Paolo Rossi war kein typischer Stürmer wie du ihn dir vorstellen würdest. Er hatte weder das Fähigkeitenprofil einer modernen Nummer neun, noch hätten die meisten ihm eine große Karriere zugetraut. Denn er war klein, schmächtig und verfügte über keine großartigen technischen Fähigkeiten.
Rossi begann seine Karriere in der Jugend von Juventus Turin. Sein erstes Match für die "Bianconeri" würde der Stürmer jedoch erst acht Jahre später absolvieren. Nach drei schwerwiegenden Knieverletzungen, lieh der italienische Rekordmeister den in Prato geborenen Jüngling erstmal in die Serie B an Como aus.
Dort durfte das 1,76 Meter kleine Leichtgewicht 191 Minuten Zweitliga-Luft atmen und sich im rauen Profifußball akklimatisieren. Nur eine Spielzeit später schoss er seinen neuen Club Vicenza mit 21 Toren zum Aufstieg in die Serie A. Rossi wurde mit nur 21 Jahren Torschützenkönig und spielte sich in den erweiterten Kreis der Nationalmannschaft.
24 Tore in Liga eins
In seiner ersten Serie-A-Saison traf der flinke Rechtsfuß gar 24 mal für den Aufsteiger aus Vicenza und schaffte es als erster und bis heute einziger Stürmer in zwei aufeinanderfolgenden Spielzeiten in beiden Ligen „Capocannoniere“ zu werden.
Sein Killerinstinkt und Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor veranlassten den damaligen Nationaltrainer Enzo Bearzot dazu, den Aufstiegshelden für die WM 1978 zu nominieren. Rossi durfte also auf ganz großer internationaler Ebene Erfahrung sammeln und dankte es seinem Coach mit drei Toren im Wettbewerb und trug dazu bei, dass die „Squadra Azzurra“ am Ende immerhin Vierter werden konnte.
Es war die perfekte Vorbereitung auf das, was vier Jahre später folgen und zu den größten Triumphen seiner Karriere zählen würde. Doch vorher sollte es erst mal steil bergab gehen, denn der Italiener wurde 1980, während er für Perugia kickte, in einen Manipulationsskandal, dem sogenannten „Totonero“, hineingezogen.
3 Jahre Sperre, reicht es noch zur WM?
Perugias Offensivspezialist wurde für drei Jahre gesperrt, dieser beteuerte dabei jedoch stets seine Unschuld und wies alle Vorwürfe von sich. Glücklicherweise wurde diese auf zwei Spielzeiten verkürzt.
Kurz nachdem Rossi wieder zum italienischen Rekordmeister aus Turin wechselte, wurde er für die WM-Endrunde 1982 nominiert entgegen der Proteste und der vehementen Kritik der italienischen Gazzetten. Sie monierten, der Goalgetter sei unfit und völlig außer Form und die "Azzurri" nicht nur wegen ihm kein ernstzunehmender Favorit auf den Titel.
In der Vorrunde sollte die Presse recht behalten, denn Rossi stolperte ziellos über das Spielfeld und war mehr als nur ein Fremdkörper. Trotz der katastrophalen Performance schafften es die Italiener mit drei mageren Unentschieden glücklich in die 2. Runde.
Platzt gegen Brasilien der Knoten?
Nach einem knappen 2:1 Erfolg über Weltmeister Argentinien musste die „Squadra Azzurra“ gegen ein absolut übermächtiges Brasilien mit Legenden wie Zico, Sokrates oder Serginho ran. Italien gewann diese historische Partie mit 3:2. Rossi? Der erzielte einfach mal einen Hattrick und stieg wie Phönix aus der Asche empor.
Halbfinale. Nun gegen ein überragendes Polen mit Ausnahmekickern wie Lato, Boniek oder Zmuda. Rossi? Dieser war nach 90 brasilianischen Minuten in absoluter Topform und schoss beim 2:0-Sieg über die "Biało-czerwoni" beide Tore und sorgte quasi im Alleingang dafür, dass das Finale gegen Deutschland verbucht werden konnte.
Gegen die Deutschen sorgte dieser im Vorfeld stark kritisierte und scheinbar völlig außer Form befindliche Juve-Stürmer mit seinem „Dosenöffner“ zum 1:0 dafür, dass Italien erstmals nach 50 Jahren wieder einen WM-Titel nach Hause holte.
Heldentransformation 1.0
Mit sechs Toren in nur drei Spielen, gelang es Paolo Rossi zum Nationalhelden und Torschützenkönig des Turniers zu werden, was ihm den „Goldenen Schuh“ einbrachte. Die Titel zum Ballon d’Or, Europas Fußballer-, Weltsportler- (L‘ Eqiupe) und Weltfußballer des Jahres 1982 sollten alle noch folgen. Rossi ist einer der wenigen Spieler, welche überwiegend aufgrund ihrer außerordentlichen Leistungen bei einer WM-Endrunde in Erinnerung bleiben werden.
Der damals 26-jährige Italiener schaffte es seinen Status vom Wettbetrüger in nur wenigen Spielen zum WM-Helden zu transformieren. Kein anderer Spieler in der Geschichte des Fußballs schaffte es aus solch ungünstigen Umständen eine „Heldentransformation“ wie jener Paolo Rossi.