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Leon

Nations League 2025: Kann Deutschland den Titel gewinnen?

Die Playoffs sind gespielt und Deutschland qualifiziert sich zum ersten Mal in der noch jungen Geschichte des Turniers für das Final Four der Nations League. Zum Teil furios präsentierte sich das Team von Julian Nagelsmann in den beiden Playoff-Duellen gegen Italien. Doch wie sehr kann sich Deutschland bereits als Favorit bezeichnen? Und inwiefern hat sich damit die Gesamtwahrnehmung der Deutschen auf die Nations League geändert? (Bild: IMAGO / osnapix)

Die Nations League nur eine Fake-EM?

Brauchen wir das? Oder kann nicht einfach alles so bleiben wie es war? Dies ist eine Frage, die sich deutsche Fußballfans in jüngerer Zeit bei vielen Neuerungen im Profifußball gestellt haben. Gefühlt wird alles im Fußball immer mehr, immer größer, immer teurer, während die wahre Leidenschaft für den Fußball immer geringer wird: Dieses Gefühl, wo sich jeder Fußballfan nostalgisch an seine Kindheit erinnern kann, an sein erstes großes WM- oder EM-Turnier, wo man mit wehender Fahne jubelnd und singend mit dem Autokorso mitgefahren ist oder vor dem Brandenburger Tor mit tausenden anderen Fans mitgefiebert oder, wie zum Beispiel beim Halbfinale des Sommermärchens 2006, mitgetrauert hat.

Die Frage, ob die Nations League Nationalmannschaftsfußball wieder attraktiver macht, ist daher ähnlich wie die nach dem Strandurlaub am Meer. Sind zwei Wochen am roten Meer in Ägypten so schön und erholsam, weil das rote Meer wirklich so schön ist oder weil man sie eben nur einmal im Jahr erlebt oder - wieder auf den Fußball bezogen - ist eine WM oder eine EM vor allem deswegen so ein besonderes Erlebnis, weil man Länderspiele wie Deutschland gegen Italien, bei denen es sogar um einen Titel geht, eben nur alle zwei Jahre erlebt? Viele Fußballfans vertreten diese These, hier muss man aber auch sagen: Wenn die menschliche Psyche so funktioniert, dann dürfte man sich theoretisch auch nur alle zwei Jahre verlieben, das für 1-2 Monate genießen, um dann wieder 22 Monate Single zu sein. Die Wahrheit liegt also, wie immer, irgendwo in der Mitte.

Was man grundsätzlich beim Thema Nations League nicht vergessen darf: Sicherlich ist der Fußball in erster Linie für die Fans da, ausführen tun ihn aber immer noch die Spieler. Und sich hier einerseits darüber zu beschweren, dass Länderspiele vom fußballerischen Niveau, im Vergleich zu Champions League Spielen auf höchstem Niveau, immer unattraktiver werden, gleichzeitig aber Länderspiele auf Top-Level nur alle zwei Jahre haben zu wollen, halte ich für schwierig. Denn wie soll eine Nationalmannschaft bei einer WM- oder EM nur ansatzweise an das Niveau einer Vereinsmannschaft kommen, wenn Spiele gegen große Gegner, bei denen es auch um was geht, nur alle zwei Jahre stattfinden?

Gerade der Zusammenhalt eines Teams unter Druck ist hier von zentraler Bedeutung. Auch müssen Teamhierarchien gebildet werden, Abläufe zwischen den Mannschaftsteilen trainiert werden und nicht zuletzt auch das In-Game-Coaching eines Trainers während eines K.O.-Spiels muss sich entwickeln.

Wie aber soll das gehen, wenn eine Nationalmannschaft, die bei einem großen Turnier vielleicht sogar um den Titel mitspielen soll, bis auf 2-3 Testspiele vorher, den Ernstfall eines K.O.-Spiels noch nie gemeinsam durchlebt hat? Wie soll eine Mannschaft wie zum Beispiel Deutschland 2026 Chancen auf den WM-Titel haben, wenn die Spieler erst dort merken, dass K.O.-Spiele gegen große Gegner sich zwei Jahre zuvor noch ganz anders angefühlt haben, wo in kniffligen Situationen beispielsweise noch Führungsspieler wie Toni Kroos, Thomas Müller oder Manuel Neuer auf dem Platz standen? Dies und andere Dinge kann eine Mannschaft nun mal nicht bei einem Freundschaftsspiel, wo es bestenfalls um Prestige geht, oder einem WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein trainieren.

Die Nations League ist also in erster Linie extrem wichtig, damit das fußballerische Level von Länderspielen auch in Zukunft noch mit dem von Champions-League-Spielen mithalten kann und hier muss sich auch der Vereinsfußball irgendwann mal anpassen. Insbesondere den Franzosen und den Engländern merkte man bei der vergangenen EM an, dass viele der Spieler, die gerade eine komplette Premier-League, La-Liga-, Bundesliga-, oder Ligue-1-Saison mit einem Top Team hinter sich hatten, schlicht und einfach überspielt waren. Kylian Mbappé, Jude Bellingham, Harry Kane, Phil Foden, Aurélien Tchouameni, Kevin de Bruyne oder auch Bernardo Silva – was hatte man für Erwartungen an diese Superstars bei der vergangenen EM, dennoch konnte keiner der Stars sein Potenzial bei diesem Turnier abrufen. Und das nur, weil die Premier League neben dem FA-Cup, der Meisterschaft, dem FA-Supercup unbedingt noch einen weiteren Pokalwettbewerb brauch? Meines Erachtens wird hier viel zu viel Priorität auf den Vereinsfußball gelegt, der ohnehin schon mit Spielen und Wettbewerben überfrachtet ist.

In diesem Sinne: Ein Hoch auf die UEFA Nations League, einem der aktuell besten und spannendsten Wettbewerbe, der sich in den nächsten Jahren hoffentlich noch weiter etablieren wird und natürlich Glückwunsch an Deutschland, sich zum ersten Mal für das Final Four Turnier qualifiziert zu haben.

Deutschland und die Nations League

Denn ein Schelm ist, wer vermutet, dass die Tatsache, dass die Nations League grade in Deutschland so unbeliebt war, möglicherweise auch was damit zu tun haben könnte, dass Deutschland in diesem Wettbewerb vorher noch nie über die Ligaphase hinausgekommen ist. Eine Party, zu der nur „die coolen“ eingeladen sind, man selbst aber nicht, ist halt in erster Linie immer erstmal uncool. Hier muss man den Erfindern der Nations League zumindest vorwerfen, dass das Timing ein bisschen schlecht war, sich bei deutschen Fans beliebt zu machen. Denn ausgerechnet im Jahr 2018/2019, wo die erste Nations League stattfand, begann mit dem Ausscheiden der Deutschen in der Vorrunde bei der WM in Russland eine sechsjährige Dauermisere der deutschen Nationalmannschaft, die Fans nur noch frustrierte und sowohl Jogi Löw als auch wenig später seinem Nachfolger Hansi Flick den Job kostete. Insbesondere Deutschlands Auftritte in der Nations League, gekrönt vom 0:6 gegen die Spanier, waren hier in den letzten Jahren schlichtweg peinlich.

Dazu gehörten auch die ständigen Absagen von Nationalspielern vor Länderspielpausen, die gefühlt immer genau dann auf einmal Kopfschmerzen am Fuß oder irgendwelche anderen Zipperlein hatten, wenn Nations League Spiele stattfanden.

Auch den Spielern, die sich erbarmten bei Nations-League-Spielen zu erscheinen, merkte man sowohl neben als auch auf dem Platz an, dass sie im Kopf schon die Tage zählten, wo sie endlich wieder mit ihrem Verein trainieren konnten. Kurzum: Aus dem berühmten Satz „Ein Spiel hat 90 Minuten und am Ende gewinnen immer die Deutschen“ wurde „Ein Spiel hat 90 Minuten und am wenigsten Bock drauf haben die Deutschen.“

Dass damit der Unmut der deutschen Fußballfans über Nations-League-Spiele größer und größer wurde, erscheint angesichts dessen schon fast logisch. Bis schließlich der Mann kam, der alles veränderte: Julian Nagelsmann.

Nicht nur, dass er es schaffte mit Hilfe der Heim-EM 2024 wieder eine Euphorie in Deutschland zu erschaffen oder aus jungen Talenten wie Jamal Musiala und Florian Wirtz zwei absolute Identifikationsfiguren für Deutschland zu machen, er betonte vor allem immer: „Wir wollen alles gewinnen, jedes Turnier, auch die Nations League.“ Und in einem gibt ihm die Historie auf jeden Fall Recht: Ausgerechnet Deutschlands Angstgegner Spanien hat es nämlich schon vorgemacht. Denn wie Trainer und Spieler bis heute betonen, war der Gewinn der Nations League 2023/24 für Spanien gleichzeitig auch der Startschuss der neuen spanischen goldenen Generation rund um Nico Williams, Pedri und Lamine Yamal, die direkt darauf Deutschland zu Hause den EM-Titel buchstäblich in einem Spiel aus den Händen riss. Doch wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland die nächste Nation sein könnte, denen das das Double aus Nations League und WM-Sieg gelingt? Die Fans trauen dem Team jedenfalls einiges zu, wie unsere Umfrage zeigt.

Portugal: Deutschlands Halbfinalgegner

Portugal ist Deutschlands Gegner für das Final-Four-Halbfinale in München und im Gegensatz zu den Spaniern, gegen die man seit 1988 kein einziges Pflichtspiel mehr gewann, so etwas wie Deutschlands Lieblingsgegner bei großen Turnieren. Denn auch wenn Portugal in diesen Duellen nahezu immer mit der größeren Starpower antrat (man denke an Luis Figo 2006 oder Prime-Cristiano-Ronaldo 2014, als man den Deutschen mit 0:4 unterlag), hier galt dann doch noch der alte Satz: Am Ende gewinnen halt immer die Deutschen.

Dennoch ist Portugal als Gegner nicht zu unterschätzen. Trainiert vom Ex-Belgien-Trainer Roberto Martinez gewannen die Portugiesen in der gesamten Ligaphase der Nations League ausnahmslos jedes Spiel. Erst im Hinspiel der Playoffs kassierte man gegen Dänemark seine erste Niederlage. Auch im Rückspiel zeigte sich eine, sich diese Saison auch im Verein durchziehende, Formschwäche von Bruno Fernandes (Manchester United) und Bernardo Silva (Manchester City) und auch einem 40-jährigen Cristiano Ronaldo merkte man wieder mal an, dass selbst ein Spieler wie er den Zahn der Zeit nicht besiegen kann. Nicht einmal an seine unnachahmliche Kaltschnäuzigkeit als Elfmeterschütze konnte er im Rückspiel mehr anknüpfen und wirkt somit mehr und mehr wie ein Spieler, der nicht loslassen kann. Zu seiner Verteidigung muss man aber auch sagen, dass die Tatsache, dass er dennoch immer noch Stammspieler in der Nationalmannschaft ist, auch dem geschuldet ist, dass seine potenziellen Nachfolger im Sturm Gonzalo Ramos (Bankdrücker bei Paris St. Germain)und Rafael Leao (AC Milan) derzeit alle mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben, von Joao Felix (FC Chelsea) ganz zu schweigen, der schon seit Jahren nicht mehr das einlöst, was man einst in ihm sah.

Somit sollte ein Sieg der Deutschen in ihrer absoluten A-Besetzung gegen Portugal eigentlich möglich sein, vorausgesetzt man schafft es die klare Ballbesitzmannschaft zu sein. Denn dies zeigte sich insbesondere beim Playoff-Rückspiel gegen Italien: Wenn Deutschland einer technischen spielstarken Mannschaft den Ball überlässt, wird es gefährlich. Hier hat Deutschland, im Vergleich zu anderen Top-Teams, derzeit noch nicht die Mittel, solche Angriffswellen souverän weg zu verteidigen, insbesondere nicht ausgeführt von einem in seiner Gesamtheit so herausragend besetzten Sturm wie dem von Portugal. Dauerdruckphasen wie die von Italien in der zweiten Halbzeit des Rückspiels gilt es also gegen Portugal unbedingt zu vermeiden, dann lieber den ein oder anderen Toni-Kroos-Gedächtnisquerpass mehr. Sonst kann das Ziel Nations-League-Finale 2025 für Deutschland auch ganz schnell schief gehen.

Das andere Halbfinale ist quasi die Revanche für das Halbfinale der EM 2024, als die beiden bei diesem Turnier zweifelsohne neben Deutschland spielstärksten Mannschaften aufeinander trafen: Frankreich und Spanien.

Frankreich: Schon fast zu viel des Guten?

Bei Frankreich steht und fällt bei diesem Turnier, welches auch in die letzte Amtszeit von Trainer Didier Deschamps fällt, alles mit einer geordneten Hierarchie und einer eingespielten Mannschaft.

Denn grade in der jüngeren Vergangenheit zeigte sich mehr und mehr, dass trotz aller Starpower von Spielern wie Kylian Mbappé, Antoine Griezman, Ousmane Dembelé oder dem auch in der Nationalmannschaft immer mehr aufblühenden Neu-Bayern-Star Michael Olise. die Leistungen der Franzosen im letzten Jahr alles andere als konstant waren. So verlor man schon das erste Spiel in der Nations-League-Ligaphase im September 2024 mit 1:3 gegen Italien, im November folgte ein spielerisch mehr als dürftiges 0:0 gegen Israel. Auch im Hinspiel der Playoffs gegen Kroatien verlor man mit 0:2 und konnte diesen Rückstand nur maximal knapp im Elfmeterschießen noch drehen.

Zu oft verliebt man sich in brotloses Ballbesitzspiel, was es für Mannschaften wie Kroatien einfach macht, sich hinten hineinzustellen und auf Konter zu lauern. Vergleicht man die Startaufstellung der Franzosen zwischen dem Israel-Spiel und dem Kroatien-Spiel, fällt einem zudem auf, dass nur 2 Feldspieler bei beiden Partien in der Startelf standen. Gewiss, man sagt nicht umsonst, Frankreich könne aufgrund der Fülle an Talenten auch mit 4 verschiedenen Nationalmannschaften um einen Nations-League-Titel mitspielen, nur funktioniert diese Einstellung, gepaart mit ständiger Rotation, in der Praxis nur bedingt. Ganz entscheidend für einen Erfolg der Franzosen in der Nations League und darüber hinaus wird daher sein, dass man es schafft eine Achse zu bilden, oder wie Julian Nagelsmann zu sagen pflegt: „Jeder Spieler muss seine Rolle im System kennen“.

Ganz entscheidend für das weitere Jahr 2025 sollte auch die Rückkehr von Kylian Mbappé in die Nationalmannschaft sein, der im Herbst 2024, obwohl nicht verletzt, nicht mal nominiert war, derzeit bei Real Madrid aber wieder aufblüht. Auch der weitere Verlauf der Champions-League-Saison von Paris St. Germain könnte von entscheidender Bedeutung sein, hat sich der Club doch vom ehemaligen Harlem-Globetrotter-Club rund um Messi und Neymar zu vielleicht aktuell der (!) Wiege für junge französische Talente entwickelt. Insbesondere die Entwicklung von Bradley Barcola (22), Desiré Doué (19) und Warren Zaïre-Emery (19) bei PSG sollte daher auch für Les Bleus von entscheidender Bedeutung sein.

Spanien: Deutschlands Angstgegner

Und Spanien? Nun, hier müsste man ja schon fast sagen: Wenn es einen Fußballgott gibt, müsste er ja schon beinahe dafür sorgen, dass Spanien ins Finale kommt, dort auf Deutschland trifft und hier dann am Ende wegen eines nicht gegebenen Handelfmeters mit 2:1 verliert, so wie es umgekehrt im Viertelfinale der Heim-EM 2024 der Fall war. Dennoch ist Spanien natürlich von all den drei verbliebenen Gegnern auch im Jahr 2025 der am schwierigsten zu schlagende Gegner. Für die Deutschen könnte höchstens das Fehlen vom aktuellen Ballon-d’or-Sieger Rodri ein Vorteil sein, der wegen seines Kreuzbandrisses auch das Finalturnier der Nations League verpassen wird. Allerdings sollte man aufpassen, denn im Gegensatz zu Manchester City haben die Spanier noch eine Reihe vergleichbarer Spieler im Kader, die Rodri’s Rolle als Holding Six zwar nicht komplett Eins-zu-Eins so ausfüllen können wie ihr Kapitän, dennoch – man denke an Spieler wie Martin Zubimendi, Fabian Ruiz, Pedri, Gavi wie auch an den nochmal weitaus offensivgefährlicheren Ex-Leipzig-Star Dani Olmo – den Deutschen mindestens genauso gefährlich werden können.

Meine Prognose daher: Deutschland schafft es 2025 das Finale der Nations League zu erreichen. Dort allerdings wird man erneut auf Spanien treffen, wo ich das Ergebnis derzeit bei 50/50 sehe. Auch ein Elfmeterschießen halte ich für nicht für ausgeschlossen, wo für Deutschland sprechen könnte, dass auch Spanien derzeit kein Keeper auf absolutem Weltklasseniveau zur Verfügung steht. Was aber viel wichtiger ist: Alle Spiele finden in Deutschland statt. Warum also nicht nochmal ein bisschen was von dem warmen Sommerwind der Heim-EM einatmen und die Spiele einfach genießen? Und wer weiß, vielleicht kann ja die Geschichte bei diesem Final-4-Turnier für Deutschland zumindest ein bisschen neu geschrieben werden, und damit weiterhin Hoffnung auf den WM-Titel 2026 machen.

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Leon

Goldene Generationen: Die belgische Nationalmannschaft 2018

Belgien hatte in den letzten Jahren (ein wenig überraschend) eine der individuell und kollektiv besten Nationalmannschaften weltweit auf dem Platz. Doch trotz all der Vorschusslorbeeren und mitreißenden Auftritten gelang es dem Team nie, einen großen Titel zu gewinnen. Ein Portrait zu der vielleicht vielversprechendsten Generation in der Geschichte des belgischen Fußballs. (Bild: IMAGO / Photo News)

Vom Außenseiter zur Jackson-11

Wenn man genauer hinsieht, dann könnten es glatt die Jackson 5 sein, die dort auf dem Feld stehen.“ Solche und ähnliche Kommentare fielen in den Jahren 2014 bis 2021, als mit der belgischen Nationalmannschaft die (!) eine goldene Generationen auf dem Platz stand, die diesen Begriff wie keine andere überhaupt erst geprägt hat: Eine Nationalmannschaft, die ein kleines grade mal 11,8 Millionen Einwohner umfassendes Land vertrat, die mit den beiden Lockenköpfen Axel Witsel und Marouane Fellaini, der Südstaatenrock-Frisur von Nacer Chadli und dem Mini-Iro von Radja Nainggolan auch optisch die völlige Palette an Rockn-Roll-Feeling vertrat und zu jener Zeit den vielleicht schönsten Offensivfußballs Europas spielte.

Diese Mannschaft ist bis heute für viele der Inbegriff einer goldenen Generation und wurde zudem Turnier für Turnier von so vielen Leuten zum Geheimfavoriten auf einen EM- oder WM-Titel erklärt, dass man sich als Belgien-Fan irgendwann selbst fragte, wie geheim dieser Tipp eigentlich noch ist.

Belgien: Die Erben von Franz Schubert?

Noch heute ist die 7. Sinfonie des 1828 schon mit 31 Jahren verstorbenen Komponisten, besser bekannt als „die Unvollendete“, eine der bekanntesten und schönsten Sinfonien aller Zeiten. Als „die Unvollendeten“ im Fußball könnte man hingegen die Belgier bezeichnen. Denn natürlich erwarteten alle von einer mit Superstars gespickten Stars wie Eden Hazard, Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku am Ende neben schönem Fußball vor allem eins: Titel. Dennoch schaffte man es nur einmal, nämlich bei der WM 2018 in Russland, überhaupt das Halbfinale zu erreichen - und war damit noch nicht einmal die erfolgreichste Mannschaft in der Geschichte der roten Teufel.

Diese stand nämlich 1980 auf dem Platz, als man rund um die Torwartlegende Jean-Marie Pfaff (ehemals FC Bayern) in einem zugegebenermaßen damals nur aus acht Mannschaften bestehendem Turnier das Finale der Europameisterschaft erreichte.

Schaut man auf den Rest des Teams, sucht man jedoch relativ vergeblich nach großen Stars: Wilfried van Moer, René Vandereycken, Jan Ceulemans - alle bestenfalls Fußballfachleuten oder älteren Generationen heute noch ein Begriff. Schließlich waren es die Deutschen, die die Belgier durch zwei Tore von Horst Hrubesch doch noch um den großen Titeltraum brachten. Für viele Bayern-Fans war dies schon fast eine Ironie des Schicksals, dass es damit ausgerechnet eine HSV-Legende war, die den Bayern-Schlussmann Jean-Marie Pfaff überwand und Deutschland somit zum zweiten EM-Titel verhalf - nachdem bei der EM vier Jahre zuvor ausgerechnet Bayern-Galionsfigur Uli Hoeneß seinen entscheidenden Elfmeter im EM-Finale in den Belgrader Nachthimmel schoss.

WM 2014: Ein neuer Versuch

Doch jetzt waren die Neuen am Start, eben jene Lukaku’s und der Bruyne’s auf dem besten Weg zu ihrem Karrierehöhepunkt. Vorbei war die Zeit, wo man nur der weniger glanzvolle Nachbar der Niederlande war. Zeit für die Jackson 11, mittendrin nun auch Mittelfeldspieler Radja Nainggolan, der insbesondere zu seiner Zeit beim AS Rom das Nachtleben und die italienischen Weinstuben zu genießen wusste und vor manchem Spiel auch mal beim Rauchen einer E-Zigarette erwischt wurde. So mancher Kommentator nannte ihn daher schon den belgischen Mario Basler.

Als Trainer hatte man zu dem den Ex-Nationalstürmer Marc Wilmots (vielen sicher auch als Stürmer und kurzzeitig auch Sportdirektor von Schalke 04 ein Begriff) verpflichtet.

Als Ex-Goalgetter entfachte er in der Mannschaft schon bei dieser WM eine nahezu teuflische Genialität im Sturm, die dem Spitznamen der Mannschaft "Die Roten Teufel" alle Ehre machte. Das einzige Problem blieb allerdings die Effizienz vor dem Tor. Zwar wussten die Stars stets mit schönen Kombinationen zu überzeugen, oft fehlte dann aber der letzte Funken Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. So konnten Romelu Lukaku & Co zwar in der Gruppenphase alle Spiele gewinnen, diese allerdings (trotz mit Algerien, Russland und Südkorea vergleichsweise einfacheren Gegnern) dann doch am Ende nur knapp mit jeweils einem Tor Vorsprung. Dank eines wunderschönen Tors von Kevin de Bruyne schlug man im Achtelfinale dann allerdings auch die USA mit 2:1 und qualifizierte sich erstmals nach über 30 Jahren wieder für die Top 8 einer WM.

Im Viertelfinale musste man sich dann schließlich knapp und nach einem Tor in der 8. Minute von Gonzalo Higuain dem späteren Finalisten Argentinien geschlagen geben, einem Spiel, wo man sich aber durchaus auf Augenhöhe mit dem späteren Vize-Weltmeister rund um Lionel Messi befand. Umso größer war darum die Erwartung der Fans an die kommende EM.

EM 2016: Aus Jackson-5-Pop wird Death-Metal

Spätestens hier hatte jeder die Mannschaft von Marc Wilmots als absoluten Geheimfavoriten für den EM-Titel auf dem Zettel, auch weil sich bei dieser EM viele sonstige Favoriten entweder gar nicht qualifiziert hatten (Niederlande), sich sportlich völlig blamierten (man denke an Englands peinlichem Achtelfinal-Aus gegen Island) oder sich glanzlos und nur einem einzigen Sieg in der regulären Spielzeit durchs Turnier mogelten, wie der spätere Europameister Portugal.

Einzig und allein das erste Gruppenspiel (0:2 gegen Italien), verloren die Belgier, die beiden Gegner Irland (3:0) und Schweden (1:0) schlug man dann allerdings um so souveräner. Der absolute Höhepunkt war dann schließlich das Achtelfinal-Spiel gegen Ungarn, die in ihrer Gruppe als Gruppenerster vor Österreich (Platz 2) und Portugal (Platz 3) bis dahin ebenfalls einen gewissen Geheimfavoriten-Status hatten. Hier aber lieferten Belgiens Stars eines der furiosesten Spiele in der jüngeren Fußballgeschichte ab. Insbesondere Eden Hazard, der zuvor schon eine überragende Saison für den FC Chelsea gespielt hatte und mit seinem Verein ganze 118 Tage ungeschlagen blieb, war an diesem Abend absolut nicht zu halten.

Als neue überragende Spieler dieses Turniers konnten zuzüglich Torwart Thibaut Courtois (heute Stammtorhüter bei Real Madrid) und Abwehrchef Vincent Kompany (heute Trainer beim FC Bayern) auf sich aufmerksam machen. Hinzu stand bei diesem Turnier zum ersten Mal die Innenverteidigung rund um Thomas Vermaelen und Jan Vertonghen absolut sattelfest und kassierte (abgesehen von der 0:2 Pleite gegen Italien im Auftaktspiel) bis zum Viertelfinale kein einziges Gegentor. Ein Sieg gegen den kleinen Underdog Wales im Viertelfinale schien daher nur noch eine Formsache.

Doch dann kam alles anders. Ausgerechnet dem bis dato noch völlig unbekannten Trainer Chris Coleman gelang es die Belgier in diesem Spiel völlig auszucoachen. Dies tat er in dem er zum einen Kevin de Bruyne durch Aaron Ramsey permanent anndecken ließ, zum anderen mit einer 5er-, man könnte fast sagen 7er-Abwehr-Kette. Insbesondere diese brachte den Sturm, dem sich inzwischen auch noch Nacer Chadli (damals Tottenham) und Mitchy Batshuayi (Eintracht Frankfurt/Ex-Dortmund) zugesellt hatte, völlig aus dem Konzept und nahm selbst dem zuvor so herausragenden Eden Hazard jede Spritzigkeit. Dazu kam dann noch ein sich in herausragender Form befindender Gareth Bale, der zu dem Zeitpunkt der wichtigste Spieler neben Cristiano Ronaldo im Real-Madrid-Sturm war und jeden Konter der Waliser erbarmungslos ausnutzte. Die Folge: Die goldene Generation schied mit einer 1:3-Niederlage abermals im Viertelfinale aus - und das ausgerechnet gegen den größten Außenseiter des Turniers Wales.

Die Folge war eine Spielerrevolte der Mannschaft gegen ihren Trainer Marc Wilmots, welche es so in der Geschichte großer Turniere wenn überhaupt noch 2010 bei Frankreich (damals gegen Trainer Raymond Domenech) gab. Der Jackson-5-Traum wurde damit zum Death-Metal und beendete schließlich mit sofortiger Wirkung die Trainerkarriere von Marc Wilmots in der belgischen Nationalmannschaft. Auch für Vorzeige-Rockn-Roller Radja Nainggolan war dieses Spiel der letzte Auftritt im belgischen Nationaldress im Rahmen eines großen Turniers.

WM 2018: Der Höhepunkt: Kontrolliertes Feuerwerk

Nun aber schien es endlich so weit: Die Augen der ganzen Welt waren nun auf dieses Team gerichtet, auf diese nun gereiften „Geheimfavoriten“ oder (wie Kommentatoren-Legende Béla Rethy damals sagte) „die brasilianischste Nationalmannschaft Europas aller Zeiten“. Endlich schien es so weit und die Balance zwischen Defensive und Offensive hatte sich unter Neu-Trainer Roberto Martinez (mittlerweile Trainer von Portugal) nun wirklich und endgültig gefunden. Ganze 43 Tore erzielten "Die roten Teufel" bereits in der Qualifikation, wobei sich schon hier zeigte, dass sich das Offensivfeuerwerk rund um Romelu Lukaku nun noch einmal erweitert hatte: Denn auch Stürmer und SSC-Neapel-Legende Dries Mertens, wie auch der durch seine Offensivkraft völlig unberechenbare spätere Dortmund-Außenverteidiger Thomas Meunier füllten mittlerweile die Reihen der sowieso schon (neben Frankreich) besten Offensive dieses Turniers.

Zudem veränderte Roberto Martinez die Taktik der roten Teufel auch grundlegend. Vorbei war die Zeit von brotloser Kunst vor dem Tor, stattdessen lockte man den Gegner aus dem defensiven Mittelfeld heraus, um diesen dann mit blitzschnellen fast Jürgen-Klopp-artigen Kontern völlig zu überrumpeln. Auch ernannte man Axel Witsel zum neuen Chef im defensiven Mittelfeld, was seinen kongenialen Partner Kevin de Bruyne nochmals mehr Freiheiten im Einleiten von Torchancen gab.

Als eines der taktisch historischsten Spiele dieser goldenen Generation wird bis heute das Achtelfinale gegen Japan bezeichnet, wo die Belgier in der Nachspielzeit ein 0:2 Rückstand gegen Japan noch zu einem 3:2-Sieg drehten. Das 3:2 Tor von Nacer Chadli nach Eckstoß der Japaner und anschließendem Konter gilt dabei als eines der am schönsten herausgespielten Kontertore der WM-Geschichte, ein Paradebeispiel für perfekt ausgespielten modernen Umschaltfußball.

Der beste Spieler dieses Turniers war aber noch einmal mehr ganz klar: Eden Hazard. Vielleicht lag es daran, dass er bei diesem Turnier in einigen Spielen zum ersten Mal gemeinsam mit seinem kleinen Bruder Thorgan Hazard auf dem Platz stand, in jedem Fall hatte man den Chelsea-Star selten so losgelöst erlebt. Ganze neun Tore schossen die Belgier in der Gruppenphase und besiegten damit alle Gegner (Panama, Tunesien, wie auch die ebenfalls als Favorit gehandelten Engländer) völlig problemlos.

Im Viertelfinale traf man dann schließlich auf die einzig echte "brasilianischste Mannschaft aller Zeiten", nämlich Brasilien selbst, und diesmal war es Torwart Thibaut Courtois mit einer Weltklasse-Leistung, der der Offensive um Neymar & Co. wie kein anderer trotzte. Die Entscheidung zum 2 : 1 brachte schließlich Kevin der Bruyne und den Brasilianern nach dem 1 : 7 gegen Deutschland 2014 die zweite Blamage bei einer WM hintereinander. Doch der Weg für Belgien wurde nicht einfacher.

Denn schließlich kam es zu dem ganz großen Duell im Halbfinale, dem Milliardenspiel zweier der teuersten Kader der Fußball-Geschichte, Kevin de Bruyne gegen Paul Pogba, Romelu Lukaku gegen Olivier Giroud und nicht zuletzt das Duell der Sprinter und Dribbler Eden Hazard gegen den grade mal 19jährigen Kylian Mbappé: Belgien gegen Frankreich, für viele das um eine Runde verzogene Finale dieses Turniers.

Grade was die Sololeistungen von Hazard und Mbappé in diesem Spiel angeht, sind jedem nochmal die Highlights dieses Halbfinales ans Herz gelegt, denn wenn es in der jüngeren WM-Geschichte auch nur ein vergleichbares Duell zweier überragender Einzelkönner gab, dann war es höchstens das zwischen Kylian Mbappé und Lionel Messi im WM-Finale 2022.

Letztendlich scheiterte man knapp mit 0:1 (nach einem Kopfball nach Ecke von Samuel Umtiti) aber eben an dem späteren Weltmeister Frankreich und so langsam kam die Angst hoch, ob diese goldene Generation am Ende doch nur ein Papiertiger bleiben sollte, zumindest wenn es um Titel ging.

EM 2021: Zum ersten Mal: Welker Duft statt Welpenschutz?

Noch einmal stand Roberto Martinez am Spielfeldrand, auch mit dem Wissen, dass spätestens jetzt Belgien jeder auf dem Schirm hatte und dass es neue taktische Mittel brauchte, um bei einem Turnier erfolgreich zu sein, vielleicht sogar Mittel, mit denen ein gewisser Gareth Southgate mit der englischen Nationalmannschaft zweimal das Finale erreichte: Pragmatismus und Fokus auf die Defensive.

Nur irgendwie wirkte dieser neue Stil der Belgier schnell verkopft und unauthentisch. Die Gruppenspiele gewann man zwar gegen Finnland, Dänemark und Russland noch halbwegs souverän, doch schon im Achtelfinale hatte man gegen den Titelverteidiger Portugal schon so seine Probleme. Diesmal war es der jüngere der beiden Hazard-Brüder Thorgan Hazard, der Belgien aber noch den knappen 1:0-Sieg rettete.

Im Viertelfinale sah man dann allerdings (historisch betrachtet) völlig vertauschte Rollen: Ausgerechnet die Erfinder des Catenaccio-Defensivfußballs Italien ließen sich von der neuen Defensivausrichtung der Belgier nicht im mindesten beeindrucken, sondern schlugen diese mit unbekümmerten und wenig Risiko scheuenden Offensivfußball am Ende problemlos mit 2:1.

Und nicht nur das: Als eine Mannschaft, die bei der WM 2018 nicht einmal qualifiziert war und auf einmal mit einer völlig neuen jungen Mannschaft aus größtenteils unbekannten Nachwuchsspielern aufspielte, schafften die Italiener schließlich Belgien genau dort die Show zu stehlen, wo es ihnen am meisten weh tat - mit einem Titelgewinn als junge von vielen vor dem Turnier zum Geheimfavoriten erklärte Mannschaft.

WM 2022: Das Ende der goldenen Generation

Bei diesem ohnehin schon umstrittenen Turnier zeigte sich dann endgültig, dass diese einst so unbekümmerten jungen Wilden nicht nur in die Jahre gekommen waren, sondern auch verbittert und zerstritten wirkten. Im ersten Spiel gewann man zwar noch 1:0 gegen Kanada, das allerdings als die deutlich schlechtere und chancenärmere Mannschaft, das 0:2 gegen Marokko war dann schließlich der Tiefpunkt der jüngeren Geschichte der Belgier. Völlig blutleer und uninspiriert präsentierte man sich hier gegen wacker kämpfende Nordafrikaner und flog damit (nach einem 0:0 gegen Kroatien im dritten Spiel) komplett zurecht in der Vorrunde raus. Auch für Trainer Roberto Martinez war es das Ende seiner Trainerkarriere bei den roten Teufeln.

Somit verblasste der Stern der Belgier langsam am Horizont, was auch mit der Formschwäche der ehemaligen Stars lag. Eden Hazard wurde nach seinem Wechsel zu Real Madrid und seiner anschließenden fast einjährigen Verletzung nie wieder der Spieler, der er mal war, so dass sein Vertrag bei den Königlichen im Jahr 2023 vorzeitig aufgelöst wurde. Hazard beendete daraufhin seine Karriere und zog sich komplett aus dem Profifußball zurück. Auch für Kevin de Bruyne, der derzeit mit Manchester City eine absolute Horrorsaison hat, läuft es derzeit nicht sehr viel besser, obwohl dieser mit den Skyblues 2022 zumindest noch einmal die Champions League gewann.. Einzig und allein Romelu Lukaku erlebt aktuell mit der SCC Neapel noch einmal einen zweiten Frühling, nachdem er mehrere Male von Chelsea und Inter Mailand hin und her transferiert wurde, sich aber (abgesehen von der Inter-Saison 2021/22) in beiden Clubs immer wieder schwer tat. Hinzu kamen noch persönliche Streitigkeiten zwischen Torwart Thibaut Courtois und Roberto-Martinez’-Nachfolgetrainer Domenico Tedesco, welche dafür sorgten, dass der ehemalige Welttorhüter bei der EM 2024 (Aus im Achtelfinale nach einer wieder mal sehr enttäuschenden Leistung) nicht einmal in den Kader berufen wurde.

Die interessanteste Geschichte der Goldenen-Generation-Spieler schreibt hingegen derzeit Vincent Kompany als Trainer des FC Bayern, dessen Bandbreite zwischen kompakten, wenn auch extrem hoch stehenden Abwehrketten, schönem Offensivfußball und einer extrem authentischen inneren Ruhe in Interviews bereits in seinem ersten Jahr Bayern-Fans beeindruckt. Sein Meisterstück waren hier zweifellos seine beiden Achtelfinalspiele im Februar 2025 gegen Bayer Leverkusen, wo man sich mit 3:0 im Hinspiel (2:0 im Rückspiel) locker durch setzte und damit die Hierarchie um die beste Mannschaft Deutschlands nach der verlorenen Meisterschaft 2024 wieder herstellte.

2025 und danach: Wo liegt die Zukunft?

Derzeit ist die Zukunft der roten Teufel tatsächlich noch schwer vorauszusagen, da die Zeit von de Bruyne, Lukaku und Eden Hazard natürlich endgültig vorbei ist und (wie sollte es bei so einem kleinen Land auch anders sein) natürlich noch nicht die Nachfolger gefunden sind, die dieses Niveau halten könnten. Allerdings machen junge Sturmtalente Lois Openda (RB Leipzig) und Jeremy Doku (Manchester City) zumindest Hoffnung auf neue goldene Zeiten und könnten mit dem schon etwas erfahrenen Leandro Trossard zumindest von den Positionen her, langfristig wieder eine ähnliche Achse bilden, wie die drei oben genannten. Was allerdings alle diese Spieler eint: Ihre Formschwankungen sind nach wie vor zu groß, um wirklich in die Fußstapfen von de Bruyne und Lukaku treten zu können. Dazu spielte man unter Ex-Schalke-Trainer Domenico Tedesco wieder einen eher biederen Defensivfußball und konnte somit weder bei der abgelaufenen EM 2024, noch bei der anschließenden Nations-League erfolgreich sein.

Am 24.01.2025 hat allerdings der Franzose Rudi Garcia die Mannschaft übernommen, der mit Olympique Marseille 2018 zumindest das Endspiel der Europa League erreichte. Ob Belgien aber – trotz vieler weiterer neuer interessanter Talente wie Wout Faes (Leicester City), Mika Godts (Ajax Amsterdam) Julien Duranville (Borussia Dortmund), Zeno Debast (Sporting Lissabon), Malick Fofana (OSC Lille), Romeo Lavia (FC Arsenal) und Arthur Theate (Eintracht Frankfurt) – in naher Zukunft noch einmal das Niveau der 10er-Jahre erreichen wird, bleibt fraglich.

Dank ihrer hervorragenden Jugendarbeit wird Belgien aber sicherlich immer ein Land bleiben, was ähnlich wie die Niederlande das Potenzial hat, bei großen Turnieren oben mitzuspielen. Darum sollte man, auch wenn es für ein Land von knapp einem Achtel so vielen Einwohnern wie Deutschland, immer schwer sein wird, einen Titel zu gewinnen, die Belgier niemals abschreiben. Und wer weiß - vielleicht reift ja in den nächsten Jahren doch noch mal eine neue goldene Generation in Belgien heran, die in der Lage ist, das Werk der "Unvollendeten" mit einem EM- oder WM-Titel zu vollenden.

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Leon

1. FSV Mainz 05 – das sind die Gründe für die Top-Saison der 05er

Der 1.FSV Mainz 05 spielt aktuell die beste Saison seiner Vereinsgeschichte und steht nach Spieltag 25 auf dem dritten Tabellenplatz. Entsprechend herrscht angesichts der letzten Ergebnisse, der Spielweise und der Ausgangslage im Saisonendspurt derzeit Ausnahmestimmung bei den 05ern. Doch wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen? Was sind die Gründe für den Erfolg oder besser gesagt wer ist es? (Bild: IMAGO / Kirchner-Media)

Was gibt es schöneres als an einem verregnet-grauen Wintersonntag Bundesliga zu schauen. Das möchte man als großer Bundesliga-Fan meinen – zumindest bis dann zuweilen der Blick auf die Spielpaarungen fällt und der Himmel gefühlt gleich noch ein bisschen grauer wird: Hoffenheim gegen Heidenheim, Leipzig gegen Augsburg, Kiel gegen Mainz: Da fragt man sich doch hin und wieder, ob nicht die dreihundertdrölfzigste Politiksendung über das Scheitern der Ampel-Koalition oder eine Dokumentation auf ARTE über die Fortpflanzung von Zwergeidechsen nicht manchmal doch kurzweiliger sein könnte.

Denn ja – auch Mainz 05 wird in den Augen vieler Fußballfans, insbesondere Traditionalisten, immer wieder gerne mal in die Schublade eben dieser Mannschaften gezählt, wo man beim Fußballgucken mit seinen Kumpels eher mit halbem Auge hinschaut und stattdessen von den guten alten Zeiten träumt, wo noch Schalke 04, der HSV, Hertha BSC, der FC Kaiserslautern oder 1860 München auf dem Spielprogramm standen.

Dennoch gibt es vielleicht kein Team, was bei seinen Fans in den letzten Jahren alleine sportlich eine derartige Achterbahnfahrt an Emotionen ausgelöst hat: Von einer Hinrunde mit grade mal 11 Punkten in der Saison 2023/24, welche zu den schlechtesten Hinrunden der Bundesligageschichte zählte, bis zu einem im Jahr 2025 herausragenden 4. Platz, der den erstmaligen Einzug in die Champions League für den Verein bedeuten würde. Selten hat ein Verein innerhalb von einem Jahr so einen Sprung hingelegt.

Und wie schon in der Vergangenheit, wo ähnlich charismatische Trainer wie Jürgen Klopp und Thomas Tuchel bei den Rheinhessen am Spielfeldrand standen, steht auch diesmal wieder ganz klar der Trainer im Fokus dieses überragenden wie überraschenden Erfolgs.

Bo Henriksen, der Dänische Kloppo?

Viele Mainz-05-Fans werden sich noch an das Abschiedsvideo seines dänischen Vorgängertrainers und Namensvetters Bo Svensson erinnern: „Meine Kinder sind hier aufgewachsen, alles, was ich über Fußball gelernt habe, habe ich hier gelernt. Jeder Tag in diesem Verein hat mich geprägt und wird mich noch ein ganzes Leben lang prägen“, so die Worte des Dänen, der nach einer Hinrunde zum Vergessen im November 2023 freiwillig zurück trat. Da der Wunsch nach Trainerkontinuität schon immer Teil der Mainzer DNA war (siehe Jürgen Klopp, der ganze sieben Jahre lang im Amt war), war man daher erst einmal skeptisch, als plötzlich dieser wilde Langhaarige an der Seitenlinie stand, der gefühlt nach jeder Balleroberung in Richtung Kurve rannte, um die Fans anzuheizen. Doch bald schon sollte den Mainz-Fans klar werden, dass mit Bo Henriksen weitaus mehr als nur ein Motivator gefunden wurde. „Mein Motto ist es, den Spielern jede Angst zu nehmen und den größtmöglichen Mut zu geben“, so der 49Jährige, ein Motto, was sich noch bezahlt machen sollte.

Keine Angst“, „absolute Offenheit“ und „Freiheit für die Spieler“, das waren von Anfang die Kernpunkte seiner Trainerphilosophie, was sogar so weit ging, dass er die Spieler selbst auswählen ließ, wann das Training stattfinden sollte oder wer wann auf welcher Position spielen möchte. Den rustikalen Mittelfeldspieler Dominik Kohr, der vorher vor allem durch seine harte und oft unfaire Spielweise auffiel als durch wirklich viel Spielverständnis, schulte er zum Beispiel einfach zum Abwehrspieler um, wo er mittlerweile sowohl als rechter, als linker wie auch als mittlerer Innenverteidiger spielt.

Ich sage den Spielern immer, dass ich ihnen nur helfen kann, wenn ich von ihnen immer die absolute Wahrheit höre, denn wie soll ich ihnen sonst helfen? Wenn man nicht ausspricht, wenn was nicht stimmt, ist ein Team zum Scheitern verurteilt“, so ein weiteres Zitat des Dänen, was maßgeblich für seinen innovativen Führungsstil steht, der so gar nicht zu einer eher autoritären Herangehensweise passt mit der viele andere Mannschaften nach wie vor trainiert werden.

Dabei war Bo Henriksen sogar durchaus auch mal ein Taktik-Nerd. Laut eigener Aussage hat er einst jedes seiner Systeme bis zum Erbrechen auswendig gelernt, bis zu zwölf Stunden täglich an der Taktiktafel verbracht und jede Menge wissenschaftliche Aufsätze alleine über die Arbeit gegen den Ball geschrieben, nicht selten mal über 100 Seiten lang. Doch grade dies brachte ihn zu der Erkenntnis, dass trotz aller Taktikanalysen im realen Leben und auf dem Platz nichts wichtiger ist als der Mensch und diesen als Trainer mit so viel Mut und Selbstbewusstsein auszustatten wie nur irgendwie möglich.

Der Spielstil

Grundsätzlich steht vor allem die Defensive im Fokus der 05er. Die Startaufstellung ist in der Regel ein 5-4-1 mit Fokus auf Intensität und Disziplin. Grundsätzlich überlässt man dem Gegner den Ball, beziehungsweise spielt ihn nach schnellem Ballgewinn direkt ins Zentrum, wo neben dem dribbelstarken deutschen U21-Nationalspieler Paul Nebel (einem der Shooting-Stars der Saison) vor allem der Ex-Leverkusener Nadiem Amiri der Lenker und Denker der Mainzer ist. Vorne sind es dann der extrem kopfballstarke Jae-sung Lee und allen voran Jonathan Burkardt. die die Umschaltmomente, wie auch die nicht selten genialen Steckpässe von Amiri vollenden. Der 24-jährige Jonathan Burkardt, der bereits in der letzten Länderspielpause vom Bundestrainer Julian Nagelsmann eingeladen wurde, gilt dabei als eine der größten Hoffnungen im Sturmzentrum in der deutschen Nationalmannschaft.

Und selbst wenn man in diesen Umschaltmomenten mal den Ball verlieren sollte, was aufgrund der Risikofreudigkeit schon mal passieren kann, sind es stets die blitzschnellen Außenverteidiger Anthony Caci und Philipp Mwene, die im Falle eines Ballverlustes nach innen schieben und die Situation klären. Dabei ist Bo Henriksen am wichtigsten, dass, egal ob mit dem Ball oder gegen den Ball, alle Spieler permanent aktiv sind und früh stören. Dadurch gehören die Mainzer auch in der Eroberung von zweiten Bällen statistisch zu den stärksten Teams der Liga.

Der Mainzer Kader reif für die Champions-League?

Alleine dass sich diese Frage Mainz 05 als Drittplatzierter knapp neun Spieltage vor Saisonende überhaupt mal stellen würde, damit hätte wohl vor der Saison niemand gerechnet.

Denn ähnlich wie der FC Union Berlin und der VFB Stuttgart, den beiden sicherlich größten Überraschungen der vergangenen Saisons, was Champions-League-Qualifikationen angeht, hatten auch Mainz 05 zahlreiche schmerzvolle Abgänge zu verzeichnen: Ludovic Ajorque, Jessic Ngankam, Josua Guilavogui, Tom Krauss und Leandro Barreiro – alle diese Spieler waren in der Vorsaison wichtig für die starke Rückrunde und den Klassenerhalt, wobei der härteste Abgang sicherlich der von Flügelstürmer Brajan Gruda war, der im Sommer 2024 für 32 Millionen Euro zu Brighton & Hove Albion wechselte. Seinen größten „Rising Star“ so schnell wieder zu verlieren war für viele Fans ein extrem herber Schlag, auch da zu dem Zeitpunkt noch völlig in den Sternen stand, ob der leider in der Vergangenheit sehr verletzungsanfällige Jonathan Burkardt überhaupt mal eine ganze Saison durchspielen kann.

Hier aber kommen wir zur letzten und vielleicht sogar entscheidendsten Stärke der Rheinhessen: die Jugendarbeit. Diese machte sich zum Beispiel in der vergangenen Europa Youth League bezahlt, als die Mainzer U17 sensationell ins Viertelfinale einzog. Brajan Gruda, Jonathan Burkardt, Paul Nebel, Finn Dahmen (aktuell Augsburg), wie auch Leandro Barreiro (aktuell bei Benfica Lissabon) sind hinzu alles Spieler, die erst kürzlich aus der Mainzer Jugend hochgezogen wurden und sich innerhalb kürzester Zeit alle zu etablierten Bundesligaspielern entwickeln konnten. Hinzu käme noch Nelson Weiper, ein weiterer hochtalentierter 19-jähriger deutscher Stürmer, der sich jetzt schon anschickt, für die Mainzer so etwas wie der nächste Johnny Burkardt in der Sturmspitze zu werden.

Bis auf den SC Freiburg gab es somit in den letzten Jahren nur ganz wenige Mannschaften in der Bundesliga mit so einer hohen Durchlässigkeit der eigenen Jugendspieler und die Lorbeeren dafür können die Mainzer nun endgültig ernten. Dass man neben den vielen jungen Talenten zusätzlich mit Robin Zentner noch einen erfahrenen Torhüter hat, der zudem derzeit zu den formstärksten Keepern der Liga gehört, rundet das Bild dann endgültig ab.

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Leon

Goldene Generationen: Bayer Leverkusen 2002

Bayer 04 Leverkusen hat es 2024 geschafft, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte deutscher Meister zu werden. Doch nicht nur das, man legte damit auch endgültig den allseits bekannten Ruf und Namen „Vizekusen" ab. Doch was hat es damit genau auf sich? Ein Blick zurück in die Geschichte von Bayer 04 Leverkusen und das Jahr 2002. (Bild: IMAGO / WEREK)

„Vizekusen“ – Trauma oder Marke?

So ziemlich jeder wird dieses Gefühl schon einmal erlebt haben: Das Gefühl nach einer 3stündigen Schachpartie dem Gegner Dame und Turm abgetrotzt zu haben, um dann aufgrund einer kurzen Unaufmerksamkeit plötzlich doch noch Schachmatt gesetzt zu werden - oder das Gefühl sich für sein absolutes Traumstudium durch 6 lange Bewerbungsrunden gequält zu haben, um am Ende nach schon sicherer Zusage plötzlich doch ein Schreiben zu bekommen, wo drin steht: "Wir gratulieren Ihnen für die spannende Aufnahmeprüfung. Nach Prüfung unserer eigenen Kapazitäten bedauern wir dennoch, Ihnen mitteilen zu müssen, dass aktuell kein Studienplatz mehr frei ist."

Alle Fans von Borussia Dortmund werden sich grade sicherlich schmerzvoll an das Finale der Meisterschaft 2022/2023 erinnern, wo der Borsigplatz schon reserviert war, sämtliche Planungen für die anstehende Meisterfeier schon so gut wie abgeschlossen waren, wo man dann aber mit ansehen musste, wie in den letzten Minuten ein gewisser Jamal Musiala im Parallelspiel das eine Tor schoss, wo es dann doch wieder hieß: Herzlichen Glückwunsch zur 11. Meisterschaft in Folge Bayern München.

Auch Fans von Schalke 04 haben dieses Trauma im Jahr 2001 erlebt, im letzten Moment doch nur zum „Meister der Herzen“ gekürt wurden zu sein. Und dennoch hat den Fluch des ewigen Zweiten in der Geschichte keine andere Mannschaft so hart getroffen, wie Bayer 04 Leverkusen im Jahr 2002. Denn jeweils nur ein einziges Spiel trennte das Team von Trainer Klaus Toppmöller in diesem Jahr davon, nicht nur die Meisterschaft zu gewinnen, sondern gleich alle drei bedeutenden Titel: Meisterschaft, DFB Pokal und sogar die Champions League.

Dieses sogenannte Triple aus Champions-League, nationalem Pokal und Meisterschaft war zuvor nur vier Mannschaften gelungen: Celtic Glasgow (1967), Ajax Amsterdam (1972), PSV Eindhoven (1988) und Manchester United (1999). Dennoch mussten sich die Leverkusener am Ende mit einer titellosen Saison abfinden.

Meisterkampf und DFB-Pokal

In der Bundesliga lieferte man sich zunächst einmal einen spannenden 5er-Kampf mit Borussia Dortmund, Bayern München, dem 1.FC Kaiserslautern und Werder Bremen. Nur sechs Punkte trennten die Mannschaften in der Hinrundentabelle, welche Bayer Leverkusen knapp mit 39 Punkten anführte. Erst zu Beginn der Rückrunde ließ man zum ersten Mal Federn. So verlor man hier gleich drei von vier Spielen gegen den VFL Wolfsburg, Bayern, so wie auch gegen Schalke 04. Eine Serie von zehn ungeschlagenen Spielen brachte Leverkusen dann jedoch wieder in die Pole-Position im Kampf um die Meisterschale, zumal zu diesem Zeitpunkt mit Dortmund und Bayern dann auch nur noch zwei ernsthafte Konkurrenten übrig waren.

Doch dann kam der 20. April 2002, das Heimspiel gegen Werder Bremen, in welchem man trotz Führung von Zé Roberto plötzlich Panik bekam und das Spiel mit 1:2 zu verlor. Sollte der große Traum, die erste Meisterschaft in der Vereinsgeschichte zu gewinnen, doch noch in Gefahr geraten? Beim Auswärtsspiel gegen den 1. FC Nürnberg (0:1) vergab man die Führung dann endgültig, weswegen es für den letzten Spieltag dann hieß: Nur noch ein Sieg sowie ein Unentschieden von Borussia Dortmund im Parallelspiel konnte die Meisterschaft noch retten. Den Sieg schaffte man dann zwar dank zweier Tore von Michael Ballack (2:1 gegen Werder Bremen), da aber Borussia Dortmund im Parallelspiel ebenfalls gewann, wurde man schließlich mit nur einem Punkt Abstand Zweiter.

Doch es sollte noch bitterer kommen: Denn nur eine Woche später verlor man das Endspiel im DFB-Pokal ebenfalls. Immerhin: Der ein Jahr zuvor ebenfalls im letzten Moment gescheiterte „Meister der Herzen“, Schalke 04 konnte schließlich mit 4:2 den Pokal gewinnen und wurde somit für die bitterste Niederlage in seiner Vereinsgeschichte zumindest ein bisschen entschädigt. Was Leverkusen anging, waren nun aber natürlich alle Augen auf das Champions-League-Finale gerichtet. Hier wartete dann ausgerechnet Real Madrid.

Der Traum vom Henkelpott

Das größte Wunder, was Klaus Toppmöller mit Leverkusen vollbrachte, war sicherlich dieser völlig überraschende Einzug ins Champions-League-Finale. Denn nur zur Erinnerung für alle Jüngeren unter uns: Wir reden hier von einer Zeit, wo die Beinahe-Galacticos Real Madrid (mit Zinedine Zidane, Luis Figo, Raul und dem Brasilianer Ronaldo in ihrer absoluten Prime) alles dominierten.

Zudem war da noch ein FC Barcelona, der sich, mit dem damals grade mal 18-jährigen Andres Iniesta, wie auch Rivaldo und Patrick Kluivert im Sturm, schon damals anschickte, über Jahre hinweg den besten Sturm der Welt zu stellen, ein Manchester United unter Sir Alex Ferguson, was mit dem heutigen Manchester United ungefähr so viel zu tun hatte wie das Kulturgut von Matze Knop mit furchteinflößendem Gangsterrap – und nicht zuletzt der Titelverteidiger FC Bayern.

Niemand hätte vor dieser Saison auf Bayer Leverkusen gewettet. Dennoch ging man, abgesehen von einer 0:4 Klatsche gegen Juventus Turin ungeschlagen und als Erstplatzierter aus der Gruppenphase. Im Viertelfinale unterlag man dann zunächst dem FC Liverpool mit 0:1, kehrte dieses Ergebnis dann allerdings im Rückspiel mi einem 4:2 um, wobei vor allem der brasilianische Verteidiger und spätere Bayern-Star Lucio aufblühte. Im Halbfinale schaffte man es dann - wenn auch knapp mit zwei Unentschieden und dank der damals noch bestehenden Auswärtstorregel - gegen Manchester United schlussendlich ins große Finale von Glasgow.

Im Finale gegen Real Madrid war es dann schließlich Raul, der die Werkself gleich in der 8. Minute schockte. Allerdings dauerte es nur drei Minuten und wieder war es Lucio, der den Ausgleichstreffer hinlegte. Mit einem sehenswerten historischen Volley entschied dann aber schließlich Zinedine Zidane in der 45. Minute das Spiel für die Königlichen und der letzte Traum von einem Titel zerplatzte in Leverkusen in den weiteren 45 Minuten wie eine Seifenblase.

War es hier möglicherweise auch schon der Frust über die beiden anderen verlorenen Titel, insbesondere der Meisterschaft, der dafür sorgte, dass hier am Ende die letzten Körner fehlten? Viele Experten sagen heute, dass für Leverkusen mit einem anderen Mind-Set in dieser zweiten Halbzeit definitiv mehr gegangen wäre. So aber sollte es einfach nicht sein und der Verein musste ganze 22 Jahre warten bis ausgerechnet Real-Madrid-Ikone Xabi Alonso den „Vizekusen“-Fluch brach.

Der Kader:

Dennoch bleibt die Frage: War der Kader von 2002 nicht möglicherweise sogar noch besser als der aktuelle Leverkusen-Kader? Bereits erwähnte Superstars wie Michael Ballack, Zé Roberto und Lucio könnten das durchaus glauben machen. Hinzu waren neben Ballack gleich fünf weitere deutsche Nationalspieler im Kader der Leverkusener, die im selben Jahr bei der WM natürlich nur eins werden konnten: Vize-Weltmeister.

Auch der FC Bayern, allen voran Uli Hoeneß, schien gewarnt zu sein, dass hier neben Borussia Dortmund ein weiterer dauerhafter Bundesliga-Konkurrent heranzuwachsen drohte. So kaufte man – in bester Bayern-Manier – dem ungeliebten Kontrahenten mit Zé Roberto und Michael Ballack gleich mal zwei seiner drei besten Spieler ab.

Für Michael Ballack war die „Vizekusen“-Saison auch gleichzeitig seine Durchbruchssaison. Als entscheidender Motor im Mittelfeld glänzte er nicht nur als Regisseur und Antreiber, sondern war hinzu noch extrem torgefährlich. Günter Netzer bezeichnete ihn in dieser Zeit sogar als den „kopfballstärksten Spieler der Welt.“ Ballack brachte es in dieser Saison bei 50 Pflichtspielen auf insgesamt 23 Tore und 13 Vorlagen. Damit war er Leverkusens Topscorer und belegte mit 17 Bundesliga-Treffern hinter Martin Max und Marcio Amoroso (beide 18 Tore) den dritten Platz der Torschützenliste und wurde zuzüglich zu „Deutschlands Fußballer des Jahres 2002“ ausgezeichnet.

Eine Menge Nostalgie werden Bundesligafans der älteren Semester sicherlich auch noch mit dem Namen Lucio verbinden. Der brasilianische Verteidiger, der in der Bundesliga sowohl für Bayer Leverkusen als auch für den FC Bayern auflief, galt als herausragender Kopfballspieler und trug damit neben seinen beeindruckenden Fähigkeiten gegen den Ball mit wichtigen Toren, insbesondere in der Champions League, zum Erfolg der Werkself bei. Auch er wechselte, allerdings erst 2004, zum FC Bayern.

Im Sturm hingegen war Ulf Kirsten der leuchtende Stern, ein Stürmer, der zu diesem Zeitpunkt wohl so etwas war wie der Thomas Müller von Leverkusen. Ganze zwölf Jahre spielte er bereits für den Verein in dem er auch ein Jahr später seine Karriere beendete. Mit 181 Bundesligatreffern war er zudem zu dem Zeitpunkt bereits der fünftbeste Torschütze der Bundesligageschichte. Auch seine Mentalität und sein Kampfgeist machte den einst von Ede Geyer trainierten DDR-Nationalspieler aus Sachsen für die Bayer-Elf unersetzlich.

Und sollte es auf der anderen Seite des Platzes mal gefährlich werden, war jedem Gegner klar, dass mit Kapitän und Libero Jens Nowotny im Zweifelsfall eher nicht gut Kirschen essen ist. Mit insgesamt acht Platzverweisen (fünf rote + drei gelb-rote Karten) ist er bis heute neben dem Brasilianer Luiz Gustavo der Spieler, der in der Bundesliga am häufigsten des Platzes verwiesen wurde. Doch auch sonst war Nowotny neben Ballack der wichtigste Motor in dieser Mannschaft.

Das machte es dann umso bitterer, dass ausgerechnet er sich im Halbfinale der Champions-League am Kreuzband verletzte und somit in allen drei verlorenen Finalspielen fehlte. Auch hier bleibt bis heute die Frage, wie die Leverkusen-Saison ohne diese Verletzung ausgegangen wäre. Zum Vergleich stelle man sich zum Beispiel vor, wie die Leverkusener Meisterschaftsaison 2023/24 ausgegangen wäre, hätte sich ein Granit Xhaka oder ein Florian Wirtz in der entscheidenden Phase am Kreuzband verletzt.

Ähnliches gilt für Torwart Hans-Jörg Butt, wobei dieser Gott sei Dank unverletzt blieb. Der erfahrene Schlussmann, der von 2001 bis 2007 für Leverkusen spielte, war eine Schlüsselfigur in der Defensive. Mit seinen ausgezeichneten Reflexen und seiner Spielübersicht stellte er sich als absolute sichere Bank heraus und war zuzüglich auch abseits der Platzes als mentaler Anker für seine Mitspieler wichtig.

Hinzu hatte Leverkusen mit dem wahrscheinlich neben Hristo Stoichkov bedeutendsten bulgarischen Fußballspieler aller Zeiten noch ein weiteres großartiges Talent in ihren Reihen: Dimitar Berbatov. Damals erst 20 Jahre alt, entwickelte er sich in der Saison 2001/2002 immer mehr zum Führungsspieler und brachte Bayer Leverkusen im DFB-Pokal-Finale gegen Schalke 04 sogar zunächst in Führung.

Neben Lucio bewies auch Mittelfeldspieler Zé Roberto, warum Bayer Leverkusen noch viele weitere Jahre als der Magnet in Deutschland für talentierte Brasilianer bekannt war, auch wenn dieser neben der brasilianischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft hatte. Hierbei mag es umso lustiger erscheinen, dass er in seiner Zeit bei der Werkself so auf Fußball fokussiert war, dass er es trotz deutschem Trainer verpasste auch nur ein einziges Wort deutsch zu lernen. Dies ging schließlich soweit, dass sein späterer Bayern-Mitspieler und Landsmann Giovane Elber damit drohte, in der Kabine nie wieder ein Wort portugiesisch mit ihm zu sprechen, wenn er nicht endlich die deutsche Sprache lernte.

Der Trainer, eine Inspiration für Guardiola?

Und schließlich wäre da noch Klaus Toppmöller, ein Name, der vor allem Eintracht-Frankfurt-Fans ein Begriff sein sollte. Nicht nur, dass er sowohl als Spieler als auch als Trainer zu den größten Vereinslegenden der Eintracht zählt, ausgerechnet sein Sohn Dino Toppmöller ist es, der sich als Drittplatzierter in der Bundesliga derzeit anschickt, die erste direkte Champions-League-Qualifikation in der Vereinsgeschichte zu schaffen. Interessant ist zudem, dass der gelernte Ingenieur für Versorgungstechnik einer der ersten war, der in Deutschland den bedingungslosen One-Touch-Fußball etablierte, mit dem nur wenige Jahre später ein gewisser Pep Guardiola beim FC Barcelona komplett durchstarten sollte.

Hinzu war Toppmöller extrem inspiriert vom Fußball der brasilianischen Nationalmannschaften und Verschiebungen der 5er-Kette. Auch die Aufgabe des Liberos interpretierte er insofern neu, als dass er diesem (in dem Fall Jens Nowotny) mehr und mehr Aufgaben gegen den Ball gab, was wiederum Mittelfeldspielern wie Michael Ballack weitaus mehr Freiräume in der Offensive gab.

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Leon

Goldene Generationen: Neapel 2023 - Eintagsfliege oder neuer italienischer Serienmeister?

Die SSC Neapel scheint mit ihrem ersten Scudetto-Gewinn seit 23 Jahren zurück an der europäischen Spitze zu sein. Allerdings steht der Verein diesen Sommer vor einem großen Umbruch, denn nicht nur Trainer Luciano Spaletti verließ den Club direkt nach dem großen Triumpf in der Serie A, auch Schlüsselspieler wie Stürmer Victor Osimhen werden bei anderen finanzstärkeren Clubs derzeit heiß gehandelt. Hier eine Analyse der (noch) aktuellen goldenen Generation der SSC Neapel.

Die ersten goldenen Jahre: Maradona und das magische Dreieck von 1990

Wer kennt ihn nicht? Einen der größten Helden des Weltfußballs: Polarisierend, atemberaubend, ein Spieler zwischen Genie und Wahnsinn und doch einer der größten Fußballer aller Zeiten - Diego Maradona. Jeder, der schon einmal ein paar Minuten eines Fußballspiels verfolgt hat oder weiß, dass man dieses Spiel in der Regel mit dem Fuß spielt und nicht mit dem kleinen Finger, kennt seinen Namen. Doch nirgendwo wurde er außerhalb Argentiniens so sehr wie ein Fußballgott verehrt wie in Neapel, einem Klub, den er über Jahre hinweg maßgeblich geprägt hat wie kein anderer. Selbst das vorher als Stadio San Paolo bekannte neapolitanische Stadion, einer der gefürchtetsten Hexenkessel Italiens, trägt mittlerweile seinen Namen.

Was viele nicht mehr wissen, ist, dass Maradona, so wie beim Gewinn des Weltmeistertitels 1986 mit Argentinien, auch beim letzten Scudetto-Sieg Neapels nur Teil einer goldenen Generation war – einer Generation, wo er am Ende natürlich als der publikumswirksamste Spieler alle überragte. Dennoch gab es zu dem Zeitpunkt mindestens zwei weitere Spieler bei der SSC, denen Maradona einen Teil seines Ruhms definitiv zu verdanken hat: Bruno Giordano und Careca - gemeinsam und angelehnt an die ersten zwei Silben ihrer Nachnamen: "La MaGiCa", das magische Dreieck.

Sie zusammen bildeten zu jener goldenen Zeit der Neapolitaner ein Sturmtrio, was gemeinsam eine Wucht entfalten konnte, welches höchstens noch das Sturmtrio Messi, Neymar und Luis Suarez zu deren besten Barcelona-Zeiten noch toppen konnte.

Keine Spur von dem zu der Zeit in Italien so berüchtigten Catenaccio-Fußball, auch kein taktisch perfekt durchgestylter auf Raumdeckung ausgerichteter Spielstil, wie ihn der ebenfalls zu der Zeit sehr erfolgreiche AC Mailand unter Arrigo Sacchi spielen ließ, sondern schnelle Vertikalpässe, ein für die damalige Zeit extrem hohes Tempo und eine Grundattitüde, die teilweise an den brasilianischen La-Jogo-Bonito-Style erinnerte: Dafür stand zu jener Zeit die SSC Neapel. Was aber macht die heutige goldene Generation Neapels aus, denen das Meisterstück 33 Jahre später nun abermals gelungen ist, sich an die Spitze der Serie A zu schießen?

33 Jahre später: Neapel zum ersten Mal seit Maradona wieder die Nr. 1 in Italien

Am 4.5.2023 konnte die SSC Neapel nach 23 langen Jahren mit vielen Höhen und Tiefen erneut den Scudetto für sich klarmachen. Und wieder sollte man sich diesen Titel mit dem „unitalienischsten“ Fußball erspielt haben, den ein Serie-A-Club seit Jahren präsentiert hat: Begeisternd, risikobereit, auf Ballbesitz ausgerichtet und offensiv. Was noch dazu kommt: Auch diesmal sollte wieder ein magisches Dreieck im Mittelpunkt stehen.

In diesem Fall reden wir allerdings nicht von drei Star-Spielern wie 1990 (zumindest nicht vor der Saison 2022/23), sondern von größtenteils völlig unbeschriebenen Blättern auf dem Fußballmarkt, die noch dazu alle aus Fußballnationen kommen, wo so manch ein argentinischer Maradona-Anhänger vielleicht noch nicht einmal weiß, wo diese überhaupt liegen: Slowakei, Nigeria und Georgien.

Stanislav Lobotka, Victor Osimhen und der georgische Flügelstürmer Khvicha Kvaratskhelia – sind sie also die Anführer einer neuen Goldenen Generation? Einer goldenen Generation, die auch aufgrund ihres jungen Alters und ihres nach wie vor rasant steigenden Marktwerts vielleicht noch nicht einmal ihre absolute Prime erreicht hat?

Die "Osi-KvaLo"-Gang - Das „MaGiCa“ Trio von 2023?

Lobotka, Osimhen und nicht zuletzt Kvaratskhelia – der Spieler, dessen Namen nicht einmal eingefleischte Neapel-Fans aussprechen können, weswegen sie ihn zumeist nur „Kvaradona“ oder liebevoll „Zizi“ nennen, welches laut eigener Aussage auch sein eigentlicher Spitzname ist: Das sind sie also – die neuen „MaGiCa“s von 2023.

Mittelstürmer Victor Osimhen wäre dabei noch am ehesten als klassischer 9er zu bezeichnen und zählt derzeit zu den teuersten und heißbegehrtesten Stürmern Europas (so begehrt, dass selbst der große FC Bayern, der doch diesen Sommer so dringend einen neuen Robert Lewandowski braucht, schon Abstand von einer Verpflichtung genommen hat.)

Diese Tatsache scheint umso unglaublicher, wenn man bedenkt, dass Osimhen in der Saison von 2017/2018 beim VFL-Wolfsburg mit 12 Einsätzen und 0 Toren als einer der größten Transferflops der Bundesligageschichte galt. Zum Vergleich – für die SSC Neapel kam er seit 2020 in 78 Spielen auf ganze 46 Tore. Dies ist ein Wert von im Schnitt einem Tor in weniger als 180 Minuten. In der aktuellen Saison kam er sogar auf 28 Tore in 36 Spielen, das heißt er schoss in so gut wie jedem Spiel mindestens ein Tor.

Ebenso niemand auf dem Zettel hatte vor der aktuellen Saison den 22jährigen Georgier Khvicha KvaratskheliaDinamo Tiflis, Rubin Kasan, FC Rustawi und der FC Dinamo Batumi, dies sind die Clubs, für die „Kvaradona“ vorher seine Schuhe schnürte. Zuzüglich sollte er als Flügelstürmer und sich zwischen den Halbräumen bewegender 10er auch noch den zuvor aus Neapel abgewanderten italienischen Nationalspieler Lorenzo Insigne ersetzen, ein Druck, der für Kvaratskhelia größer hätte kaum sein können.

Dennoch entwickelte sich "Kvaradona" zum sofortigen Publikumsliebling, erinnerten doch insbesondere seine aberwitzigen Solodribblings oft an die argentinische Vereinslegende von 1990. Auch neben dem Platz wusste er mit seinem Humor durchaus zu unterhalten, so gründete er beispielsweise im Netz ein Tutorial, wo er den Fans wie in einem Duolingo-Onlinesprachkurs beibrachte, seinen vollen Namen, wie auch andere komplizierte Wörter in seiner Heimatsprache richtig auszusprechen.

Bei diesem magischen Dreieck geht dann der Dritte im Bunde fast ein bisschen unter. Dennoch sind sich die meisten Experten einig, dass kaum ein Spieler für den Erfolg der SSC so entscheidend mitverantwortlich war wie Stanislav Lobotka (28). In der Gazzetta dello Sport verglichen ihn einige Italienische Experten sogar mit Real-Madrid-Mittelfeldmotor Luka Modric, nicht zuletzt aufgrund seiner oft tödlichen Pässe in die gefährlichen Strafraumzonen.

Die südkoreanische Mauer und das italienische Sturmfeuerwerk

Doch auch ein weiterer Spieler darf in der Erfolgsgeschichte der Neapolitaner natürlich nicht ungenannt bleiben: Der südkoreanische Nationalspieler und Abwehrorganisator Min-Jae Kim, mittlerweile auch beim FC Bayern ein Gesprächsthema. Mit insgesamt 171 abgefangenen Pässen ist er in dieser Statistik Nummer drei in der Rangliste aller Abwehrspieler in den fünf europäischen Top-Ligen und wurde damit, wohlgemerkt als Verteidiger, 2023 zu Italiens Fußballer des Jahres gewählt.

Und eine italienische Achse für die die Neapolitaner als stark heimatverbundener Club immer berühmt waren? Diese findet sich tatsächlich erst auf dem zweiten Blick. Dennoch waren auch die Stürmer Matteo Politano und Giacomo Raspadori, mal in der Startelf, mal als Joker eingesetzt, ein nicht unerheblicher Teil von Neapels zum Teil fast überrumpelnden Offensive. Oft wurden sie hierbei von Giovanni Simeone unterstützt – ausgerechnet von dem Spieler, dessen Vater (Diego Simeone, seit 2011 Cheftrainer bei Atletico Madrid) wie kein ein anderer Trainer auf der Welt für gnadenlosen Defensivfußball steht.

Komplettiert wurde das Spiel der Neapolitaner schließlich vom italienischen Schlussmann Alex Meret, der sich sowohl am Spielaufbau beteiligte, als auch über weite Strecken für eine sattelfeste Strafraumabsicherung stand. Mit seinen gerade mal 23 Gegentoren sorgte er dafür, dass selbst Kontermannschaften, von denen es in Italien bekanntlich sehr viele gibt, der SSC so gut wie nie gefährlich werden konnten.

Titelverteidigung oder Einkaufstheke der Big Money Players? Wie geht es weiter mit der SSC?

Somit bleibt abschließend nur die Frage: War und ist diese goldene Generation eine Eintagsfliege oder der Anfang einer künftigen sich auch noch die nächsten Jahre durchziehenden Wachablösung aus dem italienischen Süden? Eine Gefahr für die Stadt am Fuße des Vesuvs könnte hier darin liegen, dass zwischen den beiden Top-Scorern der Mannschaft und Platz drei eine dann doch recht große Lücke klafft.

Denn belegen die beiden Top-Scorer (Torschützenkönig Osimhen mit 27 Scorerpunkten und Kvaratskhelia mit 22 Scorerpunkten) derzeit beide die Top 3 der Türschützenliste der italienischen Liga, so ist der offensiv drittstärkste Spieler Piotr Zielinski mit 10 Scorer-Punkten nur auf Platz 30 zu finden.

Man ist also extrem abhängig von seinen Top-Stars und die Gefahr ist somit durchaus gegeben, dass der Verein - sollte die SSC diese beiden Spieler oder auch nur einen von ihnen im Sommer verkaufen - den offensiven Qualitätsabfall dann doch so leicht nicht kompensieren kann. Zudem verlässt mit Luciano Spalletti der Meistertrainer den Klub, ein schwerer Verlust nach einer grandiosen Spielzeit.

Allerdings - das hat man Ende der Saison 2021/22 nach dem Abgang des vorherigen Sturmduos Dries Mertens und Neapel-Legende Lorenzo Insigne auch schon befürchtet – und wurde schnell eines Besseren belehrt. Es wird aber maßgeblich auch von Vereinspräsident (und Filmemacher) Aurelio de Lorentiis und einer klugen Transferstrategie abhängen. Wie groß ist sein Ehrgeiz die Meisterschaft auch in der nächsten Saison zu verteidigen? Und wie lange wird er dabei astronomisch-hohen Mond-Angeboten von sich finanziell nach wie vor in völlig anderen Sphären aufhaltenden Vereinen wie Manchester City oder Paris St. Germain widerstehen können? Angesichts eines schon vor dieser Saison bereits erfolgreichen vollzogenen Umbruchs ist die Wahrscheinlichkeit aber durchaus hoch, dass selbst beim Abgang der Starspieler die SSC Neapel - nach vielleicht einer Saison Selbstfindungsphase - spätestens in zwei Jahren wieder ganz oben im Rennen um den Scudetto mitspielen könnte.

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Leon

Goldene Generationen: Norwegen - ein Halbfinalist für die EM 2024?

Wenn wir von aufkommenden Top-Talenten im europäischen Fußball reden, reden wir in Europa derzeit immer und immer wieder von den gleichen Nationen: Frankreich, England, Spanien und Portugal.

Auch Deutschland und Italien haben lange zu diesen Platzhirschen gehört, wenn auch insbesondere in Deutschland die Nachwuchsarbeit derzeit etwas stagniert. (Bild: IMAGO / Gonzales Photo)

Doch neben diesen sogenannten "großen Nationen" gab es auch immer wieder die Nationen, die kurz zuvor noch niemand auf dem Schirm hatte: Länder mit zum Teil weit unter 10 Millionen Einwohnern, die auf einmal aufblühten, nicht nur wegen ihres einen großen Stars, sondern vielmehr dank einer plötzlichen Ansammlung herausragender Spieler, die durch irgendeinen Zufall alle in eine Dekade gebeamt wurden und dank ihrer Herkunft auf einmal alle in einer Nationalmannschaft landeten.

Diese goldenen Generationen sind dabei so alt wie der Fußball selbst: Uruguay, mit seinen gleich zwei WM-Trophäen 1930 und 1950 und bis heute das kleinste Land, was jemals eine Fußballweltmeisterschaft gewann - Ungarn, Anfang der 50er bis zum "Wunder von Bern" über 4 Jahre lang für jede andere Mannschaft unschlagbar - Polen, mit Stars wie Grzegorz Lato und Zbigniew Boniek neben den Niederlanden das Überraschungsteam der 70er - Rumänien und Bulgarien, Anfang der 90er bärenstark und von jedem Gegner gefürchtet - Belgien, von 2018-2021 Spitzenreiter der FIFA-Weltrangliste - und nicht zuletzt Kroatien, das kleine 3,8-Millionen-Einwohnerland, welches 2018 Vize-Weltmeister wurde, derzeit eine der Nationalmannschaften der Stunde.

Was all diese goldenen Generationen gemeinsam haben: Sie alle eint das Schicksal vom Vogel Phönix. Sie kommen urplötzlich hervor aus der Asche, versinken dann aber auch schnell wieder in ihr, sprich irgendwo im Niemandsland des Weltfußballs.

Denn im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich oder Brasilien zeigt sich hier dann doch, dass diese Länder trotz hervorragender Nachwuchsförderung wegen der geringen Einwohnerzahl einfach nicht die Möglichkeiten haben, ständig wieder und wieder neue Messis oder Modrics zu entdecken.

Oder tippt heute noch jemand ernsthaft auf eine Teilnahme des Europapokal-Siegers von 1986 Steaua Bukarest in der KO-Runde in der Champions League oder auf Bulgarien in einem WM-Halbfinale, so wie 1994? Wohl eher nicht.

Das Schöne und Spannende an diesen goldenen Generationen aber ist: Wo an einem Fleck der Erde eine goldene Generation zu Ende geht (dies musste nicht zuletzt Belgien beim letzten WM-Turnier in Katar schmerzlich erleben), steigt woanders eine neue wieder auf. Warum also nicht mal in Norwegen?

Denkt man an das Land Norwegen, denkt man zunächst einmal an wunderschöne Fjorde, malerische Seen, wie auch an endlose Sommernächte. Und schaut man auf den Globus, denkt sich der ein oder andere sicherlich auch: Hmmm, komisch, das Land ist doch gar nicht so klein. Das stimmt. In der Tat ist Norwegen von seiner Gesamtfläche her sogar größer als die gesamte britische Insel. Von seiner Einwohnerzahl ist das Land jedoch mit 5,4 Millionen Einwohner nicht einmal halb so groß wie Belgien.

Die Stars aus dem hohen Norden

Zum einen wäre da natürlich der Eine - der aktuell größte und leuchtendste Stern Norwegens: Erling Haaland, 22 Jahre jung, und derzeit Mittelstürmer bei Manchester City. Über die Tatsache, dass Erling Haaland derzeit weltweit zu den talentiertesten und besten Fußballern zählt, gibt es sicherlich keine zwei Meinungen. Seine Rekorde sind schon in diesem jungen Alter so unglaublich, dass einem jede Fantasie fehlt, wie er es anstellen soll, nicht eines Tages rekordtechnisch in der Liga Cristiano Ronaldo oder Messi zu landen. Kaum einem anderen Fußballer weltweit, wenn überhaupt vielleicht noch Kylian Mbappé, traut man derzeit zu, eines Tages in diese übergroßen Fußstapfen treten zu können.

Alleine in der Bundesliga schoss Haaland in 89 Spielen ganze 86 Tore, was für alle Stürmer mit über 25 Toren, die je in Deutschland gespielt haben, jetzt schon die historische Bestmarke aller Zeiten ist. Und falls es nach seinem Wechsel vom BVB zu Manchester City im Sommer 2022 noch irgendjemanden gab, der darauf spekulierte, die Premier League könne diesen Ausnahmestürmer vielleicht zumindest wieder etwas "menschlich" wirken lassen, wurde dieser sehr schnell eines besseren belehrt: 17 Tore in seinen ersten 11 Pflichtspielen unter Pep Guardiola, 3 Hattricks alleine in der Hinrunde 2022/2023, wie auch nicht zuletzt beim 6 : 3 Derby-Sieg gegen Manchester United sein 103. Treffer in seinem 100. Pflichtspiel auf Clubebene.

Mit diesen schier unmenschlichen Rekordzahlen könnte man noch Seiten füllen. Viel spannender scheint aber derzeit die Tatsache, dass Haaland längst nicht mehr der einzige Norweger ist, der in der Premier League absolute Ausnahmeleistungen bringt.


Der Taktgeber

Noch mindestens ein weiterer Norweger zählt nämlich derzeit zu den talentiertesten Spielern der für viele immer noch besten Liga der Welt. Dieser Spieler ist dabei zuzüglich noch einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass sein Verein grade an der Tabellenspitze der Premier League steht: Mittelfeld-Allrounder Martin Odegaard vom FC Arsenal.

Wie kaum einen anderen Spieler verbindet man Odegaard mit dem furiosen Comeback der Gunners im europäischen Spitzenfußball. Oder wie die Daily Mail kurz nach seinem völlig verrückten No-Look-Pass beim 4:3 gegen Brighton schrieb:

„Ganz England liegt Odegaard zu Füßen. Mit seinem Spiel und seiner Leichtigkeit sieht er aus wie ein ehemaliger Galactico und ist derzeit einer der besten Spieler der Premier League. Mit einem Odegaard in dieser Form ist für den FC Arsenal momentan alles möglich."

Ein Martin Odegaard in seiner aktuellen Form könnte somit auch das Mittelfeld-Herzstück der norwegischen goldenen Generation sein, ähnlich wie es ein Kevin de Bruyne für Belgien oder ein Aaron Ramsey für Wales war - ein Aaron Ramsey, der zu seiner Prime ebenfalls Spielmacher beim FC Arsenal war und zuzüglich mit dafür verantwortlich war, dass die Waliser rund um Superstar Gareth Bale bei der EM 2016 als absoluter Außenseiter ins Halbfinale ziehen konnten.

Denn auch das zeigt die Geschichte all jener goldenen Generationen: Wo immer eine kleinere Nation mit einem herausragenden Knipser gesegnet war, so hatte sie im Erfolgsfall doch immer noch mindestens einen weiteren Dirigenten im Mittelfeld, der seinen scheinbar komplett zugestellten Stürmerstar mit den entscheidenden genialen Schnittstellenpässen bediente: Hidegkuti und Puscas für Ungarn (1954), Seedorf und Bergkamp (1998) für die Niederlande wie auch Modric und Mandzukic (2018) für Kroatien sind hier nur einige prominente Bespiele für geniale Mittelfeld-Stürmer-Duos. Odegaard und Haaland hätten aktuell definitiv das Zeug dazu als zwei der besten Spieler der Premier League ein ähnliches Duo zu bilden.

Bundesliga-Fans hingegen mag aktuell noch ein weiterer Name aufgefallen sein, wurde er doch grade erst als Winterneuzugang vom BVB verpflichtet: Julian Ryersson, der ebenso wie sein Landsmann Morten Thorsby bis zu seinem Wechsel Stammspieler beim 1. FC Union Berlin war. Ryersson dankte den Dortmunder für deren Vertrauen, in dem er sich und den BVB bereits im 2. Spiel gegen Mainz 05 mit einem Tor belohnte. Doch auch in der Defensivarbeit zeigte Ryersson in den letzten Jahren mehr und mehr seine Ausnahmeklasse. Ein kleines statistisches Beispiel: Mit einem Schnitt von 60 gewonnenen Zweikämpfen pro 90 Minuten lag er nur knapp hinter Bayern-Neuzugang Joao Cancelo (63 Zweikämpfe), der bei Manchester City lange Zeit zu den besten Spielern der Welt auf seiner Position zählte.

Derweile tummeln sich auch in anderen europäischen Ligen immer mehr neue hochtalentierte Norweger. Nicht zuletzt der derzeit herausragend aufspielende SSC Neapel hat sich hier, auch mit Blick auf die Zukunft, mit dem 22jährigen Leo Ostigard in der Defensive verstärkt. Dieser könnte aktuell gemeinsam mit dem schon etwas erfahreneren Birger Meling von Stade Rennes beispielsweise ohne Probleme das Innenverteidigerduo der Skandinavier bilden, ein Innenverteidigerduo auf mit Sicherheit gehobenem europäischen Niveau.

Insgesamt sind es sage und schreibe ganze 23 Spieler mit norwegischem Pass, die in der Saison 2022/2023 mit ihren Teams europäisch überwintern konnten. Darunter fallen Fredrik Oppegard vom PSV Eindhoven (der als gelernter Linksverteidiger mit Ryersson, Meling und Ostigard z.B. die norwegische Viererkette komplettieren könnte), Marcus Pedersen von Feyenoord Rotterdam, Kristoffer Zacharias und Joshua King von Fenerbahce, wie auch Fredrik Aursnes von Benfica Lissabon als mögliches defensives Pendant zu Martin Odegaard im Mittelfeld.

Einzig und allein die Torwart-Position könnte noch eine gewisse Schwachstelle darstellen, da Leipzig-Keeper Orjen Nyland derzeit nur die Nr. 3 im Verein ist und daher aktuell nur über wenig Spielpraxis verfügt. Auch U21-Keeper Kristoffer Klaesson (Leeds United) konnte sich in der A-Nationalmannschaft bislang noch nicht fest spielen. Hier greift man daher derzeit vor allem auf André Hansen (FK Rosenborg) zurück, der allerdings bislang nur in kleineren Ligen zwischen den Pfosten stand.

Das absolute Herzstück der Norweger jedoch ist und bleibt der Sturm und das auch neben Erling Haaland. Hier fand der von RB Leipzig an den spanischen Europa-League-Teilnehmer Real Sociedad verliehene Alexander Sörloth zuletzt auch abschlusstechnisch zu immer stärkerer Form. Zuzüglich wirbelt neben ihm noch Southhamptons Mohammed Elyounoussi auf der rechten Außenbahn und auch den zuletzt von Eintracht Frankfurt an Gent verliehenen Jens-Petter Hauge sollte man im Auge behalten.

Und schließlich wäre da last but not at least auch noch er - eines der vielleicht derzeit größten Talente im europäischen Fußball und erst kürzlich von Benfica Lissabon verpflichtet: der erst 18jährige Andreas Schjelderup.

Diese 10 Minuten Fußballkunst zeigen in etwa zu welchen herausragenden Aktionen in Sachen Dribbelstärke, Passgenauigkeit und Abschlussstärke der junge Mann jetzt schon fähig ist:

Mit 22 Toren für den dänischen Underdog FC Nordsjaelland wurde er in der vergangenen Saison mit haushohem Abstand Torschützenkönig in der dänischen Liga, wobei er im Gegensatz zu Erling Haaland eben nicht dieser klassische Mittelstürmer ist.

Seine größte Stärke liegt vielmehr in seiner Variabilität, seiner Entscheidungsfindung auch gegen den Ball und seiner Gradlinigkeit auf dem Weg zum Tor. Fast immer weiß er, wann es an der Zeit ist ins Dribbling zu gehen, den Abschluss zu suchen oder die Verteidiger in Räume zu ziehen von wo aus er dann seine Mitspieler in Szene setzen kann. Gefürchtet sind des weiteren seine Innenrissschlenzer aus zum Teil unmöglich scheinenden Positionen, die zum Teil schon fast an die französische Stürmerlegende Thierry Henry erinnern.

Mit all diesen Anlagen könnte Andreas Schjelderup in den nächsten einer der spannendsten Spieler 2023/2024 europaweit werden und gemeinsam mit Erling Haaland eines der gefährlichsten Sturmduos im europäischen Nationalmannschaftsfußball werden - Anführer einer neuen goldenen Generation: Norwegen, vielleicht sogar schon das Überraschungsteam der EM 2024 in Deutschland.

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