahid Hashemian sind auch einige ehemalige iranische Fußballer in Deutschland aktiv gewesen. Stehst Du mit ihnen in Kontakt?
Ja, mit Sardar habe ich sehr viel Kontakt und habe natürlich versucht, ihm zu helfen sich hier in Deutschland einzuleben. Auch mit Mehdi stehe ich regelmäßig im Austausch, der ja im Iran eine Legende ist …
.. und auch beim HSV!
Richtig. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung vor allem in der Bundesliga und in Deutschland kann ich sehr viel von ihm lernen und bin froh, dass wir uns gegenseitig austauschen.
Zu guter letzt noch eine persönliche Frage: Wie siehst Du deine Trainerzukunft? Hast du die Ambitionen auch mal als Cheftrainer zu arbeiten? Du genießt mittlerweile einen exzellenten Ruf und viele trauen Dir auch zu, eine Mannschaft als Chef zu leiten.
(lacht) Wann folgt das nächste Interview? Wenn Du so weitermachst können wir noch zwei bis drei weitere Interviews führen, danke für die positive Energie.
Ich bin mit meinem derzeitigen Job und in der derzeitigen Konstellation sehr zufrieden und fühle mich in meiner Rolle sehr wohl. Ich gehe dabei total auf und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Bo macht mir unglaublich viel Spaß. Das ist denke ich das Wichtigste, dass man Freude an seinem Beruf hat und sich aktiv einbringen kann. Deshalb denke ich an nichts anderes. Klar weiß man im Fußball bekanntlich nie was kommt, aber zurzeit macht mir das mit der Mannschaft und im Trainerteam unglaublich viel Spaß und ich genieße die Arbeit im Verein.
Vielen Dank für deine Zeit!