Der Hamburger SV hat es nach sieben Jahren endlich zurück in die erste Liga geschafft. Doch wird man es schaffen dem Druck Stand zu halten und sich auch weiterhin im Oberhaus festzusetzen, nachdem man solange auch finanziell in einer völlig anderen Liga unterwegs war? Kann man den Rückstand gegenüber Vereinen wie dem SC Freiburg, dem FC Augsburg oder auch Union Berlin, die sich in all der Zeit nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich immer mehr weiter entwickelt haben, überhaupt wieder aufholen? Genau dies soll dieser Blick auf das aktuelle Transferfenster 2025 zeigen. Wie stark ist der HSV-Kader wirklich? Und auf welchen Positionen gilt es nachzubessern? (Bild: IMAGO / Nordphoto)
Über 7 Brücken musst du gehen
Was könnte in Hamburg grade schöner sein, als ein Witz, der plötzlich nicht mehr lustig ist? Ein Witz über einen Bundesliga-Dino, der mit einem Mal zum Zweitligadino wurde. Und das nicht etwa, weil jeglicher Blick auf den Erfolg auf einmal zur Selbstzerstörung wurde, wie es bei anderen Traditionsvereinen wie zum Beispiel 1860 München der Fall war. Nein, der HSV spielte trotz Abstieg immer oben mit, dachte überhaupt nicht daran, durchgereicht zu werden oder irgendwo im Mittelfeld der zweiten Liga zu versacken – und wurde genau dadurch zum Gag der Nation, so wie ein Fahrprüfling, der alle theoretischen Prüfungen mit Bravur meistert, in den praktischen Prüfungen 59 Minuten perfekt fährt, um dann in der allerletzten Minute wieder und wieder bei rot über eine vollbesetzte Verkehrsampel zu rauschen. Das „Wieder Nicht“ wurde quasi zum Synonym für diesen riesigen Verein und zum Alptraum für alle HSV-Fans.
Ich wiederhole mich gerne, aber hier nochmal mein Statement der letzten 6 Jahre:
— Ronan Bernard 🇫🇷🇪🇺🇩🇪 (@B13Ronan) April 27, 2025
"Es wird Frühling. Oder wie man beim #HSV sagt: Platz 4"
Und was hatte man alles versucht? Von Ballbesitzfanatikern wie Tim Walter über Trainer-Legenden wie Dieter Hecking bishin zu jungen ambitionierten Trainern a la Daniel Thioune? Bis dann irgendwann die Erkenntnis kam: „Wenn, egal was wir auch versuchen, es dort draußen einfach niemanden gibt, der uns wieder zu dem einzig wahren echten (!) Dino machen kann, dann müssen wir es eben selbst tun. Und jemandem das Vertrauen schenken, der zuvor nichts weiter als unsere eigene Jugend trainiert hat“. Eine Geschichte, die im Falle eines Aufstieges schöner und kitschiger hätte nicht klingen können. Das erste Mal, wo der HSV endlich auf sein eigenes Team und seine eigene DNA vertraut, klappt es auf einmal.
Und dann trägt er auch noch diesen Namen: Merlin, der Zauberer – Merlin Polzin, der, der dem HSV zuallererst eins nehmen sollte: Angst. Angst vor dem Scheitern, Angst davor, erneut die Lachnummer Deutschlands zu werden, Angst davor, dass am Ende wieder irgendein Heidenheim in der 12. Minute der Verlängerung irgendein Tor schießt – zu einem Zeitpunkt, wo man in Hamburg schon dachte, aufgestiegen zu sein bis die schneidende eiskalte Stimme der Realität ein weiteres Mal sagte: „Wieder nicht!“
Merlin Polzin bleibt dem HSV als Cheftrainer erhalten! 🚨⚽
— Sky Sport (@SkySportDE) December 22, 2024
Polzin wird damit vom Interims- zum Cheftrainer befördert und tritt die Nachfolge von Steffen Baumgart an, der Ende November entlassen wurde.#SkyBundesliga2 #Bundesliga2 #HSV #Hamburg #Polzin pic.twitter.com/RtP30SOb0U
Doch 2025, man konnte es selbst kaum glauben und selbst die größten Fans zweifelten bis zum Ende, sollte es anders kommen. Mit 6:1 fegte man den SSV Ulm im entscheidenden Spiel um den Aufstieg weg und bescherte damit seinen Fans ein Gefühl, für was es kaum Worte gibt: Natürlich Begeisterung gepaart mit Erleichterung und zwischendrin schon fast so etwas wie Erschöpfung. Was war das für ein Kampf? Ein Kampf, wo man immer – sieben verdammte Jahre - so nah dran war? Kein Gedanke an die Zukunft, daran, dass die Bundesliga vielleicht anno 2025 noch schwerer werden könnte als damals, als man nach gefühlt 20 gewonnenen Relegationsspielen sich am Ende doch immer noch gerettet hatte: In diesem Moment genoss man als HSV-Fan einfach nur das hier und jetzt.
Erst nach ein paar Wochen wurde klar, dass natürlich auch irgendwann wieder in die Zukunft geschaut werden musste: Eine neue Challenge, ein neues Kapitel und vielleicht eine Herausforderung, die nochmal komplett anders sein könnte, als alles, was man bisher erlebt hatte.
Bierdusche für Merlin Polzin auf der Pressekonferenz. #HSV pic.twitter.com/yyWLqcGG4T
— Abendblatt HSV (@abendblatt_hsv) May 10, 2025
Merlin, Teil II:
Was für den HSV in jedem Fall zutrifft: Wo auch immer der Verein sich grade befand, hat er sich festgebissen, ob als jahrelanger Abstiegskandidat in der ersten Liga oder (unfreiwillig) als jahrelanger Aufstiegskandidat in der zweiten Liga. Der HSV war im Gegensatz zu Clubs wie Hannover, Köln oder Nürnberg nie ein Fahrstuhlclub, das steckte einfach nie in der DNA dieses Clubs. Insofern steht auch das zweite große Abenteuer von Merlin Polzin unter einem sehr guten Stern: Das Abenteuer Klassenerhalt.
Hinzu kommt, dass der HSV aus einer Stadt kommt, die von ihrem Umfeld und ihrer wirtschaftlichen Kraft immer das Potenzial hat, ihren Verein wieder nach ganz oben zu hieven. Natürlich wird man das derzeit in Hamburg nicht gerne hören, aber ja: Der HSV hat das Potenzial in acht bis zehn Jahren wieder um Europa mitzukämpfen und neue potenzielle Legenden in seine Hall Of Fame aufzunehmen, so wie es einst Spieler wie Ruud van Nistelrooy, Kevin Keagan oder Rafael van der Vaart waren. Genau deswegen ist auch die Fallhöhe so groß. Denn auch wenn man die Prüfung bestanden hat, seinen Fans trotz sieben schwerer Jahre niemals das zugemutet zu haben, was beispielsweise das einst ebenso starke Powerhaus FC Schalke 04 seinen Fans in puncto Existenzängste in jüngster Zeit zugemutet hat, ist nun der Klassenerhalt in die Bundesliga auch gleichzeitig die noch viel größere Prüfung.
#Barclaysmen, #BBVAmen, let us introduce them to some VintageBundesliga.
— AUGUSTUS (@Der_Augustus) September 11, 2024
Rafael van der Vaart | HSV | #23 (RaptorEdiits) pic.twitter.com/WtEV7WTSt4
Denn weder darf sich der Verein nun in puncto Transfers komplett übernehmen, noch darf man sich der Illusion hingeben, die Bundesliga in Zukunft mit einem Kader zu rocken, der eigentlich ein Zweitligakader ist. Eine Schritt-für-Schritt-Entwicklung wird in jedem Fall von Nöten sein, so wie Konstanz auf der Trainerposition und eine ganz klare auf Merlin Polzin zugeschnittene Transferphilosophie. Dieser kleine Blick in die Glaskugel soll damit nichts weiter sein als ein Versuch, zu sehen, auf welchem Level der Club sich grade ungefähr befindet und welche Transfers da ungefähr hineinpassen könnte, mit zunächst einmal dem einen Ziel im Blickpunkt: Ein Leben ohne Angst. Ein Leben, wo man sich mit Spielfreude, Kreativität und Blick nach vorne dieser neuen und doch scheinbar immer noch so vertrauten Liga hingeben kann:








